
Lindy Hop bringt Schwung nach Mainz – beim 1. Lindy Boogie Hoppers Club wird mit Begeisterung getanzt, geübt und gelacht. Neben regelmäßigen Trainingsabenden gibt es mit dem monatlichen TeaDance und der Eventreihe „Schick That Swing“ viele Gelegenheiten, den Rhythmus zu spüren und die Tanzfläche zu erobern. Auch in Wiesbaden lebt die Swing-Szene mit Events wie dem Decadance Festival, bei dem Musik, Bewegung und Gemeinschaft im Mittelpunkt stehen.

„A five, a six, a five six seven eight.“ Die Paare schwingen sich in den Takt. Geübt wird „circle“ im 6 count: step step, triple step triple step. „High Five!“, ruft Marlene. Die Tanzpaare klatschen sich ab, lächeln, die Follower gehen zum nächsten Leader und die Übung beginnt von vorne. Ohne Musik, den Takt halten, beim – innerlichen – Mitzählen. Marlene und Nihat, die beiden Teacher, führen immer wieder die Schrittfolgen und Drehungen vor, weisen auf die Körperhaltung hin, erinnern an ein Prinzip des Lindy Hop: Sich anschauen und lächeln. Beide sprechen Englisch an diesem Trainingsabend des 1. Lindy Boogie Hoppers Club 1992 e.V. in der Gymnastikhalle des Rabanus- Maurus-Gymnasiums Mainz (RaMa). Lindy Hop gilt als Urform des Swing, seine Wurzeln liegen im Charleston, Stepptanz und anderen Jazz-Tänzen. „Ein social dance“, sagt Marlene – heißt zum Beispiel: Es gibt keine festen Tanzpaare, alle, die mitmachen, können die Leader oder Follower-Funktion übernehmen – je nach Lust oder Können. In Englisch ist es einfacher, geschlechterneutral zu sprechen, das passt gut zu Lindy Hop, wie ihn der Mainzer Verein lebt: Heterogenität als Teil des Konzeptes und Seele des Lindy Hop. Das Tanzen selbst wird von den Paaren frei gestaltet – Marlene findet das gut. Genauso wie die Musik.

TeaDance
Seit sechs Jahren ist Marlene Lindy Hopperin, tanzt aber auch Charleston und andere Swing-Varianten und leitet als Vorsitzende den 1. Lindy Boogie Hoppers Club 1992 e.V. Sie unterrichtet, organisiert die Hallenbelegungen für die Trainings und für Veranstaltungen: TeaDance zum Beispiel. Einmal im Monat, sonntags, ebenfalls in der RaMa- Gymnastikhalle. „Da geht es locker zu, es gibt Kaffee und Kuchen, es wird gequatscht und natürlich viel getanzt.“ Die Lindy Hoppers sind ein Sportverein. Tanzen als Sport setzt viel Übung voraus. Was bei den TeaDances so locker leicht durch die Halle swingt, funktioniert dank vieler Trainings. „Wir setzen mehr auf Technik, andere Teacher konzentrieren sich auf den Rhythmus, das macht insbesondere die Besuche von Festivals und Partys so reizvoll, überall gibt es Neues zu lernen.“ 250 Mitglieder hat der Verein, die Jüngste ist zwölf Jahre alt, 80 Jahre zählt der Älteste. Abgesehen von Bewegung und Rhythmus gehört zum Lindy Hop ein gutes Gedächtnis: Wer nicht mehr auf die eigenen Füße schauen und mitzählen muss, kann sich auf die Führungszeichen der Hände konzentrieren und in der Mimik des Gegenübers erkennen, wo es lang geht, sich dabei freuen und entspannt lächeln: eine Art Markenzeichen.

Schick That Swing
Ein Dienstagabend pro Monat ist im Mainzer „Schick“ für die Swing- Tanzenden reserviert. Kathi organisiert seit 2023 jeden zweiten Dienstag die „Schick That Swing – Happy Swing – Lindy Hop Taster“ und legt dabei auch selbst auf. Heißt, sie stellt die Playlisten zusammen, mixt z.B. Balboa mit Lindy Hop und die Übergänge am Mischpult – Loops setzen, Lieder in unterschiedlichen Geschwindigkeiten – je nach Publikum. Die Abende funktionieren als „Türöffner“: Wer Lust hat, sich die Tänze anzuschauen und sie auszuprobieren oder nur der Musik zuhören will, kommt vorbei. 20 bis 30 Menschen bewegen sich auf der kleinen Schick-Tanzfläche. Kathi tanzt, seit sie 12 Jahre alt ist, hat in San Francisco und in Berliner Clubs Swing getanzt und wollte die eher schummrige Atmosphäre auch in Mainz erleben: „Was im Verein aus Zeitgründen keinen Platz hat, machen wir im Schick.“ Zum April-Termin gibt es Tap-Dance (Stepptanz); Ähnlich wie Marlene mag Kathie den Freiraum beim Swing-Tanzen, die Art, wie Leader und Follower miteinander kommunizieren – ohne Worte, mit Blicken und Gesten.
Wiesbaden stark
Die Wiesbadener Swing-Szene ist ein wenig anders drauf: weniger sportlich, mehr kulturell-gesellschaftlich. Die knapp 20 Mitglieder des „Swinginwiesbaden e.V.“, konzentrieren sich auf Events wie die monatlichen Swing-Partys im „Tallys“, zu denen oft Live-Bands eingeladen sind. Im Sommer trifft sich die Wiesbadener Swing-Szene auch mal auf dem Neroberg zum Draußen-Swingen. Das in der Szene bekannteste Ereignis der hessischen Landeshauptstadt ist das Decadance Festival (23. bis 25. Mai). „Wir laden gute, bekannte Teacher und Bands für die Workshops ein und bewahren uns mit etwa 300 Teilnehmenden an drei Tagen einen familiären Charakter, das ist uns wichtig“, sagt Kai. Mit seinem superkleinen Team organisiert er alljährlich das Festival, inklusive Decadence-Ball in der Wiesbadener Casino-Gesellschaft. Kai beschreibt das Swing-Tanzen als einen Bewegungsablauf, der zur jeweiligen Musik, zu deren Geschwindigkeit passt. Die Schrittfolgen, die Figuren sind für ihn Mittel, um in einen Bewegungsrhythmus zu kommen, der nur der Musik folgt, die Aktionen und Reaktionen des/ der Mittanzenden aufnimmt und weiterträgt: losgelöst und gleichberechtigt. Kleidung ist beim Swing übrigens kein großes Thema. Getragen wird, was gefällt und Bewegungsfreiheit gewährt. Natürlich auch Retros aus den 1920er, 30er, 40er Jahren. Dafür gibt es spezielle Shops und Faibles – und das sieht man auf den offiziellen Abenden dann doch öfters.
Text: Marion Diehl