Als Erwin Pelzig ist er in ganz Deutschland bekannt – der Kabarettist und Journalist Frank- Markus Barwasser. Was viele nicht wissen: Seit sieben Jahren lebt der gebürtige Franke in der Mainzer Neustadt in einer großen, lichtdurchfluteten und geschmackvoll eingerichteten Altbauwohnung. Zwei Balkone und ein schöner Blick über die Stadt beeindrucken. Wir sitzen an einem großen Esstisch aus Holz, in der Mitte steht eine Vase frischer bunter Blumen.
Zwischen den Welten
Als viertes von fünf Kindern des späteren Arbeitsgerichtspräsidenten Franz H. Barwasser kommt Frank-Markus in Würzburg zur Welt. Schon früh liebäugelt er damit, Kabarettist zu werden. „Vor allem war mir klar, dass ich einmal in den journalistischen Bereich gehen würde.“ So studiert er nach einem zweijährigen Zeitungsvolontariat bei der Main-Post Politikwissenschaft, Neuere Geschichte und Ethnologie an den Universitäten München und Salamanca (Spanien). Zu Beginn der 80er Jahre sammelt er Bühnenerfahrungen an einem Marionettentheater, 1985 beginnt dann seine eigentliche kabarettistische Laufbahn, nachdem er im Würzburger Theater erstmals als Erwin Pelzig auf der Bühne steht, jener Kunstfigur, deren äußere Markenzeichen „Cord-Hüdli“ (Cordhut), orange-weiß-kariertes Hemd und Herrenhandtasche sind. Charakteristisch ist auch der Würzburger Dialekt. Lange Zeit arbeitet er parallel als Reporter und Kabarettist und doch kommt er an einen Moment, an dem das Verhältnis beider Berufe zu kippen beginnt: „Ich war damals Anfang 30 und hatte als Kabarettist schon eine Bekanntheit erlangt, als es immer häufiger zu Problemen kam, weil mich die Leute lieber als Erwin Pelzig wahrnehmen wollten statt als Reporter.“ Barwasser merkt, dass seine Gesprächspartner oft nicht mehr zwischen dem Journalisten und dem Kabarettisten trennen können, und entscheidet sich schließlich für das Kabarett. „Pelzig war eine von sieben Figuren, die ich in meinem ersten Theaterstück erfunden habe, aber es war nie geplant, dass ich die nächsten 30 Jahre alias er durch das Land ziehe.“ Den Typus hat Barwasser im Laufe der Jahre immer wieder verändert. „Er entsprach zu Beginn dem Klischee seiner äußeren Erscheinung – ein bodenständiger, einfach gestrickter Franke.“ Im Laufe der Jahre habe er aber dieses Klischee immer mehr gebrochen: „über jede Schmerzgrenze hinaus. Die Figur tritt heute intelligenter auf als der Pelzig vor 30 Jahren. Heute diskutiert und kommentiert Pelzig, verbeißt sich gerne in komplizierte Zusammenhänge, ist informiert und nicht mehr so einfältig, wie es einst der Fall war.“ Betrachte er den Pelzig von damals und den von heute, so habe sich in der Figur der Barwasser und nicht der Pelzig durchgesetzt.
Privat vs. Beruf
Im Laufe seiner beruflichen Laufbahn ist Barwasser oft im TV präsent, hat über viele Jahre seinen eigenen Talk „Pelzig unterhält sich“ und später „Pelzig hält sich“, tourt mit seinem Bühnenprogramm durch das Land und spielt 2007 sogar in einem Kinofilm mit. In der ZDF-Reihe „Neues aus der Anstalt“ übernimmt er die Rolle von Georg Schramm als Gegenpart von Urban Priol. Was er immer wieder erfährt, ist die Wertschätzung der Menschen, die ihn auf der Straße erkennen: „Oft ist das eine inhaltliche. Da merke ich, dass sich die Leute mit meinem Programm auseinandersetzen und sich darin wiederfinden. Das ist schon ein Kompliment und hat mit Fantum wenig zu tun.“ Der private Frank-Markus Barwasser ist ausschließlich der Barwasser und das sofort, nachdem er die Bühne verlassen hat. „Mein Beruf spielt in meinem Privatleben keine Rolle. Ich möchte privat weder als Pelzig gesehen werden noch Erwartungshaltungen erfüllen müssen.“ Als er neulich dann doch mal kurz vor Dreharbeiten als Pelzig am Frühstückstisch mit der Familie sitzt, wird er von seinem siebenjährigen Sohn gefragt: „Papa, was macht der Pelzig hier? Der hat doch mit uns gar nichts zu tun.“ Aktuell dreht er für 3sat die dritte Staffel „Beim Pelzig auf der Bank“, die im Herbst ausgestrahlt wird, und tourt mit seinem Bühnenprogramm „Der wunde Punkt“ durch Deutschland. Hier beschäftigt er sich mit dem Zustand der Welt und der Kränkung: „Was hat es mit Kränkung in unserer Gesellschaft zu tun? Die Kränkung in der Geschichte des weiblichen Geschlechts, die gekränkte Männlichkeit, die Kränkung des Homo sapiens durch die künstliche Intelligenz, die Kränkung der Kindheit. Oder aber die Ingenieurskunst, die in Deutschland immer als wahnsinnig hoch angesehen wurde und ein Teil unseres wirtschaftlichen Selbstverständnisses darstellt. Wenn China zum Beispiel bei der E-Mobilität plötzlich zeigt, wie und wo es langgeht, dann wäre das in gewisser Weise auch eine Form der Kränkung.“ Für Barwasser ein interessantes Feld, ein wunder Punkt und Ursache für vieles: „Jeder von uns befindet sich in der Gesellschaft in mehreren Transformationsprozessen, was zu einer großen Unsicherheit führt. Das greife ich auf und versuche, nicht alle in eine Depression zu schicken. Zuversicht fällt zwar manchmal schwer, aber manche Dinge lassen sich zumindest besser ertragen, wenn sie in einem unterhaltenden Kontext geschildert werden.“
Neustadt-Fan
Von München nach Mainz ist er damals für seine Familie gezogen. Was die Stadt für ihn attraktiv macht, das ist die Weite durch den Rhein: „Ich mag es, am Wasser zu sein, und würde mir wünschen, dass das Angebot am Rhein dahingehend größer wird.“ Wenn möglich, bestreitet der 63-Jährige in der Stadt fast alles mit dem Fahrrad. Die Radwegesituation findet er allerdings katastrophal: „Ich habe mit großem Interesse den Wahlkampf des neuen Oberbürgermeisters verfolgt, wo mir von genau den Leuten, die hier seit Jahren Verantwortung haben, versprochen wurde, dass es alles viel besser wird. Da frage ich mich, warum man das nicht schon längst gemacht hat. Aber das ist eben die Haltung: Wofür brauchen wir bessere Radwege, wir haben doch eine sehr gute Uniklinik.“ Auch mag er die Gaustraße, und er ist ein Fan der Neustadt. „Hier lebe ich aus Überzeugung. Die Neustadt versprüht eine gewisse Urbanität, hier spielt das Leben.“
(Am 17. Juni wird Frank-Markus Barwasser alias Erwin Pelzig im Frankfurter Hof mit „Der wunde Punkt“ auf der Bühne stehen. Beginn ist um 20 Uhr.)
Text Alexandra Rohde
Fotos Daniel Rettig
Habe heute ihre Sendung im Fernsehen gesehen. Ich war begeistert. Erst wollte ich abschalten, denn vor Jahren fand ich Pelzig ein wenig, Verzeihung, dümmlich. Aber Pelzig ist intellektueller geworden. Zum Glück auch nicht zu intellektuell und doch ausgewogen.Chapeau, was sie alles im Kopf haben! Ein schöner Abend! Danke
In den „Wunden Pubkt“ passt die heutige (26.09.2023)Aussage in der Tagesschau von Andrè Wüstner (BWverband):
„Zustand der organisierten Verantwortungslosigkeit“
Ein beeindruckendes und kaum zu toppendes Programm inhaltlich und speziell der Vortragsweise über 2 unterhaltsame Stunden ohne Vorlage die Probleme, die das Volk bewegen, auf den Punkt zu bringen.
Großes Kompliment und Hochachtung!