von Wolfgang Wenzel (Artikel aus der Mainzer Allgemeinen Zeitung)
Der Ortsbeirat Kostheim bleibt bei seiner Meinung: Die alten Kastanien in der Lesselallee auf der Maaraue sollen fallen. Mit der Mehrheit von CDU, FWG und FDP lehnte es das Gremium ab, sein im April auf Pro-Fällen ausgerichtetes Votum zu revidieren. Bei Stimmengleichheit mit sieben zu sieben Stimmen. Auch bei einer Sitzungsunterbrechung konnte kein Sinneswandel erzielt werden.
Die SPD-Fraktion hatte beantragt, den Beschluss für nichtig zu erklären. Er sei unter falschen Voraussetzungen zustande gekommen, sagte Jürgen Kreitmann (SPD). Zwei Wochen nach der Sitzung hätten die Fachämter im Rathaus dem Beirat ein Gutachten des Sachverständigen Roland Dengler zugänglich gemacht. Darin stehe in manchen Punkten das Gegenteil dessen, was die Fachämter zuvor behauptet hätten. Davon aber habe sich der Beirat leiten lassen. Im Gutachten stehe, dass die Verkehrssicherheit in der Lesselallee immer gewährleistet sei. Und dass die von der Stadt als „Top-Lösung“ für den Ersatz empfohlene Flatterulme eine wenig geeignete Baumart für die Maaraue sei. Nachgepflanzte Kastanienbäume in der 100-jährigen Allee hätten sich schließlich auch nicht schlecht entwickelt. Die SPD habe im April gegen ein Fällen gestimmt, weil ihr das Ganze suspekt vorgekommen sei, sagte ihr Fraktionschef Walter Losem.
Vertreter von FWG und CDU widersprachen. Michael Anspach (FWG) erinnerte, dass die Stadt auf sein Befragen 2008 Flatterulmen als prädestiniert für die Maaraue bezeichnet habe. Diese Baumart sei gegen Sporen von schädlichen Phytophtera-Pilzen, die bei Überschwemmung der Maaraue bis ins Wurzelwerk getragen würden, weitgehend resistent.
Auch beim sogenannten Ulmensterben nehme diese Baumart nur wenig Schaden. Außerdem habe der Ortsbeirat nicht über Flatterulmen abgestimmt, sondern über eine Erneuerung der Lesselallee, sagte Ortsvorsteher Stephan Lauer (CDU).
Viele Widersprüche
Die Stadt habe dem Ortsbeirat gesagt, dass diese Bäume auf der Maininsel lebensfähig seien: „Jetzt lesen wir im Gutachten, dass sie nicht lebensfähig sind“, sagte Jürgen Kreitmann (SPD). Andere Fachleute hätten dem Ortsbeirat erzählen wollen, dass sich nur Feldahorn und Hainbuche als Ersatz für die Kastanien eigneten, sagte Marion Mück-Raab (AUF). Es gebe „wahnsinnig viele Fragen“, die von den Fachämtern beantwortet werden müssten. 2008 habe die Auseinandersetzung begonnen. Damals sei der Ortsbeirat sogar in den Taunus „gekarrt“ worden, um sich einen Bestand an Eschen anzuschauen.
Alexander Gruber (SPD) verglich die Kontroverse um die Lesselallee mit der Auseinandersetzung um das Bowling Green vor dem Kurhaus. Auch dort sei der Eindruck entstanden, dass die alten Bäume weggekommen seien, um Pflegekosten zu sparen, die bei Neupflanzungen naturgemäß niedriger ausfielen. Unter dem Deckmantel des Arguments, eine bessere Optik zu erzielen, seien die Bäume gefällt worden. Für die Lesselallee in Kostheim gebe es vielleicht noch einen anderen Grund, sagte Walter Losem (SPD): Dass in „irgendeiner Baumschule“ noch 40 Flatterulmen herumstünden, die verbraucht werden müssten. Und der Ortsbeirat den „Schwarzen Peter“ für das Fällen der alten Kastanien zugeschoben bekomme, fügte Alexander Gruber (SPD) an.
Nach der Sitzung beschwerte sich die SPD in einer Stellungnahme über die Abstimmung. Für Sachargumente zeigten FDP, CDU und FWG kein Interesse. Hauptsache, die noch etliche Jahre lebenswerte Allee werde abgeholzt. Dass die Mehrheit im Ortsbeirat den Fachämtern „auf den Leim“ gehe, wundere im Hinblick auf eine „Obrigkeitshörigkeit“ der bürgerlichen Mehrheit nicht, heißt es in der SPD-Erklärung.
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Auch die SPD Mainz-Altstadt spricht sich gegen die von der Stadt Wiesbaden geplante Fällung von 74 alten Kastanien auf der Maaraue aus. Damit solidarisiert sie sich mit den Genossinnen und Genossen und großen Teilen der Bevölkerung in den Nachbarstadtteilen Mainz-Kostheim und Mainz-Kastel, die seit der Nachkriegszeit unter Wiesbadener Verwaltung stehen.
„Die Maaraue ist auch für die linksrheinischen Mainzerinnen und Mainzer ein wichtiges Erholungsgebiet.“ betont Jürgen Hoffmann, Sprecher der SPD im Ortsbeirat Altstadt. „Wir müssen helfen, dass die historische Kastanienallee erhalten bleibt. Klimaschutz und Artenschutz enden nicht an Verwaltungsgrenzen.“
„Alle Gutachter sind sich einig: Ein Großteil der Kastanien seien kerngesund und verkehrssicher. Umso absurder ist die Kahlschlagspolitik der Stadt Wiesbaden, die nun alle 74 Bäume fällen möchte.“ kritisiert auch Andreas Behringer, Mitglied im Mainzer Stadtrat, und unterstützt den Kompromis-Vorschlag des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND). Dieser empfiehlt vor allem baumpflegerische Maßnahmen, um die Verkehrssicherheit zu gewährleisten. Auch der von der Stadt Wiesbaden beauftragte Gutachter Roland Dengler befürworte diesen Vorschlag. Bereits auf der Bürgerversammlung am 31. Juli hatte er betont, dass er sich nie für eine komplette Fällung der Allee ausgesprochen habe.
„Der Wunsch der Bürgerinnen und Bürger ist so klar wie die Empfehlungen der Gutachter: kein Kahlschlag auf der Maaraue! Es wird Zeit, dass die Verwaltung im fernen Wiesbaden zuhört und lernt.“ fordert Behringer.