Direkt zum Inhalt wechseln
|

Qual der Wahl – Welche Mainzer Direktkandidaten wollen in den Bundestag?

Das Superwahljahr 2017 erreicht am 24. September seinen Höhepunkt. Dann stehen die Bundestagswahlen an und es heißt wieder: Deutschland sucht den Superkanzler. Doch während Angie gegen den Schulz-Zug anrennt, sorgt bei uns vor allem eine Frage für feuchte Träume: Wer zieht für Mainz in den Bundestag? Wenn kurz vor der Bundestagwahl wieder seitenlange Briefe mit Wahlinformationen ins Haus flattern, ist die Verwirrung groß: Was darf ich wählen? Erststimme? Zweitstimme? Direktmandat?

Die Bedeutung der Erststimme

Unser Wahlrecht ist eine Kombination von Mehrheits- und Verhältniswahl. Wir können also zwei Stimmen unabhängig voneinander abgeben. Mit der Erststimme wird der Direktkandidat gewählt. Wer in seinem Wahlkreis die meisten Erststimmen bekommt, darf im Bundestag Platz nehmen. Die Zweitstimme entscheidet darüber, welche Partei in den Bundestag zieht und wie viele Sitze sie im Parlament bekommt. Je mehr Stimmen, desto mehr Partei-Mitglieder kommen in den Bundestag. Liegt also bei den Direktkandidaten jemand hinten, hat er oder sie immer noch gute Chancen über die Landesliste „nachzurutschen“. Insgesamt werden 299 Abgeordnete direkt gewählt. Die restlichen Plätze werden über die Landeslisten vergeben. In Mainz wechseln sich seit Jahren SPD und CDU als stärkste Kraft ab. Und so wird es auch in diesem Jahr – neben vielen neuen Gesichtern – wieder die üblichen Verdächtigen geben.

Doch was können die Direktkandidaten überhaupt für Mainz erreichen? Die Erststimme ist in unserem Wahlrecht weitgehend bedeutungslos. Zwar können durch das Direktmandat Parteien in den Bundestag einziehen, die sonst an der fünf Prozenthürde gescheitert wären – zuletzt war dies bei der PDS 1994 der Fall – dennoch ist die entscheidende Stimme mit Auswirkung auf die Regierungsmehrheit die Zweitstimme. Wahl-Experte Dr. Andreas J. Kohlsche sagt, dass eine Direktkandidatur bei den großen Parteien nur der persönlichen Popularität der Kandidaten diene. Lediglich kleinere Parteien würden von der Direktkandidatur indirekt profitieren. „Bei anderen Parteien ist die Erststimme eine verschenkte Stimme“, sagt Kohlsche. Dennoch: Direktkandidaten sind in der Regel stark in ihrem Wahlkreis verwurzelt. Dadurch haben sie einen Vorteil gegenüber Listenkandidaten. Ob und inwiefern sie Mainzer Interessen in Berlin tatsächlich vertreten, kann nur jeder Abgeordnete für sich entscheiden.

Altbekannte Kontrahenten

Möchte den Stuhl verteidigen – Ursula Groden-Kranich von der CDU
Der Herausforderer – Carsten Kühl von der SPD

Die Mainzer SPD setzt dieses Mal auf Carsten Kühl als Direktkandidaten. Er tritt die Nachfolge von Michael Hartmann an, der nach Edathy- und Drogen-Affäre nicht mehr haltbar war. Der ehemalige Finanzminister Kühl hält Mainz für eine wirtschaftlich erfolgreiche Region, daher seien Themen wie Wohnen, Mobilität und Integration besonders wichtig. 2013 verlor sein Vorgänger Hartmann gegen die CDU-Kandidatin Ursula Groden-Kranich. Sie gewann das Mandat mit 40,1 Prozent der Stimmen. Ihre Themen dieses Jahr sind die Entgeltgleichheit und Gleichbehandlung bei der Familienpolitik. Sie setzt sich außerdem auf europäischer Ebene gegen Fluglärm ein.

Parteilos für den Bundestag

„Wir stehen kurz vor dem dritten Weltkrieg“, sagt Bernhard Heck, vom neu gegründeten Mainzer Bürgerkomitee. CETA, Trump, Populismus – so könne demokratische Politik nicht funktionieren. Heck ist für eine direkte Mitwirkung der Bürger im Bundestag, für Offenheit und Klarheit. Er möchte eine breite Öffentlichkeit herstellen, als Gegenpol zu „gefilterten“ Informationen aus der Presse. „Die großen Medien widmen sich nur den großen Fragen. Das hat mit Demokratie nichts zu tun“.

Im Januar hat sich das Bürgerkomitee gegründet. Ihre Initiative „BürgerkandidatInnen“ möchte deutschlandweit aus allen Wahlkreisen parteilose Direktkandidaten in den Bundestag schicken. Das Mainzer Bürgerkomitee umfasst derzeit zehn Mitglieder. Um zur Bundestagswahl antreten zu können, brauchen sie bis Mitte Juli mindestens 200 Unterschriften von Unterstützern. Demokratie, Geldpolitik, Friedenspolitik, Global denken, regional handeln – mit diesen Schwerpunkten möchte Heck in den Wahlkampf ziehen. „Es geht vor allem um Frieden“, sagt er und meint damit u.a. die Abschaffung von Sanktionen gegen Staaten und eine neue Friedensinitiative: Kooperation statt Konkurrenzkampf.

100% Rock n’ Roll

Für mehr Rock ’n’ Roll – Martin
Malcherek kandidiert für die Linken

Die Mainzer Linke präsentiert ebenfalls ein neues Gesicht und nominiert den gebürtigen Münchner Martin Malcherek als ihren Direktkandidaten. 750 Euro Wahlkampfbudget, 256.317 potentielle Wählerstimmen, Mailadresse, Telefonnummer und Tinder – Martin Malcherek setzt auf Transparenz. Als Rechtsanwalt, Musiker und Sitzungspräsident der „Roten Armee Fastnacht“ ist er in Mainz bekannt und war schon in seiner Jugend im kulturellen Untergrund der Stadt politisch aktiv. Mit 100 Prozent Motivation und 100 Prozent Rock’n’Roll möchte er sich für soziale Gerechtigkeit, eine solidarische Wirtschaft, Friedens- und Bündnispolitik sowie Bildung und Gesundheit einsetzen. Unter dem Motto „Vorwärts Mainzer, niemals vergessen – Sozialismus in Rheinhessen“ möchte er sich stark machen für den Wahlkreis 205 – der attraktivste, den Deutschland zu bieten habe.

Für Verabschiedungskultur, gegen Toleranz und Vielfalt

Die Alternative? Sebastian Münzenmaier von der AfD

Die Willkommenskultur durch eine Verabschiedungskultur ersetzen – mit dieser Forderung möchte Sebas- tian Münzenmaier für die Mainzer AfD in den Bundestag ziehen. Damit möchte er vor allem dafür sorgen, dass der „Einfluss des Islams gestoppt wird“ und „Islamisten konsequent verfolgt“ werden. Er verspricht als AfD-Politiker die Sprache der Bürger zu sprechen. Die falsch verstandene Political Correctness in Deutschland sei für ihn der Grund gewesen, sich der AfD anzuschließen. Nun möchte er gegen die „linken und grünen Deutschland-Abschaffer“ kämpfen. Für die Bundestagswahl hofft er auf mehr als 15 Prozent für die AfD.

#Lügenpresse

Der US-amerikanische Präsident Donald Trump dürfte kein Freund der grünen Direktkandidatin Tabea Rößner sein: Die Bekämpfung des Klimawandels steht auf Platz 1 ich es Wahlprogramms. Neben ihrem parteipolitischen Engagement war sie zudem als freie Journalistin und Autorin in größeren Medienhäusern, wie dem ZDF oder dem HR, tätig. Nun setzt sie sich als medienpolitische Sprecherin der GRÜNEN für Themen wie Pressefreiheit, Fake News und Hasskommentare ein. Sollte Rößner per Mail oder Telefon nicht erreichbar sein, lohnt es sich, sie auf der Montagsdemo zu suchen – nicht an der Seite von Pegida, sondern an der gegen Fluglärm.

Keine großkoalitionäre Einheitssoße

Mit neuem Image – David Dietz von der FDP

„Zwei beschissene Jahre“, so bilanziert David Dietz, Direktkandidat der Mainzer FDP, die letzten zwei Jahre seiner Partei. Umso heißer startet er nun in den Bundestagswahlkampf, um der „großkoalitionären Einheits soße“ und der „grünen Verbotsmentalität“ ein Ende zu setzen. Inhaltlich fordert er die Öffnung von Universität und Hochschule für private Investoren, die Schaffung eines Freibetrags bei der Grunderwerbssteuer und Verbesserungen bei den Parkgebühren.

Der Souverän sind die Wähler

Gegen den Lärm auf den Straßen kämpft Wilhelm Schild. Der Beamte und Diplom-Verwaltungswirt wurde einstimmig zum Direktkandidaten der Ökologisch-Demokratischen Partei Mainz (ÖDP) gewählt. Als verkehrspolitischer Sprecher und Experte für Rente und Soziales stehen vor allem bezahlbarer Wohnraum und der Einsatz gegen Verschmutzung und Verkehrslärm auf seiner Agenda. Für eine erfolgreiche Politik brauche es zu grundlegenden Fragen Volksentscheide. „Nur so ist der Wähler der wirkliche Souverän“, so Schild.

Steuergelder den Bürgern

Auch die rheinlandpfälzische Piratenpartei will einen Sitz im Deutschen Bundestag ergattern. Dafür schicken sie ihren Direktkandidaten René Pickhardt ins Rennen. Der 31-jährige möchte sich vor allem für eine gerechtere Bildungspolitik und für mehr Transparenz und Bürgerpartizipation einsetzen. Sein Motto: „Was durch Steuern finanziert ist, muss auch den Bürgern gehören.“

von Lisa Winter