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sensor 2×5 Interview mit Baulöwe Dirk Gemünden

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Sie bauen aber auch wirklich alles hier in Mainz.

Nein, nicht wirklich. Wir haben etwa 60 bis 70 Prozent Marktanteil und 300 bis 400 Baustellen pro Jahr in der Region. Der Schwerpunkt liegt in Mainz und Wiesbaden. Aber wir machen ja nicht nur in Rohbau, sondern liefern auch schlüsselfertige Gebäude über unsere andere Firma Molitor Projektentwicklung. Insgesamt gibt es hier ja nicht so viele Player. Früher waren es viel mehr Firmen. Beim Rohbau sind es jetzt hauptsächlich noch Züblin, Karrié, Bilfinger und wir. Und bei den Projektentwicklern sind es die Mainzer Stadtwerke, die Aufbaugesellschaft und Fischer & Co. Insgesamt nicht mehr als vier oder fünf jeweils.

Was sind Ihre derzeit wichtigsten Projekte?

Das Trigon in der Binger Straße (siehe aktuelle Titelstory & Foto unten), weil es sehr groß wird. Dann haben wir in Weisenau den Wohnungsbau am blauen Fritz. Der Rodelberg kommt mit 200 Wohnungen, da wo das alte Jobcenter war, und viele weitere Projekte im Umland. Beim Zollhafen hätten wir auch dabei sein können, jedoch waren wir nicht so interessiert. Dieses hochpreisige Segment, fürchte ich, wird überbewertet.

Es gibt den Vorwurf, Ihre Gebäude seien fantasielos und langweilig. Gerade am Trigon gibt es Kritik.

Trigon-530x356Ohne Kritik kommt man nicht durchs Leben. Je mehr Energie gespart wird, desto weniger Fenster gibt es beispielsweise. Deswegen sieht moderne Architektur u.a. relativ gleichförmig aus. Form folgt der Funktion. An so etwas kann man Kritik üben, aber alles geht auch nochmal durch die Stadtplanung und den Gestaltungsbeirat. Und da gibt es viele verschiedene Auffassungen. Wir konzentrieren uns daher auf Standorte, von denen wir der Meinung sind, dass sie gut sind. Und das Trigon mit dem Hotel liegt gut im Tor zu Mainz – nebendran zwei Parkhäuser, eine Bahnverbindung und eine Tiefgarage. Doch das wichtigste: Ein Hotel läuft nur gut, wenn es einen guten Service hat. Deswegen ist das InterCityHotel eines der bestbelegtesten Mainzer Hotels. Es gibt eben nicht nur 5 Sterne-Bedarf. Die klassische Übernachtung mit einem sauberen Zimmer zu einem fairen Preis ist ein durchaus beliebtes Angebot.

Eines Ihrer Projekte ist das Deutsche Bank Gebäude auf der Ludwigsstraße als Teil der geplanten Shopping-Meile. Warum engagieren Sie sich hier?

Erst mal finde ich es spannend, in der Ludwigsstraße etwas zu verändern. Nachdem die Pläne in der geplanten Größe nicht verwirklichbar waren, muss alles getan werden, um Stillstand zu vermeiden. Die Straße ist das Herzstück unserer Stadt und da liegen Chancen und Patriotismus beieinander. Die Alternative wären Billigläden. Inzwischen ist da ein großer Konsens mit der Stadt. Die Pavillons und anderen Gebäude müssen aber marktgerecht gebaut werden, sonst funktionieren sie nicht. Die Stadt wird also einen neuen Plan aufstellen und dann gibt es Vertragsverhandlungen. An die Eckpunkte haben sich alle zu halten. Die entscheidende Frage aber ist der Zeitfaktor.

Während überall gebaut wird, steigen die Mieten. Was sagen Sie dazu?

Der Wohnungsbau wurde in den letzten Jahren sträflich vernachlässigt. Man sollte aber von Mietsteigerung nur differenziert reden. In anderen Städten, wie Pirmasens und Zweibrücken, da fallen die Mieten. In Mainz steigen sie, aber nur teilweise. Denn die Stadt wird attraktiver und hat viel zu bieten. Aber es muss auch entsprechende Arbeitsplätze geben. Mit der aktuellen Stadtspitze ist da manches einfacher geworden. Aber die Entwicklung im Hochpreissektor sehen wir skeptisch. Ich weiß nicht, wie viele Rolex-Besitzer man hier finden will. Man sollte daher mehr im mittleren und geförderten Segment anbieten.

Mensch

Können und wollen Sie noch arbeiten?

Das fragt mich meine Frau auch immer. Ich bin aus der Baufirma ausgestiegen bzw. habe da formal nur noch 6 Prozent Beteiligung für den Notfall, wenn die beiden Geschäftsführer Urlaub machen. Ansonsten mache ich nur noch Projektentwicklung seit acht Jahren mit meiner Tochter und meinem Sohn zusammen. Solange ich mitwirken kann und Chancen sehe, werde ich nicht aufhören. Projektentwicklung ist auch eine Sache der Erfahrung.

Ich habe gehört, Sie verreisen auch gerne?

Ja, Ostern und Weihnachten gehen wir nach Portugal, viel an die Algarve. Ich mag die Portugiesen. Die sind ausgleichend und unheimlich nett. Wir spielen da gerne Golf, gehen spazieren und erholen uns wirklich gut. Im Sommer fahren wir grundsätzlich in ferne Ziele. Voriges Jahr waren wir in Mikronesien, das sind Inselgebiete mit kaum Einwohnern, ehemalige deutsche Kolonien, die Kaiser Wilhelm damals noch geerbt hat. Da gibt’s gar nichts. Wir bereisen die ganze Welt. Wir kennen etwa 100 Länder der Erde. In den 80ern sind wir schon im Wohnmobil durch Russland gefahren mit Schwiegermutter und zwei kleinen Kinder. 1970 waren wir in Nepal, da gab es damals nur amerikanische Hippies. Afrika, Asien, Kambodscha … Und im Herbst dann meistens Kulturreisen. Wir gehen mindestens zwei Mal im Monat in klassische Konzerte und in Theatervorstellungen: Je älter ich werde, desto klassischer werde ich. Und Kunst ist auch ein großes Faible von uns. Wir sammeln, sind in sehr vielen Museen, machen bei Versteigerungen mit und kaufen auch junge Künstler hier in der Gegend.

Sie reden die ganze Zeit von „wir“. Das ist recht ungewöhnlich. Die meisten sagen „ich“…?

Ja, das hat man mir im Laufe meiner Ehe abgewöhnt und das ist auch gut so. (lacht) Meine Frau war ja Lehrerin, also vollkommen getrennte Berufe, vollkommen getrennte Lebenswege, das eint.

Was sollte sich in Mainz ändern und warum?

Es wäre wichtig, an einigen Ecken zu sparen, um die Investitionskraft zu erhalten. Da passiert leider zu vieles über stadtnahe Gesellschaften. Das ist aber auch schwer zu ändern, da die Sozialbelastung einer Kommune heute sehr hoch ist. Ansonsten sollen die Mainzer ihren Humor und ihre Lebensfreude behalten und nur nicht zum Selbstzweck machen.

Haben Sie ein Lebensmotto?

Die Gemündens haben ein Lebensmotto: Du kannst nicht beides haben: Versprechen und halten. Das bedeutet „leben und leben lassen“. Man soll tolerant sein, aber auch wissen, was man will. Sich möglichst klare Ziele stecken, aber nicht mit dem Kopf durch die Wand. Da wir Kinder der Region sind, denken wir nicht im Vierteljahrestakt sondern langfristig. Sprich: Wenn man ein Grundstück kauft, dann ist das in zehn Jahren auch noch was wert! Ansonsten noch für junge Menschen: Bei aller Diskussionsfreudigkeit auch mal eine Entscheidung treffen! Diskutieren könnt ihr episch und breit, aber wenn der Punkt gemacht ist, dann ist der Satz zu Ende!

Interview: David Gutsche Foto: Jana Kay