Artikel aus der Allgemeinen Zeitung von Carina Schmidt
Dass ein Ortsbeirat von seinem Vorschlagsrecht für Straßennamen in einem derart großen Stil Gebrauch machen kann, wonach ein ganzes Quartier mit 2.500 Einwohnern und 4.000 Arbeitsplätzen betroffen ist, kommt nicht oft vor. Beim Zollhafen ist das der Fall. Auch wenn der Stadtrat final erst bei seiner nächsten Sitzung am Dienstag, 4. Oktober, darüber abstimmt: Die Vorschläge des Ortsbeirats der Neustadt stehen – mit Ausnahme von vier Fällen, die nachgereicht werden müssen.
Wie Stadtpressesprecher Marc André Glöckner erklärt, ist der Ablauf bei einem solchen Verfahren folgendermaßen: „Das Vermessungsamt kontaktiert das Kulturamt, welche Straßen Namen bekommen sollen.“ Daraufhin bittet das Kulturamt den Ortsbeirat, ihm Vorschläge zu unterbreiten. Der wiederum gibt seine Empfehlungen zurück in die Verwaltung, wo sie geprüft werden. Die Liste wird dann dem Stadtvorstand vorgelegt, anschließend dem Kulturausschuss (an diesem Donnerstag, 8. September), zu guter Letzt wird darüber im Stadtrat entschieden.
Verbindung zur nördlichen Neustadt
Beim Namensfindungsprozess hatte der Ortsbeirat Unterstützung von der Zollhafen Mainz GmbH & Co. KG. „Die Investoren auf dem Gelände sind daran interessiert, so früh wie möglich zu wissen, welche Postadresse sie haben“, sagt Sprecher Peter Zantopp-Goldmann. „Deshalb sind wir als Ideengeber aktiv geworden.“ Wichtig sei der Zollhafen GmbH dabei gewesen, dem Ortsbeirat ein in sich homogenes Namenskonzept zu präsentieren.
Drei Ziele wurden dabei verfolgt. Erstens: Die Elemente sollten standortprägend, Mainz-typisch und authentisch sein. Zweitens: Die Adressbildung sollte den Anspruch des Quartiers reflektieren, dass es sich um ein hervorgehobenes und urbanes Wohn- und Arbeitsumfeld handelt. Drittens: Die Straßennamen sollten kurz, prägnant und allgemein verständlich sein.
„Dem Ortsbeirat war außerdem wichtig, die Verlängerungen der Straßen, die auf die Rheinallee münden, wie Kaiser-Karl-Ring und Mainstraße auf dem Zollhafengelände fortzusetzen“, berichtet Ortsvorsteher Johannes Klomann (SPD). „So wird eine Verbindung zur nördlichen Neustadt hergestellt.“ Auch der Bezug zur ehemaligen Funktion für die Berufsschifffahrt spielte eine tragende Rolle. Mainz liegt ziemlich genau in der Mitte zwischen den beiden Rhein-Städten Basel und Rotterdam, daher die Platzbenennung.
Vier Namen offen
Doch warum sind noch vier Namen offen? „Das hat unterschiedliche Gründe“, erklärt Stadtsprecher Glöckner. Nach der Prüfung der ersten Vorschläge habe die Verwaltung festgestellt, dass es in Bretzenheim eine Straße namens Küferweg und in der Neustadt eine Hafen- sowie Kreyßigstraße gebe. „Bei Küferhof, Hafenallee und Eduard-Kreyßig-Ufer würde daher eine zu große Verwechslungsgefahr bestehen“, führt er aus.
Dass der Platz vor der Kunsthalle nun doch nicht nach der Bildhauerin Inge Blum benannt werden soll, liegt daran, dass sie während der NS-Zeit aktiv war und damit vorbelastet ist, erklärt Glöckner: „Diese Information konnte das Stadtarchiv durch eine Regelabfrage beim Bundesarchiv in Erfahrung bringen.“
Beim Tony-Simon-Wolfskehl-Platz wurde dem Wunsch des Ortsbeirats entsprochen. Der ursprüngliche Vorschlag der Zollhafen Mainz GmbH & Co. KG war Lilly-Reich-Platz. „Tony Simon-Wolfskehl ist eine in Mainz geborene Architektin und die erste Bauhaus-Studentin, die als Jüdin noch mit großem Glück die Nazi-Zeit in Belgien überstehen konnte“, weiß Eva Weickart. Die Leiterin des Mainzer Frauenbüros hätte sich gewünscht, dass bei der Vergabe mehr weibliche Namen Berücksichtigung gefunden hätten. Tatsächlich gibt es in der Neustadt nur den Anna-Seghers-Platz vor der gleichnamigen Öffentlichen Bücherei, der 2002 nach einer Frau benannt wurde.