Rund 300 Jahre alt ist das Haus in der Badergasse 1, in dem Murielle Stadelmann und ihr Vater Pierre seit 2016 das Weinhaus Bluhm betreiben. Bekannt sind die beiden in der Stadt nicht nur durch ihre leckere französisch-deutsche Küche, sondern auch durch Gesangs- und TV-Auftritte.
Als das Vater-Tochter-Duo die Räumlichkeiten vor sechs Jahren mietet, tun sie das vorerst nur für die Räume des Restaurants. Murielle wohnte in dieser Zeit in Mainz-Mombach. Nach kurzer Zeit bekommt sie aber das Angebot, weitere Wohnungen im Haus in der Altstadt zu mieten: „Mir kam die Idee, aus dem Ganzen eine Art Gäste-Kulinarik-Raum-Schlafmöglichkeit zu machen.“ Das bedeutet? „Ich wollte Private-Dining anbieten, Kochstunden oder auch einen Schlafplatz sollte man sich mieten können.“ Für ihren Plan sanierte die singende Köchin das Haus über mehrere Monate, „wir haben quasi alles neu gemacht. Die Zimmer, die Bäder, die Tapeten – alles, was der Geldbeutel hergab“. Die Fertigstellung fällt auf die Anfangszeit von Corona und sie müssen ihre Weinstube schließen: „In dem Moment hat einfach nur jeder versucht, irgendwie zu handeln und zu überleben. Denn keiner wusste, was da in welcher Härte auf uns zurollt.“ So ist Murielle auch sofort klar, dass sie selbst umziehen muss: „Zwei Mieten zu zahlen und zwei voll eingerichtete Wohnungen – das macht keinen Sinn.“
„Zu jedem Teil könnte ich eine Geschichte erzählen“
Seither bewohnt die Mainzer Französin die zweite Etage im Haus. Ihre Wohnung ist dabei zweitgeteilt. Ein Bereich ist offiziell, hier verwirklicht sie den Traum des Private-Dining und der Kochabende, die man im Bluhms buchen kann. Der andere Teil ist ihr privater: „Naja fast privat. Mein Wohnzimmer musste für das Büro herhalten und in diesem arbeite ich mit meiner
Mitarbeiterin.“ Was in der Wohnung auffällt, sind die vielen bunten Accessoires, „jedes einzelne Teil hat eine Bedeutung und eine Geschichte, die ich erzählen könnte. Vom Kronleuchter meiner Schwiegermutter aus Wien zum Scheunentor, das meine Freundin ersteigert hatte und das heute mein Esstisch ist. In diesen Räumen befindet sich viel von meinem Leben.“ Das Bad ist goldfarben, „oh ja, das Bad. Das war die größte Aktion bei den Renovierungen“, erinnert sich Murielle. „Ein 60er-Jahre-Bad mit graumelierten Fliesen. Die Therme war gleichgesetzt mit der Toilette. Sprich, wenn man auf den Lokus ging, musste man aufpassen, dass man mit dem Kopf nicht in der Therme hing und mit einer Beule wieder rauskam. Das Bad haben wir komplett neu gemacht und so dusche ich heute in der einzig goldigen Regendusche von Mainz.“
Bunte Wände, viele Vögel, der Platz in der Sonne
Was ihr wichtig war im neuen Heim? „Die Tapeten. Ich liebe Tapeten, denn ich finde, dass eine Tapete einen kleinen Raum wesentlich größer und voller wirken lassen kann. Bei mei- ner Suche nach den richtigen Tapeten bin ich auf Vögel gestoßen und so hat jeder Raum eine andere Farbe, einen anderen Vogel und eine entsprechende Note. Der Gockel in der Küche passt zu mir als Französin, andererseits erinnert er aber auch an den Mainzer Domsgickel.“ Und was fehlt im neuen Heim? „Ein großer Kühlschrank. Aber der hat schlichtweg nicht die Stiege hochgepasst. Möbel durch ein Fachwerkaus zu kriegen, ist eine echte Aufgabe. Alles, was hier ist, wurde mehr oder weniger auch erst hier zusammengebaut. Im ersten Flur stehen immer noch zwei Bilder, die ich nicht hier hochbekomme.“ Was sie liebt im neuen Heim? „Ich habe abends keine Wege und
kann direkt von der Küche ins Bett fallen – das ist viel wert. Und ich liebe meinen Platz am Fenster. Der Blick auf die Gass, die Menschen, die unten laufen und mich nach oben grüßen, das ist etwas Wunderschönes. Hier sitze ich oft und bin eigentlich nie allein, denn irgendwer läuft immer da unten und ruft hoch zu mir.“
Text Alexandra Rohde
Fotos Dirk „the pixeleye“ Behlau