Artikel aus der Allgemeinen Zeitung von Reinhard Rehberg:
Ein Jahr ist es nun her, dass Christian Heidel seine Veränderungsgedanken dem 05-Präsidenten Harald Strutz vertraulich eröffnet hat. Seit zwei Wochen ist der bisherige Mainzer Manager nun der starke Mann beim FC Schalke 04. Was ist in dieser langen Zeit von mehr als zwölf Monaten am Bruchweg passiert? Mir Rouven Schröder ist ein neuer Sportdirektor eingestellt worden. Ansonsten? Nichts. Außer Planungen hinter verschlossenen Türen. Ergebnisse? Keine. Stopp, das stimmt nicht ganz.
Ein Datum steht: Am 19. Juni wird ein vom Altvorstand legitimiertes Gremium den Vereinsmitgliedern und auch interessierten Nichtmitgliedern mögliche Modelle für eine Neustrukturierung der Vereinsführung nebst der dafür nötigen Satzungsreform zur Diskussion vorlegen. Die Einladung dazu ist gestern rausgegangen.
Beteiligung des Wahlvolks an Entscheidungsprozessen, das ist nett. Vordergründig. Hinter den Kulissen geht es um etwas ganz anderes. Das Prozedere und die Modellkonzeptionen lassen sich auf diese beiden Fragen reduzieren:
1. Auf welchem Pfad schafft es Harald Strutz in sein Wunschamt?
2. Wie viel wird der jetzt schon sehr ordentlich honorierte ehrenamtliche Präsident künftig verdienen?
Natürlich streckt keiner aus dem Strukturfindungs-Gremium aktuell seinen Kopf aus dem Fenster. Aber es gibt Quellen. Eine davon ist Harald Strutz selbst. Der Präsident, der theatralisch angekündigt hat, seine Zukunft in die Hände der Mitglieder legen zu wollen (Wir werden beobachten, in welchem Wahlmodell diese Variante auftaucht…), befindet sich längst auf Wahlkampftour. Er sammelt Stimmen für einen Plan, zu dem er sich öffentlich noch gar nicht bekannt hat. Und einige dieser Stimmen beginnen den Medien Inhalte zu flüstern. Die besagen: Der seit 1988 amtierende Vereinspräsident will in der neuen Organisationsaufstellung Vorsitzender eines drei- bis vierköpfigen hauptamtlichen Vorstandes werden – und das mit einem Gehalt von rund einer Million Euro pro Jahr. Da werden inzwischen selbst alte Weggefährten und Vertraute des Präsidenten nervös.
In der Öffentlichkeitsarbeit einen guten Job gemacht
Das hat Gründe. In der Öffentlichkeitsarbeit hat Harald Strutz einen guten Job gemacht. Der 65-Jährige ist der Außenminister, der zu den weichen Themen Stellung nimmt. Ein Ressort arbeitet der einstige Rechtsanwalt nicht ab. In die Tagesarbeit, in das sogenannte operative Geschäft war der Präsident nie eingebunden. Das haben Heidel, die vier Geschäftsführer und deren Mitarbeiter erledigt. Innere Führung? Das war die Aufgabe des fest angestellten Managers. Spielerverträge? Auch das erledigte der Manager. Obwohl Strutz neben seiner Aufwandsentschädigung von 9.000 Euro im Monat auch noch 14.000 Euro pro Monat kassiert für „permanente juristische Beratung“, ist nach dem Dienstantritt von Schröder eine Mainzer Kanzlei, deren Chef Mitglied im 05-VIP-Club ist, damit beauftragt worden, künftig die Profikontrakte juristisch zu überprüfen und abzusegnen. Auf Honorarbasis. Wenn man so will, zahlt der Klub doppelt für so manche juristische Dienstleistung. Denn auch den komplexen Vertrag mit dem Vermarktungspartner Infront hat besagte Kanzlei bearbeitet.
Auf welcher fachlichen Grundlage der Präsident nun für sich in Anspruch nimmt, nach 28 Jahren als Klubrepräsentant plötzlich der hoch dotierte Stratege und Chef des Tagesgeschäfts in diesem Fußballunternehmen mit 100 Millionen Umsatz werden zu wollen, das erschließt sich in diesem Klub nahezu niemandem. Zumal eine tägliche kurzzeitige Anwesenheit des Präsidenten auf der 05-Geschäftsstelle erst wahrgenommen wird, seit sich Strutz auf Wahlkampftour befindet. Bis dahin war der Präsident eher bekannt dafür, seinen Nebentätigkeiten (DFB-Vize, DFL-Vize, Stadtrat, Stadtwerke, LSB) nachzugehen und die schönsten Strände und die schönsten Skigebiete auf diesem Erdball zu erkunden. Diese Kritik ist Strutz natürlich auch schon zu Ohren gekommen. Das sei eine Neiddebatte, sagt er. Ein schwaches Argument.
Mehr Anerkennung, mehr Geld?
Chef des in Planung befindlichen Aufsichtsrats, diese Rolle würde zum Präsidenten passen. Oberster Aufseher. Und wie bisher Außenminister, Moderator, Repräsentant – als das bundesweit bekannte Gesicht des Klubs in der Nach-Heidel-Zeit. Ein Ehrenamtsposten. Dotiert mit einer Aufwandsentschädigung von 5.000 bis 8.000 Euro im Monat. Diese Idee kursiert bei dem ein oder anderen Mitglied aus der – dem Präsidenten insgesamt eher wohl gesonnenen – Strukturfindungs-Kommission. Aber, so ist zu vernehmen: Das ist Strutz zu wenig. Der Präsident pocht darauf, dass er nach 28 Jahren im Amt auf der letzten Wegstrecke seines öffentlichkeitswirksamen Schaffens mehr Anerkennung verdient hat. Und das soll sich in Zahlen ausdrücken.
Aber muss der Klub einen verdienten Funktionär ohne Fachressort zum Vorstandsmanager küren, nur damit dessen gehobener Lebensstandard gesichert bleibt? Im Wirtschaftsleben würde auch keine ausschließlich repräsentativ wirkende Persönlichkeit nur wegen langer Firmenzugehörigkeit auf ein Spitzengehaltsniveau gehievt. Überspitzt formuliert: Da bewirbt sich ein im Geschäftsleben als Berufsanfänger zu bezeichnender 65-Jähriger für den Spitzenjob im Unternehmensmanagement. Respekt. Das gibt es nur in dem mit bunten Girlanden verzierten Zirkus „Profifußball“.
Debatte um Struktur läuft nicht
Mehr als ein Jahr hatten Harald Strutz und sein Wahlkampfmanager Jürgen Doetz nun Zeit, diese unbequeme – von den alt gedienten 05-Führungskräften natürlich als unfair bis ungerecht empfundene – Debatte erst gar nicht aufkochen zu lassen. Nun ist es zu spät. Der Präsident hat es versäumt, unabhängig von persönlichen Ambitionen konsequent Führung vorzuleben und eine offene inhaltliche Diskussion anzuschieben: Was braucht dieser Verein in der Nach-Heidel-Zeit – und welche Fachleute stehen zur Verfügung? Diese jetzt (viel zu spät) angezettelte Strukturdiskussion ist sicher notwendig. Auf der Personalebene ist das aber nicht mehr als Verschleierungspolitik. Werfen mit Nebelkerzen.
Sportdirektor Rouven Schröder sowie die vier Geschäftsführer und deren Mitarbeiter sind aktuell Herz und Motor dieses Vereins. Der Klub muss für die anerkannten Fachminister, die den Bundesligakader planen, die Spieler kaufen und verkaufen, die das Finanzwesen im Griff haben, die Werbepartner anheuern, Marketingverträge abschließen und das Geld reinholen, die das aufgeregte Medienbusiness regeln, die tagtäglich Entscheidungen zu treffen haben und die dafür eine 50- bis 60-Stunden-Woche abreißen, verantwortliche Ressortposten schaffen: Sport, Finanzen, Marketing und Kommunikation/Medien.
Und wenn dieses vom Aufsichtsrat kontrollierte Entscheidergremium zusätzlich einen Anführer benötigen sollte, dann müsste diese Kraft ebenso arbeitswütig wie fachkundig sein und auch Erfahrung haben im Büroalltag. Führungsqualität wäre eine Grundbedingung. Und eine Million Euro im Jahr würde dieser Mann definitiv nicht verdienen. Die schnappt nicht einmal der für den großen sportlichen Erfolg zuständige Cheftrainer Martin Schmidt. Und auch nicht der sportliche Chefplaner Rouven Schröder. Bei weitem nicht.
Foto: Harald Strutz