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Wo gibt es den besten Mainzer Handkäs? – sensor hat getestet

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von Martin Frey und Jonas Otte (Fotos):

Die Zeit seit unserem letzten Handkästest vor fünf Jahren verging wie im Flug. Wir sagen: Die Mainzer Handkäs-Welt braucht ein Update. Mit on Tour sind Handkäs-Ede aus Rüsselsheim, der mit seinen Testern Nicole Alsheimer und Endie Neumann zuletzt das Deutsche Handkäs-Institut (DHI) ins Leben gerufen hat. Und los geht’s:

Variationen im Proviant-Magazin

Wir besuchen fünf Lokalitäten, meistens Weinhäuser, die auf ihrer Speisekarte das Mainzer Nationalgericht führen. Ein fester Händedruck und ein gezwirbelter Schnurrbart wecken unser Interesse. Beides besitzt Thomas Meinlschmidt, der Küchendirektor des Proviantamtes in der Schillerstraße. Dort haben wir uns zur ersten Verkostung angesagt. In der stadtbekannten Gastronomie, die für ihre herzhaften Speisen bekannt ist, ist auch Handkäs ein sicherer Hafen.

Meinlschmidt präsentiert uns einen Handkäse, der gut durchgereift ist und entspannt in einer wohlschmeckenden süß-sauren Musik ruht. Fein gehackte Petersilie verfeinert das Ganze. Das Produkt stammt aus der Käserei Birkenstock im nordhessischen Hüttenberg. Unsere Mienen und Mägen hellen sich auf, der Start ist geglückt. Doch Meinlschmidt, gebürtiger Franke, möchte uns noch tieferen Einblick in seine Kochkünste gewähren und kredenzt im Anschluss pochierten Apfel mit Handkäswürfeln.

„Den haben wir zur Eröffnung unserer Rheinhessen-Vinothek im vergangenen Jahr kreiert und er ist jetzt Teil unserer Winzervesper.“ „Herrlich“, quittiert Handkäs-Ede anerkennend, als die zerlaufenden Handkäs-Würfelchen seinen Gaumen benetzen. Am Gaumen klebender Handkäs? Berufsrisiko! Doch Meinlschmidt wäre nicht Meinlschmidt, wenn er nicht noch etwas in der Hinterhand hätte und lässt noch ein drittes Mal anrichten: Nun kommen Schweinelendchen mit zarter Handkäs- Kruste aus der Küche – ein Gedicht, das zeigt, wie vielfältig man Handkäse interpretieren kann.

„Und dazu gibt es noch eine dunkle Biersauce“, ergänzt der Gastronom. Sehr wohlschmeckend, das Ganze, auch wenn man von dem Hauch Handkäs hier kaum noch etwas spürt. Hätten wir nicht unseren Zeitmesser dabei, wären wir wohl kaum weitergekommen. Aber die weite Handkäs-Welt ruft und das nächste Reiseziel ist in Sichtweite: Ladendorfs Weinhaus am Fuße der Gaustraße.

Alte Hasen in neuem Ambiente

Die aus dem Weinhaus Bluhm umgezogenen Roland Ladendorf mit seiner Frau Silvia samt Nachwuchs sind nun in der Gaustraße bestens angekommen. Aus dem traditionellen Weinhaus ist ein helles Restaurant geworden. „Was wollt ihr denn trinken?“, begrüßt uns Roland in seiner hemdsärmeligen Art und hat die passende Flasche auch gleich parat: „Ich empfehl den 2015er Weißburgunder vom Weingut Fußer aus der Pfalz.“ Ok, passt! Ebenso schnell haben wir auch unseren Handkäs mit Musik auf dem Teller – er stammt von der Käserei Horst in Groß-Gerau.

„Wir fahren selbst dahin, das ist eine alteingesessene Käserei, wo man Handkäs noch hochwertig verarbeitet“, beweist sich Roland als echter Handkäs-Enthusiast. Dass uns die Form etwas platt vorkommt, erklären wir damit, dass das wohl Handarbeit ist! In die Musik haben die Ladendorfs Schalotten statt Zwiebeln eingelegt – eine schöne Idee, da sie die Frische der Musik noch besser unterstreicht als grob gehackte Zwiebeln. Auch das Brot finden wir super, zumal es in kleinen weißen Papiertüten serviert wird.

Silvia klärt auf: „Es ist auch dafür, dass man überschüssiges mit nach Hause nehmen kann.“ Gute Idee! Ein Schmankerl haben auch die Ladendorfs vorbereitet: mediterraner Handkäse, der mit rotem Pesto, roten Zwiebeln und gerösteten Pinienkernen serviert wird. Roland erklärt: „Wenn er schmeckt, kommt er nächste Woche bei uns auf die Karte.“ Wir probieren und müssen sagen: Ein Träumchen. Ist einen Test wert. Und die Uhr tickt weiter…

handkees4Altstadtbekanntschaften

In der Grebenstraße, der Seitenstraße der Augustinerstraße, breiten sich gleich zwei Handkäs-Hotspots nebeneinander aus: In der Weinstube Hottum rücken wir auf urigen Bänken zusammen und treffen auf eine Altstädterin, die sich gerade unser Leibgericht bestellt. „Die letzte Daach war ich viel auswärts esse – ich glaub ich werd´ langsam dick – deshalb bestell ich mir jetzt aach mal so´n bleede Handkäs“, knoddert sie uns entgegen. Wie in Weinstuben üblich, entwickelt sich die Unterhaltung prächtig, Details lassen wir lieber weg ….

Der Handkäs dauert etwas, ist dann aber sensationell durchgereift. Die Musik ist in Ordnung, nur fanden wir etwas zu wenig Säure, sprich zu viel Öl drin und die Präsentation im weißen „Nachtisch-Schälchen“ entspricht rein optisch nicht ganz unseren Ansprüchen. Doch das gute Preis-Leistungsverhältnis sowie das rustikale Ambiente gefallen uns und machen das wieder wett. Weiter geht’s.

Ausflug ins Apfelland

Guten Mutes schwanken wir nebenan ins Weinhaus „Hof Ehrenfels“. Das Wetter ist wunderbar und so entscheiden wir uns für den lauschigen Innenhof im Schatten des Doms. Hier bekommen wir wieder einmal einen Handkäse von der Käserei Birkenstock. Er ist mit ansprechend buntem Salatbukett auf einem rustikalen Holzbrett angerichtet (siehe Foto oben). Der Handkäs ist schmackhaft, nur heute wohl ausnahmsweise mal nicht ganz so durch wie man es sonst von hier kennt.

Dafür aber bringt uns die Musik mit der Apfelwein-Komponente auf die Idee, das hessische Nationalgetränk zu bestellen. Es kommt im Gerippten, dem typischen Apfelweinglas, daher. Nicole, die wie Handkäs-Ede aus Rüsselsheim stammt, ist begeistert: „Endlich mal wieder ein ordentlicher Äppler.“ In entspannter Laune beginnt der Kümmel zu wirken: „Ist der auch scharf?“. Doch schon bimmelt der Wecker und wir müssen weiter!

Deutsch-französische Freundschaft

Im Zickzack-Marsch geht es unserem letzten Ziel entgegen: Bonjour, Bonsoir! Die alte Holztür führt uns in die heiligen Hallen des Weinhauses Bluhm, seit wenigen Wochen das Domizil von Pierre Stadelmann mit seiner Tochter Murielle. Wir sind in Frankreich gelandet! Pierre, der Gastronom, der unsere Stadt an die Gourmettradition unseres Nachbarlandes andockt, bietet neben anspruchsvoller Küche auch kleine Gerichte als Weinbegleiter. Diese, sagen wir mal, Zweigleisigkeit, verleiht ihm Flügel: „Zur Begrüßung habe ich ein Schaumcreme-Süppchen aus Handkäs zubereitet“, zwinkert uns der Könner entgegen.

handkees5Und das ist ein Traum! Unsere Mägen, inzwischen leicht strapaziert nach zig Handkäs-Gängen, entspannen sich unter der sämig-warmen Köstlichkeit. Handkäs-Ede murmelt zwar noch so etwas wie: „Ist irgendwie ein wenig viel Input heute.“ Aber da muss er jetzt durch. Im zweiten Gang bestaunen wir ein Handkäs-Carpaccio mit roter Beete auf einer butterzarten Kalbszunge. Wir legen alle vegetarischen Ambitionen zur Seite und genießen.

Nach gefühlten zwei Stunden kommen endlich die wahren Testobjekte auf den Tisch: Handkäs von der Käserei Birkenstock in einer schönen weinhaltigen Musik, die eine leichte Säure mit im Gepäck hat. Dazu gutes Brot und, geradezu aufmüpfig: die Butter ist auf einer der Scheiben bereits dick draufgeschmiert. Auch nicht schlecht, endlich mal nicht an den oft verbreiteten Butterpäckchen rumfingern.

Fazit

Noch benommen vom symbolischen Handkäs-Zungen-Kuss in Pierres französischer Botschaft und all den anderen Köstlichkeiten, versuchen wir unsere Sinne zusammenzureißen und ein ordnungsgemäßes Protokoll abzuliefern. Lassen wir der Dame den Vortritt: Für Nicole ist klar: „Es war kein einziger schlechter Handkäs dabei!“ Auch Endie zeigt sich rundum zufrieden: „Wir haben hohe Handkäs-Kultur erlebt, es gab keine Ausfälle.“ Ede nickt nur noch zustimmend: „Es gab aber relativ starke Preisschwankungen zwischen den Angeboten.“ Das wäre als Einziges zu beachten. Ansonsten kann man sich nun die Frage stellen, wann es frische Handkäs-Variationen auch in einschlägigen Hipster-Lokalen und Foodtrucks gibt. Das wär doch mal was…