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2×5 Interview mit Stefanie Böttcher (37) – neue Direktorin der Kunsthalle Mainz

kunshtalle
Beruf

Und wie ist es so in Mainz?

Ich mag Mainz schon lange. Damals habe ich mit meinem Freund, jetzt Mann, verschiedene Studienstädte angeschaut, unter anderem auch Mainz. Es ging dann jedoch nach Göttingen. Aber Mainz war damals schon ein total angenehmer Ort.

In Göttingen haben Sie Kunstgeschichte studiert.

Genau, ganz klassisch mit einem Schwerpunkt auf frühe Neuzeit in Italien. Ich habe auch mal in Italien gearbeitet, auf der Biennale in Venedig. Das hat starke Spuren hinterlassen, sodass für mich nach dem Studium klar war, dass ich in die zeitgenössische Kunst möchte. Ich habe dann über Praktika im Künstlerhaus Bremen angefangen. Das ist ein ganz besonderes Haus: Dort gibt es einen international ausgerichteten Ausstellungsraum und 15 Ateliers für Künstler aus der Region. Ich war dort sieben Jahre als künstlerische Leiterin und bin quasi sozialisiert in diesem Produktionskontext zwischen den Künstlern. 2013 habe ich jedoch gekündigt, weil ich fühlte, dass ich etwas Neues machen muss. Bis mich schließlich der Ruf an die Mainzer Kunsthalle ereilte.

Wussten Sie vor der Kündigung, dass Sie von der Freiberuflichkeit leben können?

Nein, das war ein Sprung ins kalte Wasser. Aber man muss ja zuversichtlich in die Zukunft blicken. Ich wollte schon wieder in eine institutionelle Stelle, aber es war keine frei. Das war aber kein Grund, ewig am alten Job kleben zu bleiben. Und dann kam die gute Nachricht, dass die Kunsthalle Mainz frei wird und dass ich in den Bewerberkreis aufgenommen wurde.

Wie sind Ihre Pläne hier vor Ort?

Ich möchte das Programm zum Teil verjüngen und noch stärker über den deutschen und deutschsprachigen Raum hinausgehen. Ich habe andere Länder und andere Kontinente im Fokus, das ist aber auch immer eine Geldfrage. Eine der kommenden Ausstellungen plane ich mit einem Künstler aus dem Libanon und ich bin auch mit dem Staatstheater im Gespräch, weil sich der Künstler an der Grenze zwischen darstellender und bildender Kunst bewegt. Ansonsten stehe ich grundsätzlich für die Sinnesfreuden in der bildenden Kunst. Das kann visuell sein, den Geruchssinn ansprechen oder die Materialebene. Das Fühlen soll eine besondere Präsenz bekommen. Mir ist es wichtig, dass Kunst so viele Sinne wie möglich erreicht. Ich habe auch einen großen Bezug zu humorvollen Arbeiten.

Die Mainzer stehen nicht so sehr im Ruf, die Kunsthalle besonders gut anzunehmen.

Deswegen möchte ich, dass die Kunsthalle mehr mit anderen Institutionen kooperiert und dadurch auch andere Publikumskreise erreicht und stärker in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird. Mittlerweile ist es doch recht bekannt, dass es hier eine Kunsthalle gibt, in der interessante bis merkwürdige Sachen vor sich gehen. Gegenwartskunst ist niemals massentauglich. Aber ich möchte, dass die Leute die Kunsthalle als Ort erleben, an dem was los ist. Man muss hier nicht alles verstehen, aber was ich mir wünsche, ist ein Interesse und eine Offenheit.

 

Mensch

Sie sind mit Mann und Familie hierher gezogen?

Ja, also mit Mann! Bei meinem Mann hat sich das ganz gut ergeben, sein Vertrag in Bremen ist ausgelaufen. Die Doktorarbeit hat er im Juni abgegeben. Also ist Mainz für uns beide jetzt ein kompletter Neustart. Aber wir haben das bisher nicht bereut. Es fühlt sich gut an.

Und wo wohnen Sie jetzt hier?

In der Dagobertstraße in der Altstadt, gleich beim KUZ. Ganz am Anfang hab ich gedacht, die Neustadt wäre ja schon super. Ich habe immer in Neustädten gewohnt und mag die Atmosphäre gern. Aber dann hat sich das in der Altstadt ergeben. Und das Gute ist, ich wohne am einen Ende der Stadt, fahre aber zur Arbeit am Rhein entlang in die Neustadt. Und das ist mir wirklich wichtig, in der Nähe zum Rhein zu wohnen, und nicht in einem Stadtteil, der weiter entfernt ist. Ich genieße es, dass ich in fünf Minuten da unten bin.

Hatte Ihre Familie schon mit Kunst zu tun?

Nein, gar nichts. Wobei meine Mutter immer kunstaffiner wird, jetzt, wo ich in dem Business bin. Was aber in der Familie drin ist, dass man ein sehr kreatives Händchen hat. In der Grundschule war ich schon bei der Jugendkunstschule, habe getöpfert, geschauspielert und Aquarellmalerei war mein Hobby. Dann kam der Kunst-LK …

Was haben Sie sonst noch für Hobbys, Sie erwähnten Humor?

Ich bin jetzt nicht im Quatsch-Comedy-Club. Aber Humor ist die Überlebensstrategie schlechthin. Joachim Ringelnatz hat einmal gesagt: „Humor ist der Knopf, der verhindert, dass einem der Kragen platzt.“ Auch in der bildenden Kunst: Man sieht etwas und es gibt ein komisches Moment und schon lässt man sich eher darauf ein. Ansonsten bewege ich mich total gerne, unsere Urlaube sind nie Städtetouren, sondern immer Bewegung an der frischen Luft: Wandern, Paddeln finde ich toll, Fahrradfahren, auch viel Yoga. Und dann töpfere ich gerne, wenn ich mal Zeit finde.

Sie sehen von Ihrem Kleidungsstil ein wenig hippiemäßig aus, ist da etwas dran?

Nö, kein bisschen, weder Ethno noch Hippie. Es gab zwar mal die Phase, in der ich Punkrock gehört und die entsprechenden Klamotten getragen habe. Aber sonst ist bei mir mehr Rock angesagt, also musikalisch. Wobei Weltmusik auch schon mal dabei ist und Folklore, aber auch Klassik, ich bin ein riesiger Bach-Fan. Ansonsten Fleetfoxes und Nirvana, so etwas eher.

Interview David Gutsche Foto Katharina Dubno