von Markus Lachmann (Artikel aus der Allgemeinen Zeitung)
Im Rhein-Main-Gebiet muss es leiser werden – nicht nur in der Nacht von 23 bis 5 Uhr, sondern auch in der Stunde unmittelbar davor und danach. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig der hessischen Landesregierung mit auf den Weg gegeben, die nun „nachsitzen muss“.
Eine knappe Stunde braucht der Vorsitzende des 4. Senats, Rüdiger Rubel, um das Urteil vorzutragen. Deutlich weniger Zuschauer als noch vor drei Wochen verfolgen in dem pompösen, reichlich mit Gold verzierten Saal das Geschehen. Wirkliche Überraschungen kommen nicht: Dazu waren die Signale im Vorfeld zu deutlich gewesen.
Nacht dürfe „nicht zum Tag gemacht werden“
Was bedeutet der Richterspruch konkret? Dem Land Hessen bleibt für die Zeit zwischen 23 und 5 Uhr praktisch kein Spielraum mehr, Nachtflüge zuzulassen, denn der Bedarf für besonders eilbedürftige Expressfracht konnte nicht nachgewiesen werden. In den Randstunden von 22 bis 23 Uhr sowie von 5 bis 6 Uhr dürfen im Jahresdurchschnitt nur noch 133 planmäßige Flüge stattfinden – 150 waren ursprünglich vom Land Hessen genehmigt worden, davon 17 zwischen 23 und 5 Uhr.
Rubel betont nicht nur, wie wichtig der Schutz der Menschen vor Fluglärm in der Nacht ist: Auch wiederholt er seine Aussage, die Nacht dürfe „nicht zum Tag gemacht werden“. Das heißt: In den Randstunden müsse der Flugverkehr abschwellen bzw. am Morgen nur allmählich anschwellen. Belastungsspitzen wie am Tag müssten vermieden werden.
Nordwest-Landebahn rechtmäßig
Nicht nur die Revisionsklage der Landesregierung ist damit abgewiesen: Fast ausnahmslos schmettert der 4. Senat auch die acht Musterklagen von Kommunen und Privatleuten ab. Das bedeutet: Der Flughafenausbau insgesamt und die neue Nordwest-Landebahn sind rechtmäßig. Das betont auch Verkehrsminister Dieter Posch (FDP), der eine halbe Stunde nach der Urteilsverkündung vor die Presse tritt: „Das Bundesverwaltungsgericht hat den Ausbau des Frankfurter Flughafens endgültig und abschließend für rechtmäßig erklärt.“ Das Land werde die Vorgaben der Richter nun umsetzen. „Ich gehe davon aus, dass die 17 Flüge künftig keine Rolle mehr spielen werden.“
„Ich bin ein wenig traurig“, sagt hingegen der Mainzer Fluglärm-Aktivist Dietrich Elsner. Er hätte sich in den Randstunden deutlich weniger Flüge erhofft. „Für uns bedeutet das: Unser Kampf gegen den Flughafenausbau geht weiter.“ Eleonore Wagner aus Kelsterbach, die selbst geklagt hat, ist bedrückt: „Ich bin mit dem Urteil nicht zufrieden. Der Lärm am Tag bleibt – mit steigender Tendenz. Wer kann denn da noch in den Garten gehen?“
Stärkung für den Hahn
Auch der hessische Grünen-Flughafenexperte Frank Kaufmann ist mit dem Urteil nicht zufrieden – die Belastung zwischen 22 und 6 Uhr sei immer noch sehr hoch. „Da hat sich das Gericht nicht getraut, die Flüge weiter zu reduzieren.“ Der rheinland-pfälzische Innenstaatssekretär Jürgen Häfner (SPD) ergänzt: „Wir hätten uns hier eine noch stärkere Begrenzung gewünscht.“ Das Urteil stärke jedoch den Flughafen Hahn, der Kontingente für Frachtflüge zur Verfügung stellen könne.
Bei Lufthansa geht das Zittern um die Arbeitsplätze weiter. Dort hofft man, dass es vielleicht doch noch Schlupflöcher für Nachtflüge gibt. „Die Hoffnung stirbt zuletzt“, meint der Betriebsratsvorsitzende von Lufthansa Cargo, Ralf Müller. Er wünscht sich, dass die Landesregierung nachts vielleicht den einen oder anderen Expressflug genehmigt – zumindest aber so viele Starts und Landungen in den Randstunden wie möglich erlaubt. Viel Hoffnung haben die Richter um Rüdiger Rubel den Lufthansa-Beschäftigten aber nicht gemacht.