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So wohnt Mainz: Musikalisches Doppelpack in Gonsenheim

Wer Beate Hassinger und Achim Kohl in einer ruhigen Minute erwischt, hat Pech. Denn Stille ist selten in ihrem Haus, das sie mit zwei Rauhaardackeln bewohnen und gleichzeitig zum gemeinsamen Arbeitsplatz gemacht haben. Das Paar lebt für die Musik. Über sie haben sie sich kennengelernt und mit ihr haben sie ihre Existenz aufgebaut. In ihrer kleinen Musikschule „Klangfarbe“ treffen Welten aufeinander: „Ich habe mich schon als Kind nur für sehr alte Musik begeistert“, erinnert sich Beate. Sie lehrt Blockflöte und Klavier im Erdgeschoss und führt uns in ihren Unterrichtsraum. „Wenn man von Blockflöten erzählt, wird man oft belächelt. Sie hat den Ruf als Kinderinstrument weg.“ Gut zwei Dutzend Flöten in allen Farben und Größen befinden sich hier. Von der schrillen, winzigen „Garkleinflöte“ bis zur mannsgroßen Kontrabassblockflöte (Preiskategorie halber Kleinwagen) und exotischeren Ausführungen wie einer Gemshornflöte, die aus einem einzigen Horn geschnitzt ist. Mit der bekannten Grundschul-Flöte haben diese Instrumente kaum etwas gemein. Beate bringt vor allem barocke Töne zum Klingen, begleitet von Flügel oder Cembalo. „Im Barock hatte die Blockflöte ihre Hochzeit“, weiß die studierte Musikpädagogin, „deshalb ermuntere ich meine Schüler, alte Stücke zu lernen.“ Doch genötigt wird niemand: „Wenn jemand statt Mozart unbedingt ABBA spielen möchte, werde ich ihn sicher nicht daran hindern.“ Bis heute kooperiert sie mit der Musikhochschule, leitet unter anderem ein Blockflötenorchester und hat es mit ihrem Jugend musiziert-Quintett im Bundeswettbewerb jüngst auf den zweiten Platz geschafft.

Krach und Fingerspitzengefühl

Achim schlägt lieber härtere Töne in seinem Bandkeller an, der durch Schallschutztüren von Beates Bereich getrennt ist. Gitarre, E-Gitarre und E-Bass hängen hier an den Wänden. Auch digitales Schlagzeug steht auf der Tagesordnung. Seine Schüler spielen alles zwischen Jazz und Metal. Die Hightech-Instrumente können ihren Sound auf Boxen oder Kopfhörer abgeben – so müssen die Nachbarn nicht zwingend leiden. Per Knopfdruck wird der Klang der digitalen Schlagzeuge variiert: egal ob klassisch, Jazz, indisch oder synthetisch. Auch ohne Drummer spielt das Gerät einen Rhythmus, der Achims Gitarrenspiel begleitet. „Als Gitarrist braucht man Fingerspitzengefühl. Das ist nicht für jeden etwas“, improvisiert er lässig eine Melodie auf seinem Instrument. Sein Spezialgebiet ist die Jazzgitarre. Im eigenen Musikverlag (Name: „Klangfarbe“) bringt er Lehrbücher heraus, mit diversen Grifftabellen. Zusätzlich produziert er im Nebenraum Erklärvideos für seinen YouTube-Kanal.

Preisgekrönte Dackel

Vom Unterrichtsraum gelangt man in das offene Wohnzimmer mit großer Glasfront. Obwohl ursprünglich als Wintergarten gedacht, haben sie einen vollwertigen Raum daraus gemacht, damit man zu jeder Jahreszeit davon profitieren kann. Beates und Achims Begeisterung für Vierbeiner ist überall im Haus wiederzufinden: In den Regalen reihen sich Figürchen und Bilder. Im Wohnzimmer thronen Pokale und Auszeichnungen diverser Wettbewerbe. Zuletzt zeigte sich ihr aufgeweckter Rauhaardackel Giacomo auf der Welthundeschau in Leipzig. Als deutscher Champion hat er einige Preise verliehen bekommen – und nicht wenige Hundedamen beglückt. Kollege Festus, ein paar Jahre mehr auf dem Buckel, hat die Karriere bereits niedergelegt. In den Mainzer Vorort ist die „Familie“ gut eingebettet. Beates Elternhaus steht nur wenige Straßen entfernt. „Meine Mutter war hier Hebamme. Viele meiner Nachbarn hat sie selbst zur Welt gebracht“, lacht sie. Die Gonsenheimer kennen sich gut. Man fühlt sich als Dorfgemeinschaft. Beates Schüler bespielen regelmäßig Seniorennachmittage und das Erdbeerfest. Nur Achim hadert noch manchmal. Besonders Fastnachtssitzungen haben es ihm nicht gerade angetan. „Aber es gehört nun mal dazu“, gibt er schulterzuckend zu, „gibt ja wirklich Schlimmeres.“ Wir glauben ihm.

Text Ida Schelenz Fotos Domenic Driessen