Der Aufsichtsrat des RMV hat in einer Sondersitzung am 27./28. Januar dieses Jahres eine außerordentliche Tariferhöhung zum 1. Juli um durchschnittlich 3,9 Prozent beschlossen. Das ist die höchste Tarifsteigerung im ÖPNV seit mehr als zehn Jahren. Wiesbadens Verkehrsdezernent Kowol hat in der Sitzung gegen die Erhöhung votiert, seine Kollegin Steinkrüger ist aufgrund des Mainzer Sonderstatus‘ nicht stimmberechtigt. „Wir haben schlüssige Argumente vorgebracht, aber die Mehrheit der anderen Aufsichtsratsmitglieder hat leider für die Erhöhung votiert“, so Kowol. Als Teil des RMV sind somit auch Wiesbaden und Mainz rechtlich verpflichtet, die Erhöhung umzusetzen.
Kurzfristig entstehen durch die zusätzliche Preiserhöhungsrunde bei den Verkehrsunternehmen sogar Mehrkosten, weil alle Systeme im Fahrkartenverkauf umgestellt werden müssen und mehr Kommunikation für die Fahrgäste notwendig ist.
„Ich kann nachvollziehen, dass insbesondere die Energiekosten gestiegen sind. Aber das ist jetzt die vierte Preiserhöhung innerhalb von zwei Jahren“, kritisiert Kowol. „Die ÖPNV-Preiserhöhung trifft besonders diejenigen Menschen hart, die sowieso schon jeden Euro umdrehen müssen. Diese Bevölkerungsgruppen, insbesondere Familien, Alleinerziehende und Rentner, sind schon von den aktuellen Preissteigerungen bei Lebensmitteln, Mieten, Heizkosten und Strom überproportional belastet. Dies kann nicht im Interesse einer sozial ausgewogenen Politik sein.“
Es müsse aufhören, dass gestiegene Kosten allein den Städten und den Fahrgästen aufgebürdet würden. „Der Bund und die Länder stehen hier genauso in Verantwortung, und wir wünschen uns, dass sie dieser Verantwortung in Zukunft mehr gerecht werden“, so Steinkrüger und Kowol.
Da die Preiserhöhungen sehr ungleichmäßig erfolgen, wird auch die neue Preistabelle kritisiert. Der Preis der Einzelkarte für Erwachsene wird gemäß des RMV-Beschlusses in zwei Schritten von 2,90 Euro im Dezember auf 3,20 Euro im Juli gestiegen sein – das sind mehr als zehn Prozent Aufschlag. Das sei in der aktuellen Situation nicht zumutbar und vermittelbar, so Steinkrüger. „Als Kommunen unternehmen wir große Anstrengungen für die Mobilitätswende und den Klimaschutz. Teurere Bus- und Bahnpreise sind für dieses Ziel nicht hilfreich.“
Der Preis für die 5er-Sammelkarte – das einzige Ticket-Produkt, über das Mainz und Wiesbaden frei entscheiden dürfen – wird dagegen nicht erhöht. „Die Sammelkarte für Wiesbaden und Mainz bleibt stabil“, so die Zusage von Steinkrüger und Kowol. Die Sammelkarte beinhaltet fünf Fahrscheine für Einzelfahrten im Tarifgebiet Mainz-Wiesbaden, umgerechnet sind Erwachsene damit für 2,30 Euro pro Fahrt unterwegs, Kinder für 1,35 Euro pro Fahrt. Um den Menschen die 5er-Sammelkarte besser zugänglich zu machen, wollen Steinkrüger und Kowol sich dafür einsetzen, dass sie in Zukunft auch digital erworben werden kann.
FDP: Erneute RMV- Preiserhöhung ist fatales Signal
Politisch motivierter Zeitpunkt und Höhe der Steigerung schaden dem ÖPNV massiv
„Weniger Fahrgäste während der Pandemie, dadurch bedingte Mindereinnahmen, eine noch immer coronabedingte generell angespannte Situation im öffentlichen Personennahverkehr und dann eine außerordentliche Preiserhöhung um durchschnittlich 3,9 Prozent zum 1. Juli dieses Jahres. Der Rhein-Main-Verkehrsverbund (RMV) zeigt sehr eindrücklich auf, wie man es auf keinen Fall tun sollte“, kritisiert der Vorsitzende der FDP-Fraktion im Mainzer Stadtrat, David Dietz, die Entscheidung des RMV- Aufsichtsrates. „Vier Preiserhöhungen innerhalb von zwei Jahren in einer gesamtwirtschaftlich hoch angespannten Phase sind nicht nachvollziehbar.“
Zwar seien steigende Energiepreise auch Treiber bei den ÖPNV-Kosten, aber „allein die Umstellung der Fahrkartenpreise in allen Systemen und Publikationen verursacht zusätzliche Kosten bei den Verkehrsunternehmen und verringert die Attraktivität von Bussen und Straßenbahnen für Nutzerinnen und Nutzer“, befürchtet Dietz. Die aktuell zum Teil deutlichen Preissteigerungen der Alltagsgüter beträfen vor allem natürlich auch Menschen, die ohnehin finanziell nicht auf Rosen gebettet seien. „Für diese Menschen, die oftmals auf den ÖPNV angewiesen sind, ist die Entscheidung des Aufsichtsrates ein Schlag. Andere wiederum werden rechnen, ob das eigene PKW nicht doch die günstigere Alternative sei.“ Wer eine nachhaltigere Verkehrspolitik gerade in den Ballungsgebieten wolle, könne sich bei der aktuellen Entwicklung nur an den Kopf greifen. „Offensichtlich meinen es die hessischen Vertreterinnen und Vertreter im RMV- Aufsichtsrat, mit Ausnahme Wiesbadens, nicht sehr ernst mit einem attraktiven Bus- und Bahnsystem in unserer Region. Zumindest handeln sie dem zuwider“, sieht Dietz
Lob für Mainzer und Wiesbadener Verkehrsdezernenten
Die Mainzer Verkehrsdezernentin Janina Steinkrüger und ihr Wiesbadener Amtskollege Andreas Kowol (beide Grüne) hatten sich im Rahmen der Sitzungen gegen die Preiserhöhungen gestemmt und kritisieren diese massiv. „Frau Steinkrüger und Herr Kowol haben den richtigen Ton mit ihrer Kritik getroffen. Es ist mehr als bedauerlich, dass die zutreffenden Argumente wirkungslos im Aufsichtsrat verhallt sind. Eine Berücksichtigung der realistischen Einschätzungen aus Mainz und Wiesbaden hätte dem RMV gut getan“, so Dietz.
Umso erfreulicher sei es, dass zumindest der Preis für die sogenannte 5´er-Sammelkarte, also fünf Fahrscheine für Einzelfahrten im Tarifgebiet Mainz-Wiesbaden, nicht erhöht wird. „Mainz und Wiesbaden zeigen hier, wie man verantwortlich agiert“, meint Dietz.
CDU spricht sich gegen die ÖPNV-Fahrpreiserhöhungen aus
Stadt soll mit dem Land einen Plan vorlegen, wie Ticketpreise gesenkt werden können
Der Kreisvorsitzende und verkehrspolitische Sprecher der CDU fordert Verkehrsdezernentin Janina Steinkrüger (GRÜNE) auf, einen Plan zur Finanzierung eines 365-Euro-Tickets mit Unterstützung von Stadt und Land vorzulegen, nachdem sie die Erhöhungen der ÖPNV-Ticketpreise kritisiert hatte. „Wir freuen uns, dass nun auch die Verkehrsdezernentin eine Vergünstigung der ÖPNV-Ticketpreise anstrebt“, erklärt Thomas Gerster. Es sei klar, dass die Verkehrsgesellschaften die Kosten nicht alleine tragen können. Es mangele jedoch am politischen Willen, das Thema endlich anzupacken. Schließlich habe Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD) bereits im Wahlkampf das 365-Euro-Ticket versprochen. Außer gut gemeinten Willensbekundungen, sei seitdem jedoch nichts passiert.
Auch der Fraktionsvorsitzende der CDU Hannsgeorg Schönig sieht dringenden Handlungsbedarf bei Stadt und Land. „Der ÖPNV muss günstiger und attraktiver werden“, sagt Schönig. Das 365-Euro-Ticket sei dafür eine gute Maßnahme, weshalb die CDU im September 2019 in einem Antrag die Einführung gefordert hatte. Darüber hinaus müsse die Taktung des ÖPNV verbessert werden und das Umland müsse besser angeschlossen werden. „Der ÖPNV muss für die Menschen eine echte Alternative zum Auto darstellen; nur so werden wir sie dazu bewegen, auf Bus und Bahn umzusteigen“, so Schönig. Mit Preiserhöhungen und überfüllten Bussen – die teilweise auch noch zu selten fahren – locke die Stadt niemanden hinter dem Ofen hervor. Die CDU habe sich hingegen schon in der Vergangenheit gegen Fahrpreiserhöhungen eingesetzt und werde das auch in Zukunft machen.
SPD-Fraktion zur Fahrpreisdebatte: 365-Euro-Ticket für Schüler:innen und Azubis zügig einführen
Die Fahrpreiserhöhungen durch den Rhein-Main-Verkehrsverbund (RMV) stoßen auch bei der SPD-Stadtratsfraktion auf deutliche Kritik. „Es ist das absolut falsche Signal und bremst die Mobilitätswende zusätzlich aus“, macht Erik Donner, verkehrspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion im Mainzer Stadtrat, deutlich. Die SPD-Fraktion richtet aber den Blick nach vorn.
„Als erster großer Schritt sollte die Einführung des 365-Euro-Tickets für Schüler:innen und Auszubildende zügig in Angriff genommen werden“, erklärt Donner mit Blick auf den kommenden Doppelhaushalt. Ebenso müsse nun die Jobticket-Offensive angegangen werden. „Bedauerlicherweise gibt es immer noch viel zu viele Betriebe, die ihren Mitarbeiter:innen kein Jobticket ermöglichen“, führt er weiter aus, „und oft sind vorhandene Jobtickets auch noch preislich unattraktiv.“ Die Stadt Mainz sei hier ein gutes Vorbild, an dem sich andere Arbeitgeber:innen orientieren sollten.
Ein zweiter großer Schritt, so der verkehrspolitische Sprecher, sei der Ausbau des Nahverkehrsangebotes in Mainz. Hier würde dem Ausbau des Straßenbahn-Netzes eine besondere Rolle zukommen. Der Stadtrat habe dazu mit den Stimmen der Ampel-Koalition entsprechende Beschlüsse auf den Weg gebracht. Erik Donner zeigt hier auf die CDU: „Bei der CDU müssen wir leider feststellen, dass sie immer wieder in die Rolle der Anti-Straßenbahn-Partei verfällt. Das war bei der Mainzelbahn so, das war bei der geplanten Citybahn so. Auch beim Bau des Innenstadtrings durch Neustadt und Altstadt hört man von Seiten der CDU nur das Genörgel des Herrn Gerster“.
Die SPD hält auch nach wie vor am 365-Euro-Ticket für alle fest. „Das 365-Euro-Ticket für alle muss mittelfristig kommen! Grundlage dafür ist aber zunächst der Ausbau des Nahverkehrsangebots“, zeigt sich Donner überzeugt. Und trotz der neuen finanziellen Situation der Stadt dürften sich Land und Bund hier keinen schlanken Fuß machen.
Genau wie berichtet, uninteressant und teuerer ÖVM … z.B:
Mit dem Wagen zu zweit in der Stadt zum Einkaufen , 4 Stunden , 8 EUR Parkhaus . Mit dem Bus , trotz günstigere Sammelkarten , 9,20 Eur !! Kein Wunder wenn Leute dann direkt in den Einkaufzentren fahren und die Stadt ganz meiden.