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Wirtschafts-Ministerin Eveline Lemke über Energiepolitik, Frauen im Beruf und Mainz


Interview: David Gutsche
Foto: Jana Kay

Welche Wirtschaft ist für Mainz zukunftsweisend und wie stellen Sie sich die Situation in zehn Jahren vor? Im Moment gibt es ja im Bereich der „Regenerativen“ eine kleine Krise…

Ich sehe keine Krise im Bereich der regenerativen Energien. Da haben wir die größten Zuwächse. Ich habe eher große Sorge, dass dieser Bereich von Berlin ausgebremst wird und das müssen wir verhindern. Ansonsten wünsche ich mir für die nächsten zehn bis 20 Jahre, dass der Lebensraum in Mainz weiterhin kulturell interessant bleibt, nur ohne Fluglärm.

Nochmal zu den Energie-Unternehmen: Wo liegt derzeit das ursächliche Problem?

Im Bereich der Photovoltaik hat die Bundesregierung Vergütungssätze reduziert und das bremst die Branche aus. Dazu kamen günstigere Importe aus China und Co. Die haben unseren Markt überschwemmt. Deswegen plant Europa jetzt Einfuhrzölle gegen chinesische Solarkollektoren. Für die Windenergie nehme ich keine Gefahr wahr. Im Gegenteil, da werden zum Beispiel Arbeitsplätze, die im Bereich der Photovoltaik zusammenbrechen, teils wieder aufgefangen.

Was tun Sie für eine Verbesserung der heimischen Wirtschaft?
Wir betreiben eine Pflege der drei wesentlichen Säulen: Industrie, Handwerk und Mittelstand, denn über 99 Prozent der hiesigen Firmen sind Mittelständler. Wir kümmern uns um die Solidität der Struktur und machen gemeinsam mit den Kammern, den Wirtschaftsverbänden und den Unternehmern einen „Masterplan Industrieentwicklung“, in dem wir Stärken und Schwächen analysieren, um daraus Ableitungen zu treffen, was wir verändern müssen, um die zukünftigen Herausforderungen anzunehmen.

Gibt es auch ein Programm, das junge Unternehmer unterstützt, zum Beispiel in puncto Kreativwirtschaft?

Es gibt ein Gründerpaket, in dem sind Beratung und Förderung enthalten. Außerdem gibt es eine Gründermesse, ein Gründerförderprogramm und extra Kredite. Wir haben hier auch einen Mittelstandslotsen und es gibt ein Projekt zum Junior/Senior-Coaching, bei dem ältere Unternehmer junge unterstützen. Wer Hilfe sucht, kann sich direkt an uns wenden.

Wie gehen Sie speziell in Mainz und Rheinland-Pfalz mit dem Thema Innovation um? Manchmal scheint es ja hier alles eher etwas länger zu dauern…

Mit diesem Vorurteil räume ich jetzt erstmal auf: Die Rheinland-Pfälzer sind pfiffig und der Mittelstand ist ganz schön schnell und selbstbewusst. Wir haben hier sehr interessante Firmen, die international unterwegs sind und eine Exportquote von über 50 Prozent, weil das rheinland-pfälzische Wissen international gefragt ist. Wir haben kluge Unternehmer und erleben, dass Unternehmen, die sich nicht anpassen, vom Markt gedrängt werden. Unsere Unternehmen sind viel weiter, als mancher denkt. Erzählen Sie nichts anderes.

Warum sind Sie den Grünen beigetreten?

Ich komme aus einer politischen und sportlichen hanseatischen Kaufmannsfamilie, die mir eine Prägung mitgegeben hat, mich in die Gestaltung der Zukunft einzubringen. Als Kind und Jugendliche fand ich den öffentlichen Druck auf uns als politische Familie aber nicht gut. Ich bin deshalb aus Hamburg weggezogen. Als Kauffrau habe ich „grüne“ Wirtschaft gemacht. Ich war erst in der Recyclingbranche aktiv, habe dann Umwelt- und Systemmanagement studiert und anschließend Unternehmen beraten, die sich im Bereich Erneuerbare Energien auf die Reise begeben haben. Mein Anlass, mich in die Politik einzumischen, war persönlicher Natur, weil ich mit unserem damaligen Bürgermeister in Neu-Anspach (Hessen) nicht einverstanden war.

Wie kommen Sie als Frau in einer von Männern dominierten Welt zurecht?

Ich komme aus einer Großfamilie, da kriegt man Ellbogen. Außerdem habe ich jahrelang auf dem Schrottplatz gearbeitet und in dieser Branche weht ein harter Wind. Aber wichtig sind gute Argumente. Dann ist es auch nicht schwierig, Männer zu überzeugen. Ansonsten müssen sich Frauen schon mehr anstrengen als Männer, um etwas zu erreichen. Ich kenne nur wenige Männer, die alleinerziehend eine Familie managen und nebenher Vollzeit arbeiten. Das ist eine Frage von Disziplin, Fleiß, Rückgrat und sehr viel Zähigkeit.

Wie schaffen Sie das praktisch mit vier Kindern?

Wir leben in einer Patchwork-Familie, ich habe zwei leibliche Kinder und zwei Kinder meines Mannes. Zwei davon sind aber schon aus dem Haus. Bei uns leben noch die jüngste Tochter meines Mannes und mein Sohn. Mein Mann hat im Moment die Hauptverantwortung, was unser Familienleben betrifft. Er erlebt die Doppelbelastung von Familie und Beruf, denn er arbeitet auch Vollzeit. Wir haben auch Unterstützung im Haushalt und das braucht man, ohne Hilfe geht da gar nichts.

Wie entspannen Sie dann am besten? Ich habe gehört, Sie sind eine Sportskanone.

Ja, Sport hilft mir am meisten: Laufen, Fahrrad fahren und Wandern. Am liebsten an der Ahr und zum Abschluss im Wingert mit meinem Mann einen Wein trinken.

Was bedeutet Glück für Sie?

Glück ist ein kurzweiliger Zustand vollendeter Zufriedenheit, der sich nur gelegentlich einstellt. Für dieses Gefühl bin ich dankbar. Ich bin grundzufrieden, weil ich immer das machen durfte, was mich auch erfüllt. Ich habe eine erfüllte Arbeit und eine Familie einer modernen Form, mit allen Auf und Abs. Glück bedeutet auch, im Hier und Jetzt sein. Zudem haben wir vergleichsweise kleine Sorgen. Unsere Zukunft ist von allen Ländern dieser Welt am abgesichertsten. Ich darf mich darüber freuen, wie gut es uns geht im Vergleich mit Anderen.