Die zweite Sonderausstellung zum Jubiläum „100 Jahre Mainzer Dom- und Diözesanmuseum“ widmet sich den Chorbüchern des Mainzer Karmeliterklosters. „Zwölf Schreiber haben rund fünf Jahre an diesen Chorbüchern gearbeitet und allein das verwendete Pergament hat den Gegenwert eines Mainzer Stadthauses gehabt“, erläuterte Kuratorin Dr. Anja Lempges, um die Opulenz der ausgestellten Handschriften zu verdeutlichen. Der Domchor hat die Bücher zum Teil eingesungen.
Die Bücher gehen weit über ihren praktischen Bedarf im Kloster hinaus. Die überreiche Bilderwelt gehöre zu den qualitätvollsten und skurrilsten in der Buchmalerei des 15. Jahrhunderts und setzte in der Kulturlandschaft des Mittelrheins Maßstäbe.
Die Karmeliter Chorbücher sind außerdem im Rahmen des aktuellen Digitalisierungsprojektes der Universitätsbibliothek Mainz in diesem Jahr vollständig digitalisiert worden. Mit bis zu 26 Kilogramm pro Band und zusammen rund 1.600 Pergamentseiten gehören die sechs sogenannten Karmeliter-Chorbücher zu den Giganten der mittelalterlichen Handschriften. Die ab 1430 für das Mainzer Karmeliterkloster geschaffenen Bände, waren wichtiger Bestandteil der Chorausstattung. Lempges wies besonders auf die prunkvollen vergoldeten Zierinitialen hin, die ihr Vorbild im berühmten „Göttinger Musterbuch“ haben sowie die atmosphärisch dichten, mit Heiligen bevölkerten Landschaftsdarstellungen, welche die frühesten ihrer Art seien. Abgebildet sind nicht nur Heilige und Märtyrer, sondern auch unzählige Fabel- und Mischwesen, Monster, Drachen, Menschen, Tiere und Pflanzen in anmutigen bis derb-zotigen Szenen. Mit dem Ausstellungskatalog sei nun ein „wunderbarer Start zur Forschung über die Bücher geschaffen“, sagte Lempges. Es gebe aber noch genügend Ansatzpunkte zur wissenschaftlichen Weiterarbeit.
In der Ausstellung wird der Besucher von einem riesigen blauen Drachen begrüßt. Es werden unter anderem die Herstellung und Restaurierung der Bücher vorgestellt, das heißt, dass man echtes Pergament erfühlen kann, aber auch selbst eine 17 Kilogramm
schwere Nachbildung in die Hand nehmen darf. Die Gesänge sind in einer künstlerischen Rauminstallation zu hören. Eingesungen wurde das Hörbeispiel von einer Schola unter Leitung des Mainzer Domkapellmeisters, Professor Karsten Storck.