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Vielfalt für alle: In Gemeinschaftsgärten wird die klimafreundliche Zukunft der Stadt erprobt

Urban Gardening hat sich in den vergangenen zwei Jahrzehnten etabliert. Das Gärtnern in der Stadt erobert urbane Freiräume – und verwandelt alle, die hier leben. Anonyme Nachbarn werden zu Bekannten und Freunden, Feierabende zu geselligen Outdoor-Workouts, öde Flächen zu artenreichen Refugien – und Stadtkinder wetterund demokratiefest. Denn mit Offenheit, Partizipation, Respekt und Lernbereitschaft entsteht ein fruchtbarer Austausch, der sich selbst erhält und von dem kein Lebewesen ausgenommen ist.

Im Gartenfeld kann man Natur inmitten der Mainzer Neustadt erleben und genießen

Das Gartenfeld in der Neustadt

Der ökologische Gemeinschaftsgarten „Gartenfeld“ ist eine Institution in der Mainzer Neustadt. Seit elf Jahren bauen Mainzer im Hinterhof der Forsterstraße 34–38 Gemüse und Obst an – dank der Initiative des BUND Mainz und der Kooperation mit der Stadt Mainz und dem Quartiermanagement. Im Gartenfeld werden nachbarschaftliche Solidarität, Naturbewusstsein und die heimische Biodiversität gefördert. Ob soziale Einrichtungen oder Menschen aus der Nachbarschaft – alle können mitmachen, kreativ werden, Neues lernen und zur Lebensqualität und Nachhaltigkeit ihres Viertels beitragen. Wer sich aktiv einbringt, kann reich ernten – nicht nur in kulinarischer Hinsicht. Der Gemeinschaftsgarten wird vom BUND Mainz koordiniert und betreut, der dort auch Nisthilfen für bedrohte Arten pflegt, heimische Wildpflanzen ansiedelt und Umweltbildungsmaßnahmen durchführt. Im Stadtteilbüro in der Sömmerringstraße finden monatliche Planungstreffen statt – Interessierte sind willkommen (www.gartenfeld-mainz.de).

Die Bischmann-Generation hat den Draisberghof 2020 übernommen und zu neuem Leben erweckt

Das Stadtgemüse vom Draisberghof

Ihr eigenes Bio-Stadtgemüse können Mainzer seit Sommer 2021 auch in vorbepflanzten oder frei planbaren Mietgarten-Parzellen auf dem biozertifizierten Draisberghof anbauen. Das Winzerpaar Ines und Lukas Bischmann will den Menschen aus der Stadt die Natur nahebringen, etwas für die Gemeinschaft tun und die Artenvielfalt fördern. Mit Erfolg: Auf dem Stadtgemüse-Acker gedeihen Gemüse, Obst, Wildblumen, fruchtbare Gespräche und die eine oder andere Beet- Freundschaft. Auf dem Freizeitgelände kann man es sich nach dem Ackern bei einem Glas hauseigenem Bio-Wein gut gehen lassen, während sich die Kinder auf dem Naturspielplatz mit Wildkräuterhügel austoben können. Dem Winzerpaar macht es Spaß, den Draisberghof mit Leben zu füllen und guten Ideen, neuen Kontakten und lebendiger Vielfalt auf fröhliche und lockere Weise Raum zu geben. Eine Gemeinschaftsgärtnerin erzählte den beiden vor kurzem, für sie fühle sich jede Fahrt zum Hof an wie „Heimkommen“. So erfreulich zuhause fühlen sich hier auch Fledermäuse, Igel, Steinkauze, Schwalben, Stieglitze, Sperlinge sowie zahlreiche Insekten. Denn es locken Wildpflanzen, Totholzhaufen – und Nisthilfen. Ein NABU-Mitglied hat sie ehrenamtlich für Schwalben und Fledermäuse eingerichtet und pflegt sie und einige NABUSteinkauzröhren. Auf dem weitläufigen Gelände schauen manchmal auch besondere Besucher vorbei, wie etwa Wiedehopfe, Eichelhäher und Bienenfresser. Es gibt sogar ein Turmfalkennest, und die Feder einer Schleiereule wurde entdeckt. Die Bischmanns eröffnen die Gartensaison traditionell mit einem Hoffest im Mai und bieten auch sonst allerlei Veranstaltungen unter freiem Himmel an. So gibt es z. B. Erntedankfeste, After-Work-Events, Konzerte, Lesungen, das Open-Air-Kino „Vino Kino“ oder Vorträge zu zukunftsorientiertem Gärtnern. Für gemeinsame Familienzeit bietet die „Kulturbande Mainz“ hier Events an, wie z. B. Zeichen-, Bastel- oder Yogakurse. Für „Gärtner“ gibt es an jedem letzten Sonntag im Monat einen Stammtisch, außerdem eine WhatsApp- und eine Facebook-Gruppe (www.draisberghof.com).

Der Allmende-Garten ist ein üppiges Nasch-Paradies für alle

Die Feine Krume im Gonsbachtal

Im idyllischen Gonsbachtal gibt es ein Urban- Gardening-Urgestein: Seit dreizehn Jahren trägt die „Feine Krume“ durch den Anbau samenfester regionaler und seltener Sorten zum Erhalt der Artenvielfalt im Landschaftsschutzgebiet bei. In dem ökologischen Gemeinschaftsgarten geht es neben der Biodiversitätsförderung vor allem auch darum, Menschen über Generationen und Ländergrenzen hinweg zusammenzubringen, Natur und Lebensmittel wertzuschätzen sowie die Lebensqualität und Nachhaltigkeit in Mainz zu fördern. Die Feine Krume ist für alle offen, hierarchiefrei und nach dem Konsensprinzip organisiert. Hier wird gemeinsam geplant, geackert und entschieden – und es gedeihen vielfältige Pflanzen, Obst, Gemüse und Blumen – zum Ernten, zum Genießen und zur nachhaltigen Saatgutvermehrung. In der Garten-Hauptsaison treffen sich die Gemeinschaftsgärtner in der Regel donnerstags ab 18:30 Uhr im Garten (https:// feinekrume.wordpress.com).

Naturtreff-Mitglieder – der Name ist fröhliches Programm

Der Naturtreff in Bretzenheim

Der „Naturtreff“ ist ein ökologisches Stadtteilprojekt für Mensch und Umwelt zur Förderung von Klimaschutz und Artenvielfalt. Er geht aus einer Kooperation des Grün- und Umweltamtes Mainz und der Nachhaltigkeitsinitiative Bretzenheim hervor. Der ökologische Gemeinschaftsgarten entstand im Frühjahr 2020 auf einer städtischen Grasfläche mitten im Wohngebiet. Heute gibt es dort eine Fülle an Obst, Gemüse und Kräutern sowie Nisthilfen, Wasserstellen, Sandarium (für Wildbienen), Benjeshecken, Steinbiotope und heimische Futterpflanzen für Vögel, Igel, Fledermäuse, Eidechsen, Gartenschläfer und Insekten. Sitzgelegenheiten laden zum Verweilen und Entspannen ein. Der Naturtreff ist ein Nasch- und Erntegarten, der nach dem Allmende-Prinzip organisiert ist, das bedeutet: Alles gehört allen, alle dürfen sich beteiligen, man spricht sich gemeinsam ab und alle dürfen in Maßen ernten – auch wenn sie nicht zum Kreis der Aktiven gehören. Feste Regel: Alle Gartenpflanzen müssen so gewählt sein, dass sie eine möglichst lange, kontinuierliche Ernte ermöglichen. Im Naturtreff wird experimentiert, wie ökologisches Gärtnern im Klimawandel gelingen kann. So wird z. B. nach dem Permakultur-Konzept und in Hügelbeeten angebaut, um den Boden auf natürliche Weise aufzuwerten. Die Schafe des NABU Mainz helfen mit – ihre Wolle wird als Wasserspeicher und Nährstofflieferant in die Erde eingearbeitet. Menschen aus der Nachbarschaft, ansässige Unternehmen, die Grüne Schule im Botanischen Garten der Universität, der BUND Mainz und der NABU Mainz engagieren sich für den Garten und die gegenüberliegende Wiese, die sukzessive in eine Wildblumenwiese umgewandelt wird. Im Naturtreff kommen vor allem Menschen aus der Nachbarschaft zusammen – für eine Mittagspause im Grünen, einen Plausch oder das gemeinsame Gärtnern in und mit der Natur. Sie schätzen die Schönheit und Fülle des Gartens und der Wiese. Die Aktiven verabreden sich über eine Signal-Gruppe für gemeinsame Garten- und Pflegeeinsätze (https://www.nachhaltigesbretzenheim. de/wir-sind-aktiv/flora-und-fauna/ naturtreff-am-ostergraben).

Gemeinsames Gärtnern ist lokale Entwicklungszusammenarbeit

Gemeinsam grüne Flecken in der Stadt pflegen, vergrößern, aufwerten – das ist gemeinschaftliche Care-Arbeit: für den städtischen Lebensraum, für eine solidarische Nachbarschaft, für die heimische Artenvielfalt, für eine kooperative und nachhaltige Stadtentwicklung und für das körperliche und seelische Wohlbefinden. Solche Areale können in Gemeinschaftsgärten oder anderweitige Naturoasen für die Gemeinschaft verwandelt werden. In jedem Fall ist es ein sozialer, ökologischer und ökonomischer Gewinn für das Stadtleben, wenn Stadtbevölkerung, Stadtverwaltung und Zivilgesellschaft gemeinsam ein zukunftsfestes Mainz gestalten.

Text: Michaela Abdelhamid

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