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Von wegen Urlaub: Väter in Elternzeit

Text: Ruth Preywisch
Fotos: Isabel Jasnau

„Papa, ich will auch eine Kreide. Wuäh. Papaaa, ich will Kreide!“ – Jan A. rückt den fast einjährigen Tom auf der Schulter in eine neue Position, bis er nicht mehr meckert. Dann erklärt er der dreijährigen Emma, dass sie sich die Kreide mit ihrer Freundin teilen muss. Der 32-jährige Bank-Controller ist seit fünf Monaten in Elternzeit und kümmert sich um Kinder und Haushalt. „Man pendelt zwischen Höllentrip und absoluter Entspannung“, beschreibt Jan seinen Alltag mit den zwei Kindern.

„Manchmal ist ein Tag ruhig, die Kinder bespaßen sich gegenseitig und sind zufrieden. Dann wieder bin ich in der Stadt und beide sind motzig und schreien. Das ist ein unmenschlicher Stress.“ Die Entscheidung, für sechs Monate in Elternzeit zu gehen, bereut er trotzdem nicht. „Das Verhältnis zu meinen Kindern ist viel enger geworden“, sagt er und erklärt, dass die Elternzeit auch der Beziehung zu seiner Frau gut tut. „Früher hatte ich nur ein theoretisches Verständnis für ihre Situation, jetzt erlebe ich selbst, wie Alltagsdinge mit Kindern zum großen Problem werden können.“

Arbeitgeber reagieren positiv

Auch Robert Preywisch ist froh über seine Entscheidung, zwei Monate mit seinem Sohn zu Hause geblieben zu sein. „Ich konnte mein Kind richtig kennen lernen und habe Vertrauen zu mir als Vater gewonnen“, sagt der 31-jährige Vertriebsingenieur. Anders als Jan war er nur zwei Monate in Elternzeit. „Ich wäre gerne länger zu Hause geblieben, aber meine Frau hat ihren Job aufgegeben, um zu mir zu ziehen und ein Jahr berufliche Pause gemacht.“ Zudem ist er alleine für einen ganzen Arbeitsbereich zuständig. „Da gab es keinen Ersatz“, erklärt er. Deshalb hat er im zweiten Elternzeit-Monat auch in Teilzeit von zu Hause aus Projekte betreut. „Grundsätzlich ist mein Arbeitgeber sehr aufgeschlossen“, sagt er. Positive Erfahrungen mit seinem Arbeitgeber hat auch Jan A. gemacht. „Als meine Tochter geboren wurde, war ich gerade neu in der Firma und Berufseinsteiger. Da hatte ich Angst, meinen Job zu verlieren und habe deshalb keine Elternzeit gemacht“, erzählt er. Beim zweiten Kind hat er aber gemerkt, dass seine Angst unbegründet war. „Die Firma hat mich super beraten, mir viele Optionen aufgezeigt und meine Interessen in den Vordergrund gestellt“, sagt er. Eine Woche vor Antritt der Elternzeit wurde er sogar überraschend befördert.

Exot und Weichei?

Dass ein Unternehmen die Elternzeit von Vätern nicht nur akzeptiert, sondern offenbar wirklich wertschätzt, hält auch Hans-Georg Nelles für richtig. Als Coach berät er Unternehmen und Väter in Führungspositionen zu allen Fragen rund um Eltern- und Familienzeit und betreibt die Website www.vaeter-und-karriere.de. „Betriebe dürfen Elternzeiten nicht als Problem sehen, sondern als Zeit, in denen die Beschäftigten neue Erfahrungen sammeln und Kompetenzen entwickeln. So können sie als attraktive Arbeitgeber gut qualifizierte Fachkräfte binden und neue dazu gewinnen“, sagt er. Auch Jan A. ist sich sicher, dass die Elternzeit Vorteile für den Job bringt. „Ich bin belastbarer geworden, viele Probleme erscheinen mir jetzt belangloser und ich habe jede Menge Führungsqualitäten erworben“, erzählt er. Seit der Einführung des Elterngeldes kann Berater Nelles einen Wandel in den Unternehmen beobachten: „Wenn Unternehmen keine Erfahrungen mit Vätern in Elternzeit haben, gibt es Unsicherheiten und auch Vorurteile. Das ist völlig normal. Unternehmen sind aber auch ein Bestandteil der Gesellschaft und in dem Maße, wie sich das Bild von Vätern in Elternzeit insgesamt gewandelt hat, hat es sich auch in den Betrieben verändert. Der Exot und das ‚Weichei’ sind heute eher die Ausnahme“.

Trend zur Kurzelternzeit

Und die Zahlen können das bestätigen: Jeder fünfte Vater, dessen Kind im Jahr 2008 geboren wurde, hat mindestens zwei Monate Elternzeit beantragt. Mit der Einführung des Elterngeldes und den damit verbundenen Partnermonaten hat die Politik offenbar ein wichtiges Signal gesetzt. „Vor der Einführung des Elterngeldes hatten wir fast keinen Vater, der in Elternzeit gegangen ist. Jetzt sind es rund 20 Prozent“, sagt Gernot Orben, der bei der Schott AG für das Personal am Standort Mainz zuständig ist. Seit 2007 können Eltern während der ersten 14 Lebensmonate rund 65 Prozent ihres Einkommens als Lohnersatzleistung beziehen, wenn sie sich für einen Ausstieg aus dem Beruf zugunsten der Kinderbetreuung entscheiden. Die volle Bezugsdauer gibt es aber nur, wenn nicht nur die Mutter, sondern auch der Vater mindestens zwei Monate zu Hause bleibt. Ob abwechselnd oder gleichzeitig spielt dabei keine Rolle. Das Gesetz hat zwar die Zahl der Väter, die Elternzeit beantragen, deutlich steigen lassen, sie bleiben allerdings nach wie vor meist kürzer zu Hause als die Frauen. „Die meisten Väter bei uns nehmen nur 2 bis 3 Monate Elternzeit“, sagt Orben und damit liegt Schott im bundesweiten Trend.

„Elternzeit muss man wollen“

Die statistischen Zahlen zum Bezug des Elterngeldes zeigen noch einen weiteren Trend: Viele Väter bleiben zeitgleich mit den Müttern zu Hause. Auch bei Robert Preywisch hat sich seine Elternzeit mit der seiner Frau überschnitten. Da sie ein Jahr zu Hause blieb und danach ein Krippenplatz organisiert war, hat sich das nicht anders ergeben. „Ich war trotzdem viel mit dem Kleinen alleine. Meine Frau war froh, dass sie mal wieder Zeit für sich nutzen konnte“, betont er. Jan A. war ebenfalls vier Wochen gemeinsam mit seiner Frau zu Hause, bevor sie wieder anfing zu arbeiten. „Meine Frau hat mich quasi gründlich in den neuen Job eingearbeitet“, erinnert er sich. Die Partnermonate sollten sogar aufgrund der hohen Akzeptanz bei den Männern vor der letzten Wahl ausgeweitet werden. Aus finanziellen Gründen wurde der Plan jedoch auf Eis gelegt. Berater Nelles zeigt sich darüber enttäuscht: „An eine kostenneutrale Lösung etwa nach isländischem Muster traut sich keiner ran: 2 Monate Mutterschutz und 4 Monate Elternzeit für die Mutter, für den Vater 4 Monate Elternzeit und 4 Monate zur freien Verfügung.“ Robert Preywisch sieht das anders: „Jede Familie sollte selbst entscheiden, wie es am besten passt“. Und auch laut Jan A. ist Elternzeit nicht für jeden etwas: „Das muss man schon wollen.“

Frauen trauen es Männern nicht zu

Doch die Gesellschaft entwickelt sich ohnehin stärker in Richtung Gleichberechtigung von Familie und Beruf. „Untersuchungen zeigen, dass für die nächste Generation beides selbstverständlich ist: Männer und Frauen wollen Erfolg im Beruf und ein erfülltes Familienleben. Die alte Frage, du musst dich entscheiden, Beruf oder Familie, Kinder oder Karriere ist eine Sackgasse, für alle“, meint Berater Nelles. Jan A. kann das bestätigen. „Am Anfang war meine Frau zu Hause, weil ich ja nicht stillen kann. Aber nach einem halben Jahr wollte sie wieder in den Beruf zurück und ich finde das auch nur fair.“ Robert Preywisch sieht das genauso, auch wenn wegen des Jobwechsels seiner Frau eine wirkliche Gleichverteilung erst nach der Elternzeit eingetreten ist. Die Elternzeit habe ihm dabei aber geholfen, da er sich selbst und seiner Frau beweisen konnte, dass er den Alltag mit Kind meistern kann. „Viele Frauen trauen ihren Männern das nicht zu, und die Männer es oft genug sich selbst auch nicht“, berichtet er. So könne das auch nichts werden mit der gleichberechtigten Aufteilung. Beide Väter waren sich vor der Elternzeit darüber im Klaren, dass die Elternzeit kein Urlaub sein würde. „Nach einem Tag mit Kind bin ich ganz chön platt“, erzählt Robert Preywisch. „Ich habe mir am Anfang einen Plan gemacht, um Haushalt und Kinder strukturiert zu organisieren“, sagt Jan A.. Der ging meistens nicht auf. Vor allem mit der totalen Beanspruchung der eigenen Zeit durch die Kinder hat er so nicht gerechnet: „Jetzt freue ich mich vor allem auf den Job, weil ich dann endlich wieder Pause machen kann, wenn ich will und nicht, wenn ich darf“.