IHK-Branchenaustausch: Unternehmen leiden unter unberechenbarer Kommunikation und Finanzhilfen, die am Bedarf vorbeigehen Unternehmen der rheinhessischen Veranstaltungswirtschaft vermissen in der Corona-Krise vor allem Planungssicherheit. Bei einem online veranstalteten Branchenaustausch der Industrie- und Handelskammer für Rheinhessen (IHK) forderten Geschäftsführer klarere Kommunikation über Art und Dauer der Einschränkungen, Finanzhilfen, die auch die Unternehmer absichern, und mehr Verständnis für die besonderen Herausforderungen der sechstgrößten Branche der deutschen Wirtschaft. IHK-Hauptgeschäftsführer Günter Jertz will sich für eine landesweite Initiative aller rheinland-pfälzischen IHKs einsetzen, um den Unternehmen des Tagungs-, Kongress- und Veranstaltungssektors Geschäftsperspektiven für das kommende Jahr zu verschaffen.
Laut Jertz ist Deutschland weltweit Tagungsland Nummer zwei: „Die deutsche Veranstaltungsbranche beschäftigt rund 1,5 Mio. Mitarbeiter und setzt 130 Milliarden EUR pro Jahr um. Sie verschafft nicht nur der Gastronomie und Hotellerie wesentliche Umsätze, sondern auch Reiseveranstaltern und Verkehrsträgern. Nicht zuletzt erzielen die Kommunen nennenswerte Steuereinnahmen.“ Grund genug für den Hauptgeschäftsführer, auch den rund 1.700 branchenzugehörigen Betrieben in Rheinhessen eine Systemrelevanz zuzuerkennen: „Will man die Wirtschaft retten, muss man auch die Veranstaltungsbranche retten.“
Doch der Bestand vieler Unternehmen ist gefährdet – einige verzeichnen seit dem ersten Lockdown im Februar Umsatzausfälle von 100 Prozent. Dafür machen fast alle Teilnehmer des IHK-Branchenaustauschs in erster Linie mangelhafte Kommunikation der Politik verantwortlich. So stellt der Heidesheimer Verleiher von Veranstaltungstechnik, Andreas Adelhofer, den Sinn des Lockdowns gar nicht in Frage, vermisst aber Augenmaß: „Die Branche hat durchaus die Kompetenz , in der Corona-Krise Veranstaltungen sicher zu organisieren. Aber die Politik sorgt dafür, dass wir mehr oder weniger Berufsverbot haben.“ Dass viele Teilnehmer ihr Metier von der Politik nur mangelhaft gewertschätzt sehen, bringt der Ingelheimer Veranstalter für Weinvermarktung-Events, Michael Berger, auf den Punkt: „Unsere Branche bekommt ,Hilfsprogramme´, Unternehmen aus Luftfahrt oder Automobilbau erhalten ,Rettungspakete´“.
Eine aktuelle Herausforderung für die Branche sind die langen Vorlaufzeiten von bis zu sechs Monaten, in denen große Veranstaltungen geplant werden müssen. Der Betreiber einer Mainzer Event-Location, Axel Weber, schildert: „Wegen der unsicheren Lockdown-Kommunikation verlieren die Kunden das Vertrauen und buchen nicht mehr. Selbst, wenn im Sommer kommenden Jahres eine Impfung käme, würde der übliche Vorlauf von einem halben Jahr dafür sorgen, dass wir 2021 keine Einkünfte hätten.“ Weiteres Problem: Die beschäftigungslos gewordenen Mitarbeiter wandern ab in andere Jobs – und mit ihnen gehen Kompetenz und lange aufgebautes Know-how.
Während die Belegschaften in Kurzarbeit wenigstens Einkünfte beziehen, sehen die Unternehmerinnen und Unternehmer angesichts laufender Fixkosten ihre Existenz bedroht. Die staatlichen Hilfen entlasten vielfach finanziell nur bedingt, sind nur unter hohem bürokratischen Aufwand zu beziehen oder gehen am Bedarf vorbei. So kommt die jüngst angekündigte „Novemberhilfe“, die bis zu 75 Prozent des Vorjahresmonats beträgt, für viele Firmen zum falschen Zeitpunkt. Deren Geschäft läuft im Sommer. Der November ist ein eher umsatzschwacher Monat.
Dass die Corona-Maßnahmen den Umweltschutz vergessen lassen, verstehen die Bodenheimer Caterer Gerhard Ludwig und Christopher Steiner nur schwer. Unter dem Eindruck drohender Fahrverbote in Mainz haben sie in neue Lieferwagen der Euro-6-Norm investiert, die jetzt ungenutzt Kosten erzeugen. Ihr Geschäft umfasst derzeit nur noch Kantinenbetrieb und Außer-Haus-Verkauf – was aufgrund von Hygienevorschriften ungewollt Berge von Styropor und Plastikmüll erzeugt.