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Mainz 05: Am Scheideweg des Leders

Text: Felix Monsees
Illustration: Hendrik Schneider

Schluss mit lustig beim Karnevalsverein? fragte eine Mainzer Zeitung nach dem verlorenen Südwestderby beim 1. FC Kaiserslautern. Die Gewalt hat laut Polizei zugenommen, die überrascht war vom aggressiven Auftreten der Fans. Stimmt nicht, sagt Matthias Schöffel vom Fanprojekt Mainz, nur die Wahrnehmung habe sich verändert. Doch von vorne: Fastnachtsstimmung das ganze Jahr lang, so lautet das Klischee über Mainzer Fußballfans. Dass dies nicht immer stimmt, bemerkte die Presse nach dem Südwestderby in Kaiserslautern. Nicht nur die schwache Vorstellung der eigenen Mannschaft in Kaiserslautern bot Zündstoff, sondern auch das Auftreten mancher 05-Anhänger, speziell der Ultras. (Anm. d. Red.: Bei Ultras handelt es sich um fanatische Anhänger, deren Ziel es ist, ihren Verein „immer und überall bestmöglich zu unterstützen“. Während bei Hooligans die gewalttätige Auseinandersetzung mit anderen Gruppen im Vordergrund steht und Fußballspiele nur einen Anlass dazu bieten, steht bei Ultras der Sport im Vordergrund.) Die Fans hatten die Auseinandersetzung mit ihren Kontrahenten aus Kaiserslautern gesucht, bengalische Feuer im Stadion gezündet und das verstorbene FCK-Idol Fritz Walter bepöbelt. Die eigene Mannschaft wurde nach der Niederlage mit Stinkefinger verabschiedet. Asozial sei das Auftreten der 05-Fans gewesen, fasste ein Polizeisprecher das zusammen, was bei anderen Vereinen als normal gilt. Zerstört eine Horde Radaubrüder wirklich das Image von Mainz 05?

„Provokationen gehören zu einem Derby dazu“

Matthias Schöffel lässt sich nicht leicht aus der Ruhe bringen. Seit 2008 arbeitet der 27-Jährige für das Mainzer Fanprojekt und ist selber in der Fanszene aktiv, unter anderem im Vorstand der Supporters. Auf das Image vom Karnevalsverein reagiert er genervt: „Mainz 05 ist ein Verein wie jeder andere auch. Es gibt hier die gleichen Probleme wie anderswo.“ Ein Trend zu mehr Gewalt sieht er nicht. Andere Vereine seien froh, wenn ein Derby so glimpflich ablaufen würde, wie das letzte Aufeinandertreffen der Südwestrivalen. Aber natürlich dürfe man sich auch nicht zufrieden zurücklehnen, nur weil es anderswo schlimmer sei. Weil Derbys besondere Spiele sind, überraschen Schöffel die Ereignisse nicht: „Derbys sind nicht wie die anderen 16 Auswärtsspiele, da gehören Provokationen immer dazu.“ Und wenn das auf verbaler Ebene bleibt, sei das auch OK. Dass es aber nicht dabei blieb, hat Schöffel selbst beobachtet. Anhänger beider Vereine haben „einige Backpfeifen“ untereinander verteilt. Das wurde schnell von der Polizei unterbunden. Warum dann die Aufregung in der Presse? Das hat für Schöffel mehrere Gründe. Teile der Presse versuchen seit dem frühen Europapokal-Aus gegen Gaz Metan Medias, einen Keil zwischen Fans und Verein zu treiben. Ein Autor, der mit besonders negativen Artikeln über die Szene auffiel, wurde von den Ultras als Kaiserslautern-Fan „entlarvt“. Und tatsächlich ist die Stimmung unter den Fans gereizt. Im Heimspiel gegen Dortmund tauschten Ultras und „Normalos“ ihre Argumente per Spruchband aus. Zudem fahren immer weniger Mainzer nach Kaiserslautern, letztes Mal waren es so wenige wie nie zuvor. Besonders dann fallen die Ultras mehr auf. Vor allem wenn sie sich mit rot-weißen Sturmkappen und eindeutigen Gesten titelseitengerecht inszenieren.

„Ausschreitungen nur in Gänsefüßchen“

Den schlechten Ruf der Journalisten kennt Jochen Dietz, Autor des Artikels „Schluss mit Karnevalsverein?“. Er wehrt sich: „Unsere Berichterstattung war ausgewogen.“ Der Journalist hat nach eigener Aussage „mit Fußball nichts an der Backe“, weshalb ihn die Redaktion als neutralen Beobachter schätzt und ihn schon mehrmals zu Risikospielen schickte. Bei Auswärtsspielen in Köln und Frankfurt faszinierte ihn die fröhlich-familiäre Stimmung der Mainzer. Für seinen Derby-Artikel ist Dietz mit dem Sonderzug nach Kaiserslautern gefahren und hat die aggressive Stimmung bemerkt. „Da waren fast nur junge Männer im Zug.“ Von Ausschreitungen möchte Dietz trotzdem nur in Gänsefüßchen sprechen. „Dafür zeichnen Polizei und Fanprojekt ein zu verschiedenes Bild der Lage.“ Dass Dietz für den Bericht auch mit dem Fanprojekt geredet hat, freut Schöffel: „Das Fanprojekt ist gerne Ansprechpartner für die Presse. Falls es nötig ist, kritisieren wir auch die Fans. Wir schönen nichts.“