Das Haus, in dem Fabio Schmitt wohnt, liegt in einer kleinen Straße in einem ruhigen Mainzer Stadtteil. Es wirkt von außen eher unscheinbar mit seiner weißgrauen Fassade. Doch dann entdeckt man Fabios in der Einfahrt parkenden, türkisfarbenen VW Bulli, Baujahr 1979, mit der Aufschrift „Music was my first Love“. Im roten Retro-Jogginganzug öffnet Fabio die Tür zu seiner 41,99 Quadratmeter großen Dachgeschosswohnung, sphärische Musik durchdringt das Treppenhaus.
„Wo bin ich denn hier gelandet?“
Fabios Wohnung ist ein Ort der Kreativität: Das winzige Wohnzimmer ist zugleich Musikstudio und DJ-Setup mit Computer, Keyboard und Mikrofon. An den Wänden hängen ein gezeichnetes Portrait Fabios, Meerlandschaften, pinke Effektlampen und urbane Fotografie. „Ich brauche meine Ausblicke, so gucke ich nicht auf Wände.“ Die Decken- und Wandverkleidung erinnert an ein professionelles Musikstudio. „Wenn Freunde vorbeikommen, fragen manche: Wo bin ich denn hier gelandet?“
Eine handsignierte Ausgabe der Hip-Hop-Bibel „Hip Hop Files: Photographs 1979–1984“ der amerikanischen Fotojournalistin Martha Cooper thront auf einem eigenen Sessel neben Fabios Querflöte.
„Martha Cooper hat die Hip-Hop-Szene durch ihre Fotos sichtbar gemacht. Der Herausgeber des Buches ist Mainzer. Auch zwei der bekanntesten Graffiti- Künstler, CAN2 und Akim Walter Zebster, sind von hier. Mainz ist in der Hip-Hop-Szene nicht unbekannt.“
In seiner kleinen Wohnung im Vorort lebt Fabio seinen Traum
Das Schlafzimmer ist ein Miniatur-Tanzstudio mit einer großen Strandtapete mit Palmen und knallblauem Himmel und einer verspiegelten Wand. Das Bett klappt Fabio mithilfe einer selbstgebauten Konstruktion hoch, um mehr Platz zu haben. Mit LED-Stäben untermalt er seine Bewegungen beim Tanzen: „Vor dem großen Spiegel hab ich die Möglichkeit, Choreografien zu kreieren und zu jonglieren. Die Lampe kam dabei schon ein paar Mal runter.“
Der passionierte Mainzer Breakdancer tanzt seit dreißig Jahren und gibt seit zwanzig Jahren mit seiner „Fabiolous Dance Company“ Tanzunterricht in Breakdance und Hip-Hop. Zugleich ist er Yogalehrer und hat dies mit „Fabio Yoga“ zu einer eigenen Marke gemacht. Er unterrichtet seit über zehn Jahren im Haus der Jugend, wenn er nicht gerade mit seinem Bus und „Fabiolous-Dance-Musik“ als DJ oder mit der mobilen Tanz- und Yogaschule unterwegs ist.
Das Schlafzimmer wird auch zum Kinderzimmer, wenn seine achtjährige Tochter da ist. Und während der Pandemie streamte Fabio hier Yogastunden und DJ-Sets live im Internet.
„Elektronische Musik am PC zu machen ist mein Hobby, und es kommen auch oft Musiker zum Jammen her. Ich bringe gerne Leute zusammen.“ Und „Nachts, wenn die Stadt schläft“, wie es in seinem gleichnamigen Song heißt, jammt Fabio noch mit seiner Querflöte und weiteren Musikern am Rhein.
Raum schaffen für Tanz, Yoga, Auflegen und Musizieren
Fabios Badezimmer ist ebenso bunt dekoriert wie der Rest der Wohnung, seine Küche hingegen sehr klein. „Hier ist alles zusammengewürfelt, aber für mich reicht‘s.“ Sein Schrank ist voll von farbenfrohen, gemusterten Anzügen und Sneakern. „Breakdancer halt“, kommentiert er grinsend. Hier atmet alles Kunst, ob Bücher, Instrumente oder große, farbenfrohe Wandtapeten.
„Yoga, Tanz und Musik sind seit meiner abgebrochenen Karriere im Maschinenbau mein Fokus. Mit diesen drei Elementen gleiche ich mich selbst aus – das eine befruchtet das andere. Es ist wie ein Kreislauf. Erst Tanzen, dann Yoga, dann Techno, dann Yoga zu Techno. Das kommt an.“ Die Wohnung bildet dabei seine Basis zum Ausschwärmen, ist nah an der Autobahn gelegen und an Grünflächen, auf denen er performen kann. „Ich tanze, Kinder kommen und sehen zu, ich verteile Flyer, und schon habe ich einen neuen Kurs zusammen.“ Die Freude, mit der er erzählt und anschließend im Slow Motion Walk durch sein kleines Studio tanzt, ist ansteckend.
Zuhause sein – nicht nur in der eigenen Wohnung
Zu Hause ist Fabio genauso auf großen TV-Bühnen, Dance-Contests und regionalen Bühnen. Jedes Jahr nimmt er mit seinen Breakdance-Gruppen am „Meeting of Styles“ in Mainz-Kastel teil. Auf Instagram und seinem Youtube- Kanal postet er selbstproduzierte Tanz- und Musikvideos. Er hat die Breakdance- DVD „Get the Dance, Breakdance“ rausgebracht und im Musik-Video „Rhythm Is a Dancer“ von „Snap!“ sowie dem Kinofilm „Homies – Hip Hop Express“ (2010) mit Jimi Blue Ochsenknecht und Detlef D! Soost getanzt. Doch Fabios Basis ist und bleibt Mainz.
„Zu Hause bin ich dort, wo mein Herz ist. Ich liebe es, durch meine Stadt zu laufen und zu sehen, wie viele Leute mich als Tänzer, Yogalehrer und Musiker kennen. Auch meine Nachbarn akzeptieren mich als Künstler. Wenn die mich unten mal tanzen sehen, wundern sie sich nicht. Einer sagt, er schläft zu meinen Beats ein. Auch das ist zu Hause: frei sein zu können.“ Fabio ist der beste Beweis dafür, dass man nicht viel braucht, um kreativ tätig zu sein: Eine kleine Wohnung, Zeit und natürlich die Liebe zu dem, was man tut. Auf seiner Homepage schreibt er über sich: „Mein Traum ist es, Raum und Zeit für Kreativität zu schaffen und Menschen mit Bewegung, Tanz und Musik zu faszinieren.“ Und das ist Fabio Schmitt, von seiner kleinen, bunten Dachgeschosswohnung aus, wunderbar gelungen.
Text: Henriette Clara Herborn
Fotos: Thomas Schneider