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sensor 2×5-Interview: Unipräsident Georg Krausch über Führung, Zukunft und den maroden Campus

Was sind die Herausforderungen beim Leiten einer Uni?

Wir müssen vor allem eine Kultur entwickeln, die zum akademischen Rahmen passt. Dazu gibt es auch ein Projekt Führung: „JGU-Leadership“. Denn wir haben hier fast alle akademischen Disziplinen, mit unterschiedlichsten Kulturen. 4.000 Mitarbeiter sind das, dazu 7.000 in der Medizin und 32.000 Studierende. Das sind unterschiedlichste Menschen aus 120 Ländern dieser Erde. Und wir verwalten uns selbst. Es geht also viel um Konsens und weniger um autoritäre Führung.

Was kennzeichnet speziell die Uni Mainz?

Für die Studierenden ist es wohl die Campus-Universität in stadtnaher Lage mit ihrer großen Fächervielfalt. Auch unsere Wissenschaftler schätzen den Vorteil einer Volluniversität. Hier ist alles nah beieinander. Interdisziplinarität bietet sich geradezu an. Angesichts der finanziellen Rahmenbedingungen können wir jedoch nicht in allen Disziplinen in der Weltspitze vertreten sein. Daher arbeiten wir an einer Profilbildung. Stark sind wir vor allem in der Kern- und Teilchenphysik, der Materialwissenschaft und der Medizin, in der Medienforschung und in den Geschichtsund Altertumswissenschaften.

Auch der Campus sieht fast schon etwas altertümlich aus. Was ist da nur los?

Das Land Rheinland-Pfalz hat in den vergangenen Jahren immens in den Campus investiert, um Ausbau und Modernisierung voranzutreiben. Neue Bauten wie das Georg-Forster-Gebäude oder das Philosophicum II sind entstanden. Die Universität errichtet erstmals in Bauherrenfunktion zwei moderne Forschungsbauten für die Biologie. Wir haben aber tatsächlich auch noch über 20 Gebäude, die dringend saniert werden müssen oder zum Abriss anstehen. Unser drängendstes Anliegen im Augenblick ist aber der Neubau einer modernen Zentralbibliothek.

Der Landesrechnungshof kritisiert immer wieder Teile der Uni- Finanzen. Was ist da dran?

Wir schauen uns das an, und wenn es Fehler geben sollte, versuchen wir das zu beseitigen. Wenn es aber in den Medien heißt, da wäre eine Professur nicht besetzt, dann liegt das daran, dass nicht genug Gelder da sind. Daher müssen immer wieder Stellen freigehalten werden. Gerade in kleineren Budgetbereichen erreicht man das, indem zum Beispiel eine Professur unbesetzt bleibt.

Was sind die Zukunftsfragen für Universitäten im Allgemeinen?

Der Wettbewerb um Studierende wie um Wissenschaftler wird härter. Entsprechend müssen wir stärker herausarbeiten, wofür diese Universität steht. Im Bereich Studium brauchen wir mehr Flexibilität für die Studierenden. Wir bekennen uns zu Vielfalt und Chancengleichheit, müssen verschiedenen Lebensentwürfen gerecht werden. Auch die Digitalisierung spielt dabei eine große Rolle. Das betrifft nicht nur Videoaufzeichnungen von Vorlesungen oder Online-Tutorials, sondern auch die Frage, wie die Digitalisierung die Wissenschaften selbst verändert. Was bedeutet es für die Zukunft der Sozialwissenschaft, wenn Millionen Menschen im Internet ihre Geheimnisse preisgeben und Beziehungen dokumentieren? Wie müssen wir Ärzte ausbilden, wenn wir Apps auf dem Smartphone haben, die die Krankengeschichte erstellen, oder eine künstliche Intelligenz, die beim Auswerten von Röntgenaufnahmen hilft? Wie können wir unsere Wissenschaftler in diesen Prozessen unterstützen?

Seit 11 Jahren sind Sie nun an der Uni. Die klassische Mainzer Zahl. Zeit für eine Veränderung?

Nein. Ich fühle mich wohl hier und es gibt immer noch genug zu tun. Auch wenn es andere berufliche Angebote durchaus gab. Ich bin bis März 2025 im Amt des Präsidenten wiedergewählt, dann bin ich 63. Was danach kommt, weiß ich jetzt noch nicht. Ich habe hier eine Lebenszeitprofessur in Physik und könnte noch einmal in Forschung und Lehre tätig werden.

Dabei kommen Sie eigentlich aus nicht-akademischen Verhältnissen?

Kann man so sagen. Ich bin gebürtiger Offenbacher, habe dort meinen Schulabschluss gemacht und war dann erst einmal 25 Jahre unterwegs. Ich habe in Konstanz Physik studiert und promoviert, war ein Jahr in den USA, in München Professor, danach neun Jahre in Bayreuth und bin 2006 hier zum Präsidenten gewählt worden. Die Rückkehr in die Heimat habe ich schon genossen. Aber zurück zu Ihrer Frage: Mein Vater war selbständiger Schlosser und Kunstschmied, meine Mutter Schneiderin. Und trotzdem haben drei von vier Geschwistern studiert. Ich habe aber auch viele Freunde, die Nicht-Akademiker sind.

Welche Eigenschaften brauchen Sie für Ihren Beruf?

Zuhören können. Offenheit, auch für neue Dinge. Integrieren und zusammenführen. Gleichzeitig muss man in diesem Amt auch führen wollen und Gestaltungswillen haben. Und da für einen ungeduldigen Menschen wie mich alles viel zu langsam geht und immer neue Hindernisse auftauchen, braucht man nicht zuletzt eine große Portion Frustrationstoleranz und Durchhaltevermögen.

Haben Sie Hobbies, Kinder, Familie?

Ich spiele Klavier und Querflöte, Orgel und Gitarre – allerdings eher begeistert als virtuos. Ich singe gerne. Und ich tanze regelmäßig – Standard und Latein. Und Familie habe ich auch, fünf Kinder, die sind jetzt 13, 14, 18, 21 und 22 Jahre. Eine Menge Leben ….

Was mögen Sie an Mainz?

Die Mainzer sind offen und unkompliziert. Man kommt schnell in Kontakt und redet miteinander. Die Menschen hier haben ein Stück Lebensfreude und gehen angenehm miteinander um. Das drückt sich auch in den vielen Festen aus. Ich selbst bin gern im Staatstheater und oft auch im Stadion, nicht nur in der VIP-Lounge und auf der Haupttribüne, sondern auch mal im QBlock. Ich mag Wein und gehe gern in eine der Weinstuben in der Altstadt. Ich mag das Bodenständige. Das hat vielleicht auch mit meiner Herkunft zu tun. Ich finde es schön, wenn die berufliche Position keine so große Rolle spielt.

Interview David Gutsche Foto Jana Kay