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Mainz wird Kenia: BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU und SPD nehmen Koalitionsverhandlungen auf

Die Mitgliederversammlung von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der Kreisvorstand der CDU und der Unterbezirksvorstand der SPD haben am heutigen Abend beschlossen, in Koalitionsverhandlungen einzutreten. Als Hauptziele formulierten die künftigen Koalitionsparteien, dass sie anstreben, die Klimaziele von 2035 erreichen wollen und die Klimaresilienz vorantreiben, mehr bezahlbaren und sozialgeförderten Wohnraum schaffen und eine gemeinsame Entwicklung einer zukunftsfähigen Verkehrsführung erreichen wollen. Fundament für diese Aufgaben wird jedoch ein schwieriger Haushalt werden, den die Parteien im Herbst für das Jahr 2025 vorlegen müssen.

„Mainz ist eine der dynamischsten Städte Deutschlands. Wir wollen den Schwung mitnehmen, um den großen Herausforderungen, die auf unsere Stadt in den nächsten Jahren zukommen, gerecht zu werden. Um diesen Anforderungen gerecht zu werden, haben wir uns geeinigt, gemeinsam in Koalitionsverhandlungen einzutreten, um mit einer starken Mehrheit Mainz fit für die kommenden Jahre zu machen,“ erklärten die Vorsitzenden der Parteien Christin Sauer, Jonas König, Thomas Gerster, Jana Schmöller und Ata Delbasteh.

Als weitere gemeinsame Aufgaben nennen sie den Ausbau der Kitaversorgung und die Erfüllung des Rechtsanspruchs auf Ganztagsbetreuung in Grundschulen, die Verbesserung von Sicherheit und Sauberkeit in der der Stadt sowie die Schaffung von mehr Grün- und Naherholungsflächen.

„Wir werden gemeinsam dafür arbeiten, dass alle Menschen in Mainz nachhaltig, erfolgreich und sozial gerecht miteinander leben,“ erklärten die Parteivorsitzenden.

Verantwortlich handeln: Mainz dynamisch weiterentwickeln – Die Eckpunkte

● Mainz braucht einen soliden Haushalt. Dies erfordert auch eine Unterstützung durch Bund und Land. Denn zur Erfüllung ihrer Aufgaben brauchen die Kommunen auch die entsprechenden Ressourcen.

● Mainz muss bis 2030 die Klimaziele erreichen. Jede Entscheidung der Stadt muss vor diesem Hintergrund überprüft werden. Insbesondere die Förderung der Klimaresilienz durch mehr Grün und Wasser in der Stadt ist voranzutreiben.

● Mainz soll eine Stadt der Chancen sein. Deshalb wollen wir in Kitas und Schulen investieren, um Kindern einen bestmöglichen Start ins Leben zu ermöglichen und Familien zu entlasten. Wir wollen jetzt die Weichen stellen, um den Anspruch auf Ganztagsbetreuung in Grundschulen ab 2026 zu erfüllen.

● Mainz soll sich wirtschaftlich weiter dynamisch entwickeln. Dazu gehört ein attraktives Umfeld für Arbeitnehmer und Unternehmen gleichermaßen sowie eine lebendige Innenstadt. Die weitere Entwicklung von Mainz als Biotechnologiehub werden wir vorantreiben.

● Mainz soll für Besucher attraktiv und gut erreichbar sein. Die Menschen, die hier leben, sollen in ihrer Stadt zudem gut vorankommen, egal ob zu Fuß, mit dem Rad, dem Auto oder mit Bus und Straßenbahn. Dafür gilt es, weitere Maßnahmen im Sinne einer nachhaltigen Mobilität zu verwirklichen.

● Mainz soll eine Stadt für alle sein. Deshalb ist die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum und eine Perspektive für eine integrierte Stadtentwicklung wichtig.

● Mainz ist eine Stadt des sozialen Miteinanders. Deshalb wollen wir die soziale Gerechtigkeit in Mainz als Fundament unseres Zusammenlebens stärken.

● Mainz soll sicherer und die Innenstadt sowie die Ortsteile sauberer werden.

● Mainz braucht mehr Naherholungs- und Grünflächen sowie Möglichkeiten für sportliche Aktivitäten für alle Generationen. Wir wollen deshalb Schritte zur Realisierung eines 2. Grüngürtels rund um Mainz gehen.

● Mainz soll auch in Zukunft krisenfest sein. Dafür braucht es einen zeitgemäßen Katastrophenschutz und eine gut aufgestellte Blaulichtfamilie.

● Mainz braucht Raum für Kultur. Wir stehen für Kultur in ihrer Vielfalt vom Staatstheater über die Brauchtumspflege bis hin zur Soziokultur.

● Mainz soll sich in seiner Vielfalt entwickeln können. Die Bedürfnisse der Menschen in den unterschiedlichen Stadtteilen sollen unsere Richtschnur sein.

Diese und weitere Ziele wollen wir gemeinsam in den nächsten Wochen und Monaten konkretisieren und in Maßnahmen für die zukünftige Entwicklung von Mainz übersetzen. Mit einem stabilen Bündnis wollen wir für die Mainzer eine verlässliche und zukunftsorientierte Politik umsetzen, heißt es in einem Eckpunkte-Papier.

Bei den Grünen fiel der Beschluss auf einer Mitgliederversammlung, bei CDU und SPD reichten die Beschlüsse der Parteivorstände. In der Versammlung der Grünen wurde nach vielen Diskussion der entsprechende Vorschlag des Kreisvorstands mit Gegenstimmen angenommen.

Damit verfügt die Kenia-Koalition zwar über viel Kompromiss-Material, aber auch eine komfortable Mehrheit von 41 der 60 Sitze. Dies wird insbesondere nochmal spannend, weil in den nächsten Jahren auch fast alle Dezernenten-Posten von Mainz auf dem Tapet stehen. Viele Entwicklungen also – nicht nur für die Presse – sind zu erwarten.

Ein Kommentar dazu von Martin Malcherek (Die Linken):

Mainz hat gewählt. Die Ampel hat keine Basis mehr. Eine Mehrheit des fortschrittlichen Lagers wäre möglich, wird aber von Rot-Grün nicht gesucht. Ob sich Volt mit der Absage an Koalitionsverhandlungen einen Gefallen getan hat, bleibt abzuwarten. Sicher ist: Eine Mehrheit wäre auch ohne Volt möglich. Grüne, SPD und Linke kommen auf 31 von 60 Stimmen. Zudem hat Volt große inhaltliche Übereinstimmungen mit den Parteien des fortschrittlichen Lagers. Es ist also damit zu rechnen, dass von dort weitere Stimmen kommen, wenn Anträge abgestimmt werden.

Dass Rot-Grün den Koalitionspartner tauschen und die FDP durch die CDU ersetzen will, ist ein Schritt rückwärts. SPD und Grüne müssen den Bürgern erst einmal erklären, wie sie ihre Wahlversprechen umsetzen wollen, wenn statt den Liberalen nun die Konservativen mitregieren sollen. Schon die mit vier Stimmen schwache FDP war bisher der Bremsklotz für die klassischen rot-grünen Themen, eine starke CDU wird nicht als Turbo auftreten.

Die Ampel hat die Quittung für die letzten fünf Jahre bekommen: Die Grünen haben zwei Sitze verloren, die SPD einen Prozentpunkt. Die SPD hält ihre 12 Sitze, geht aber dennoch als Juniorpartner  in die Koalitionsverhandlungen. Die SPD musste nach jahrzehntelanger Dominanz den Oberbürgermeisterposten räumen. Dass sie sich nun hinter CDU und Grünen einreihen muss, ist kein schleichender Bedeutungsverlust, sondern eine Erosion.

Mainz ist hinsichtlich der AfD mit einem  blauen Auge davon gekommen: Der Ampelfrust hat sich weniger stark entladen als zu befürchten war. Zufrieden sind die Bürger aber trotzdem nicht. Das schwache Abschneiden der AfD liegt auch daran, dass Die Linke zugelegt hat und nun viertstärkste Kraft im Stadtrat ist. Unsere harte, faire und immer sachorientierte Oppositionsarbeit wurde belohnt. Die richtige Konsequenz wäre, Die Linke in  Koalitionsverhandlungen einzubinden, um einen Politikwechsel herbeizuführen. Die Ampel nun in eine ganz große Koalition umzuwandeln, könnte weiteres Wasser auf die Mühlen der AfD sein.

Rot-Rot-Grün ist bis zu einem eventuellen Scheitern der beschlossenen Koalitionsverhandlungen nun kein Thema mehr, obwohl das weltoffene Mainz dafür prädestiniert wäre. Die Linke hat immer signalisiert: Wir sind bereit, Verantwortung zu übernehmen. Wir haben unsere Bereitschaft zu Koalitionsverhandlungen klar formuliert und keine roten Linien gezogen, die Gespräche unmöglich gemacht hätten. Wenn die nächste Amtszeit des Stadtrates wieder von halbherzigen Entscheidungen, steigenden Mieten, weniger Bäumen und weiterhin fehlenden Radwegen geprägt ist – an uns liegt es nicht. Es liegt an den Grünen, die keine fortschrittliche Koalition wollen und an der SPD, die mit ihrer Personalpolitik das Argument der instabilen Mehrheit liefert. Falls die Koalitionsverhandlungen scheitern: Wir sind bereit. Für ein soziales und buntes Mainz.

AfD-Fraktionsvorsitzender Arne Kuster zur Kenia-Koalition:

„In der Kenia-Koalition kommt ein bunter Haufen zusammen. Ich traue einer solchen Koalition nicht zu, die wichtigen Probleme in Mainz zu lösen: Haushaltsdefizit, Verkehrschaos, Wohnungsmisere. Bezeichnend ist, dass in den ersten Pressemeldungen das Koalitionsziel, bis 2035 klimaneutral zu werden, ganz nach oben gestellt wird. Dieses Ziel ist nicht nur vollkommen unrealistisch, sondern auch unsinnig. Wie Rot-Grün auf der einen Seite und die CDU auf der anderen Seite in Fragen zusammen kommen wollen, in denen sie bisher völlig gegensätzliche Positionen hatten, ist mir zudem schleierhaft. Ich denke beispielsweise  an die von Rot-Grün gewollte Milieusatzung oder die von Rot-Grün forcierten weiteren Schritte zu einer autofreien Innenstadt. Was die Kenia-Koalition wohl hauptsächlich zusammenführt, ist, dass es in der aktuellen Wahlperiode 5 Dezernentenposten neu zu besetzen gilt. Zumindest wird der nächste Mainzer Rosenmontagszug durch einen Kenia-Mottowagen noch bunter.“

ÖDP: Frischer Wind mit Grün-Schwarz-Rot oder alles wie gehabt?

Im Nachgang hat der Kreisvorstand der Mainzer ÖDP die Fraktionsgruppe der ÖDP-Stadtratsfraktion zusammengestellt. Diese Gruppe berät die beiden Stadtratsmitglieder Dr. Claudius Moseler und Dagmar Wolf-Rammensee bei ihrer Arbeit im Stadtrat, in den Ausschüssen und bei den Fraktionssitzungen.

In neuer Funktion gehört dieser Gruppe der Marienborner Unternehmensberater Lars Weber als Fraktionsreferent für Kommunikation und Information an. Dadurch möchte die Fraktion die Kommunikation mit den Bürgern verbessern und intensivieren. Ferner wurden Laura Buhrow (Ortsbeiratsmitglied Finthen), Christiane Drescher (Ortsbeiratsmitglied Altstadt), Ulrich Frings (Ortsbeiratsmitglied Laubenheim), Maren Goschke, Prof. Dr. Felix Leinen, Ingrid Pannhorst, Dr. Peter Schenk (Ortsbeiratsmitglied Bretzenheim) Kai Schütz (Ortbeiratsmitglied Hechtsheim), Dr. Gitta Weber (Ortsbeiratsmitglied Weisenau) sowie Klaus Wilhelm gewählt. Die Ausschuss- und Sprecherfunktionen sollen allerdings erst nach den Sommerferien festgelegt werden. Fraktionsgeschäftsführerin bleibt Rebecca Möhle.

„Damit haben wir uns für die bevorstehenden Debatten und Auseinandersetzungen mit der zu erwartenden Koalition aus Grünen, CDU und SPD im Stadtrat personell stark aufgestellt“, so Fraktionsvorsitzender Dr. Claudius Moseler. „Diese übergroße Koalition wird mit ihrer Mehrheit (41 von 60 Stadträten) nicht auf die Stimmen der restlichen Parteien angewiesen sein. Wünschenswert wäre eine konstruktive Politik im Sinne der Mainzer Bürger. Auch ein sachlicher Umgang mit den Anträgen der restlichen demokratischen Parteien im Stadtrat wird ein Prüfstein für diese neue Koalition sein. Reflexartiges Ablehnen von guten Vorschlägen, Rücktrittsforderungen von Dezernenten und Polemik sollten einfach weglassen werden. Wir dürfen gespannt sein, wie sich diese neue übergroße Koalition verhält.“

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