Du wurdest gerade zum Juniorsportler des Jahres gewählt. Was ist das für ein Gefühl?
Das ist schon sehr spannend. Weil der Preis die bedeutendste Auszeichnung für Jugendsportler in Deutschland ist. Und in diesem Jahr war es erstmals eine Publikumswahl, das heißt, wir wussten überhaupt nicht, wer vorne liegen könnte. Du sitzt da also auf heißen Kohlen und hoffst, dass du gewinnst. Obwohl es alle anderen genauso verdient hätten, die genauso bekloppt sind wie man selbst. Das muss man sein für Leistungssport.
Was gehört zum Zehnkampf dazu?
Zehnkampf findet immer an zwei Tagen statt, weil es so viele Disziplinen sind. Wir haben fast alles aus der Leichtathletik, beginnend mit 100-Meter-Sprint, dann Weitsprung, Kugelstoßen, Hochsprung und die allseits gehassten 400-Meter. Am zweiten Tag kommt morgens der 110-Meter-Hürdenlauf, dann Diskuswerfen, Stabhochspringen, Speerwerfen und am Schluss die 1.500-Meter. Das Besondere ist, dass man von morgens bis abends durchgehend aktiv ist und gucken muss, dass man in den Pausen wieder runterkommt und sich ausruht. Sonst ist man spätestens am zweiten Tag kaputt.
Hast du Lieblingsdisziplinen?
Auf jeden Fall: der Hochsprung am ersten Tag und dann Stabhochsprung und Speerwurf am zweiten Tag. Stabhochsprung ist schon krass, man macht eigentlich einen Handstand auf einem nicht festen Untergrund in 4,50 m Höhe. Aber da wird man langsam herangeführt. Auch die Balance zu finden zwischen Kraft und Schnelligkeit, Geschmeidigkeit und Elastizität – das ist eine Gratwanderung. Wir trainieren dafür täglich, sieben bis acht Mal pro Woche je zwei Stunden. Ich kann mir das gar nicht mehr ohne Training vorstellen. Das ist so fest in meinen Tagesablauf eingegliedert, wie bei anderen Leuten die Kaffepause. Wenn ich das nicht habe, ist das für mich ein unbefriedigender Tag und ich fühle mich abends nicht so gut.
Wie bist du zum Sport gekommen?
Meine Eltern waren Profisportler. Beide sind die 400-Meter Hürden gelaufen. Das ist natürlich eine Disziplin, die man als Mehrkämpfer nicht mag, aber es gehört dazu. Ich persönlich habe mit sechs Jahren angefangen mit der Leichtathletik, aber auch mal eine Zeit lang Fußball gespielt und Handball. Jetzt kommt in einem Jahr der Profisport. Wenn ich mir das mit den Punkten so wie bisher ausrechne, ist man da schon im Bereich „erweiterte Weltspitze“, wäre also unter den ersten acht bei der WM, ein Traum.
Du studierst seit einem Semester Sport und Physik auf Lehramt an der Mainzer Uni. Wie funktioniert die Kombination Leistungssport und Studium?
Sehr gut. Im Studium hat man mehr Freiräume als in der Schule. Und ich muss das Studium auch nicht unbedingt in der Regelstudienzeit durchbringen, weil ich viele Wettkämpfe habe und Profisportler werden will. Auch finanziell passt das, da ich Ausrüsterverträge habe und von der Sporthilfe gefördert werde, mich also auch auf den Sport konzentrieren kann. Trotzdem studiere ich, um später etwas zu haben. Denn so eine Zehnkämpfer- Karriere ist mit 30 Jahren vorbei. Sport und Physik, das ist wohl auch eine Familienkrankheit. Meine Eltern sind beide Lehrer, meine Mutter Sportlehrerin und mein Vater Physik- und Chemielehrer.
Mensch
Welche Eigenschaften hast du als Sportler oder auch als Mensch?
Man muss vor allen Dingen eine Leidensfähigkeit mitbringen, gerade im Zehnkampf, weil es auch weh tut. Am zweiten Tag stehst du auf und weißt genau, was du am anderen Tag gemacht hast. Auf der anderen Seite musst du zielstrebig sein und einen Ehrgeiz haben. Das ist für jemanden, der nicht so im Leistungssport verwurzelt ist, natürlich komplett bescheuert: „Warum läuft der jetzt so schnell, dass er danach eine halbe Stunde auf der Bahn liegt und sich nicht bewegen kann?“ Aber wenn man Mehrkampf macht, dann macht das auch einen Riesenspaß, auch das Miteinander. Man hat eine Gruppe um sich, mit der man gut befreundet ist, die man jeden Tag sieht und mit der man zusammen auch harte Einheiten durchsteht.
Deine Eltern unterstützen dich sehr. Ist das immer nur angenehm?
Für mich ist das ganz wichtig und es funktioniert super. Ich erfahre im Training auch keine Sonderbehandlung, dafür aber die volle Unterstützung für den Sport, was anders wäre, wenn meine Eltern nicht so sportbegeistert wären. Gleichzeitig sagen meine Eltern aber auch: „Mach nebenbei etwas!“ Sie planen das Training so, dass ich noch studieren kann. Es gibt genug Trainer, die sagen: „Konzentrier dich auf den Sport und mach nebenbei nix!“.
Hast du nie das Gefühl gehabt, dass dir etwas fehlt wie bei anderen, deren Leben nicht so komplett durch Sport definiert ist?
Nicht so richtig. Ich kann das machen, was mir Spaß macht und mir damit mein Studium finanzieren. Ich bin jetzt auch nicht so der typische Clubgänger, wenn dann eher mal auf WG-Partys, oder ich treffe mich mit Kumpels auf ein Feierabendbier. Von Oktober bis Januar geht das ganz gut. Danach geht es schon auf die Saison zu. Da habe ich dann einen persönlichen Ehrgeiz und mir sind die Trainingseinheit am nächsten Tag wichtiger. Ich bleibe dann lieber zu Hause oder mache einen Filmabend mit Freunden, oder wir zocken eine Runde. Mein Freundeskreis ist mir sehr wichtig, weil ich da nicht nur „der Sportler“ bin, sondern ganz normal.
Bleibt auch Zeit für eine Beziehung?
Auf jeden Fall ist da Zeit für, momentan bin ich aber in keiner Beziehung. Dadurch dass ich viel unterwegs bin und meistens nur Sportler kennenlerne, wäre auch das Problem der Entfernung. Meine Eltern haben sich ja auch über den Sport kennengelernt. Wobei die Sportlichkeit für mich jetzt nicht unbedingt so wichtig wäre bei einer Partnerin, sondern mehr die Verständnisebene, wenn ich mal ein Wochenende nicht da bin, weil ein Wettkampf ist oder so etwas.
Bist du ein Musik-Liebhaber?
Selbst habe ich nie Musik gemacht. Meine Eltern haben mal versucht, mich für Musik zu begeistern, da habe ich in einer Bläserklasse mehr schlecht als recht Tuba gespielt. Ansonsten höre ich schon viel, von Eminem über Charts bis hin zu ACDC – vor einem wichtigen Wettkampf eher Rock und Heavy Metal. Das pusht mich. Da hat aber jeder seine eigenen Vorlieben. Ein Freund von mir hört vor einem Wettkampf zum Beispiel Schlager.
Interview: David Gutsche
Foto: Jana Kay