Manche Leser, oder einfach auch Menschen und Aktivisten wie Dieter Grünewald von der Interessengemeinschaft Mainzer City, schreiben uns, dass zu wenig gegen Müll in der Stadt unternommen würde. Während Corona gab es das Problem der überquellenden Mülleimer, da die Gastronomien nur togo in Behältnissen anboten. Aber auch bei spontanen Gelagen wie der Fastnacht auf dem Schillerplatz, dem Marktfrühstück ohne Genehmigung oder am Winterhafen quillt es naturgemäß immer wieder mal über.
Dies sind oder waren also teils Auswüchse der akuten Corona-Ära, die es den Offiziellen nicht erlaubte, ordentliche Events draußen umzusetzen inklusive Müll-Konzept & Co.. Doch auch außerhalb coronöser Zustände und sonstiger Leiden wird gerne mal der eine oder andere Abfall stehen oder liegen gelassen, was dem einen oder anderen dann ein Dorn bis Balken im Auge ist – zurecht. Grünewald wendete sich gar in einem offenen Brief an die Stadt und Parteienspitze von Mainz: „Sehr geehrter XY, diese Fotos habe ich am Sonntag, dem 27.3.22 um 8.30 Uhr bei meinem Spaziergang zum Rhein geschossen. Am Vorabend sah es in diesem Bereich noch viel abschreckender aus. Eine Schande für Mainz und ebenso für das Ordnungsamt: Trading down in höchster Potenz!!! […] chaotische Zustände. Ein gutes Beispiel dafür, dass in Mainz zunächst einmal solche Mängel abgestellt werden müssen, bevor Kunden und Gäste mit großem finanziellen Aufwand (Innenstadt- Impulse) in den Einkaufsund Erlebnisstandort Mainz gelockt und abgeschreckt werden, diesen so schnell nicht wieder aufzusuchen“. Aber auch sensor-Leser wie Tobias S. berichten uns: „Mainz ist ein Drecksloch! So hart, wie das klingt, und so schade, wie das ist, ist doch so viel Wahrheit dabei. Diese lebenswerte Stadt könnte noch so viel lebenswerter sein, hätte sie nicht dieses Müllproblem! Boppstraße: Laut und dreckig. Dies gilt leider für die komplette Neustadt. Besonders sonntags, wenn es keine Straßenreinigung gibt, ist es auffällig, wie Kaffeebecher, Zeitungen und McDonalds-Verpackungen bei Wind durch die Straßen wehen. Mülleimer quellen über, an vielen Stellen scheint seit Jahren keiner sauber gemacht zu haben. Bahnunterführung in Verlängerung zur Goethestraße: Müll ohne Ende. Bei der Goetheschule gibt es einen Grün- oder Baumstreifen, in dem sich alles vom Hundehaufen, über Kaffeebecher bis hin zu Injektionsspritzen ansammelt. Wo ist bei den Mainzern das Müll-Bewusstsein geblieben?“
Kein neues Phänomen
Auch für OB Ebling ist das kein neues Phänomen. Insbesondere beim Marktfrühstück treffe ein, was jedes Jahr passiere, wenn das Wetter die Menschen nach draußen locke: „Und wir werden reagieren, wie wir jedes Jahr reagieren“, nämlich mit größeren Mülleimern oder der Reaktivierung der Müllscouts. „Es gilt die Balance zu finden zwischen der Lust der Menschen aufs Marktfrühstück und dem Über-die- Stränge-Schlagen.“ „Grundsätzlich haben wir erst einmal keine Handhabe und auch keinen Grund, Treffen im öffentlichen Raum zu untersagen“, erklärt Ordnungsdezernentin Manuela Matz in der Allgemeinen Zeitung. Was aber gar nicht gehe, sei die exzessive Nutzung des Raumes. Besonders „das Abspielen von lautstarker Musik über Stunden hinweg und auch, dass sich die Menschen Tische und Bänke mitbringen“. Hier habe die Stadt rechtliche Möglichkeiten, das Ordnungsamt werde darum auch verstärkt unterwegs sein.
Eigeninitiative
Doch will man hierzulande nicht nur meckern, es gibt mittlerweile auch die eine oder andere Initiative, die Stadt von Abfall und Unrat zu befreien. Diesen Initiativen, ob „Dreck-weg-Tag“ oder „Rhine Clean-up“, schließen sich alljährlich immer wieder viele umweltbewusste Bürger an. Ein neuer Freundeskreis namens „Müllsammeln in Mainz“ um die Mainzer Physik- Studentin Athina Ntefidou trifft sich in regelmäßigen Abständen sogar das ganze Jahr über zum Müll-Sammeln. Auch über die Website von „Mainz im Wandel“, die für eine solidarische und nachhaltige Stadt wirbt, können die Aktiven diese Termine erfahren. Dort wird auch regelmäßig über abgeschlossene Einsätze der „Müllsammler“ berichtet. Ein weiterer wichtiger Aspekt sei Werbung und Aufklärung für ein sauberes Mainz – in der Hoffnung, Nachahmer zu finden.
Entlassungen beim Entsorgungsbetrieb?
Man könnte also meinen, dass aufgrund der Biontech-Kohle der Entsorgungsbetrieb (EB) von Mainz nun etwas aufgestockt wird. Doch erhofft sich das dummerweise fast jedes städtische Ressort, und ausgerechnet beim EB könnte noch weiter der Rotstift angesetzt werden. Für 2023 steht nämlich eine Gesetzesänderung an, nach der die Dienstleistung des EB für den Landkreis als umsatzsteuerpflichtig eingestuft wird. „Dadurch wird die bisherige Form der Kooperation aus Sicht des Landkreises wirtschaftlich nicht mehr darstellbar“, erklärt die Pressestelle der Stadt das Problem. Kurz: Die Leerung der Mülltonnen wird in Zukunft teurer, und der EB hat schon in der Vergangenheit weitere Aufträge – wie etwa die Glas- Entsorgung – an private Anbieter verloren. Es sieht also alles andere als rosig aus. Auch Köpfe (Mitarbeiter) könnten rollen und so das Müllproblem verschärfen. Die Verantwortlichen versuchen, „die Abfallsammlung in kommunaler Hand zu halten, die tariflichen und betrieblichen Regelungen beizubehalten und die Mitarbeiter der Abfallwirtschaft in kommunaler Beschäftigung zu halten“. Ohne eine Re-Strukturierung scheint das aber nicht abzugehen. Müll ahoi!
Text David Gutsche