Nach zwei Jahren Konjunkturflaute ist die Stimmung der Unternehmen zum Jahresbeginn 2025 weiter gesunken. Das zeigen die Ergebnisse der Konjunkturumfrage der Industrie- und Handelskammer für Rheinhessen: Der Konjunkturklimaindex, Gradmesser für die wirtschaftliche Entwicklung, rutscht von 101 Punkten im Herbst 2024 auf jetzt 94 Punkte und damit deutlich unter die Wachstumsschwelle von 100 Punkten.
„Regierungswechsel in Deutschland und den USA, drohende Exportzölle und die weiterhin schwierige geopolitische Situation – die Lage der Wirtschaft ist weiterhin von vielen Unsicherheiten geprägt, und das schlägt sich auch in unserer Region nieder“, stellt IHK-Präsident Dr. Marcus Walden fest. „Das Vertrauen in verlässliche wirtschaftspolitische Konzepte ist auf einem Tiefpunkt angelangt, die Zuversicht ist schwächer geworden – und das sogar im eigentlich sehr krisenresistenten und optimistischen Rheinhessen.“ IHK-Hauptgeschäftsführerin Karina Szwede macht deutlich: „Die Unternehmen erwarten nach der Wahl eine schnelle Regierungsbildung und rasche Weichenstellungen, um die Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandortes zu erhöhen und die Wirtschaftskrise zu überwinden.“
Verschlechterung der Geschäftslage und der Erwartungen
Die aktuelle Geschäftslage wird von den befragten rheinhessischen Unternehmen im Vergleich zum Herbst 2024 schlechter bewertet: 31 Prozent verzeichnen aktuell gute Ergebnisse, 44 Prozent melden eine befriedigende Geschäftslage und 25 Prozent beurteilen ihre wirtschaftliche Lage als schlecht. Auch bei der Einschätzung der Geschäftsaussichten für die kommenden zwölf Monate sind die Unternehmen pessimistisch: Nur 14 Prozent rechnen mit einer besseren Lage, 54 Prozent erwarten gleichbleibende Geschäfte und 32 Prozent befürchten einen Rückgang.
Unternehmen sind mit Investitionen zurückhaltend
Die weiterhin zurückhaltende Investitionsbereitschaft der Betriebe gibt kein positives Signal für die zukünftige wirtschaftliche Entwicklung. Zwar planen 25 Prozent der Unternehmen steigende Investitionen und 46 Prozent gehen von einem gleichbleibenden Volumen aus, aber 29 Prozent wollen ihre Investitionen zurückfahren. Alarmierend ist aus Sicht der IHK auch, dass die Innovationskraft abnimmt: Nur noch 29 Prozent der Betriebe investieren in Produktinnovationen, 19 Prozent in den Umweltschutz und 18 Prozent in Kapazitätserweiterungen. 69 Prozent der Betriebe nennen hingegen als Investitionsmotiv Ersatzbeschaffungen und 38 Prozent Rationalisierungen.
Wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen mit Abstand größtes Risiko
Die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen stellen für die rheinhessischen Unternehmen weiterhin mit Abstand den größten Risikofaktor dar: Mit 65 Prozent der Nennungen führen sie die Liste der Herausforderungen an, bei den Industriebetrieben sehen sogar 78 Prozent hier dringenden Handlungsbedarf seitens der Politik. Weitere erhebliche Risiken sehen die Unternehmen in den hohen Energie- und Rohstoffpreisen (54 Prozent), Arbeitskosten (52 Prozent), im Fachkräftemangel (51 Prozent) und der Inlandsnachfrage (50 Prozent). Es folgen die Auswirkungen des Ukraine-Kriegs (18 Prozent), die Finanzierung (12 Prozent) und die Auslandsnachfrage (10 Prozent).
Exportorientierte Industrie im internationalen Wettbewerbsnachteil
Die stark exportorientierte Industrie als Motor der regionalen Wirtschaft sieht sich weiterhin mit den wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen, hohen Energie- und Rohstoffpreisen, Arbeitskosten und dem Fachkräftemangel im internationalen Wettbewerbsnachteil. 30 Prozent der Industriebetriebe verbuchen aktuell eine gute Geschäftslage, 37 Prozent eine befriedigende Situation und sogar 33 Prozent eine schlechte Lage – ein Beleg dafür, wie stark die Industrie unter Druck ist. Der Blick auf die erwartete Entwicklung für die kommenden 12 Monate ist ebenfalls getrübt: Nur 12 Prozent kalkulieren mit besseren Geschäften, 62 Prozent mit einer gleichbleibenden Lage und 26 Prozent befürchten eine Verschlechterung. Die Exporterwartungen der Industriebetriebe stagnieren: 12 Prozent rechnen mit höheren Exporten, 79 Prozent erwarten keine Veränderungen und 9 Prozent erwarten einen Rückgang.
Konsumflaute schwächt Einzel- und Großhandelsunternehmen
Mit einem Geschäftsklimaindex von 83 Punkten erreicht der Handel den niedrigsten Wert im Branchenvergleich. Die aktuelle Geschäftslage beurteilen 20 Prozent der Einzel- und Großhändler mit „gut“, 56 Prozent melden eine befriedigende Situation und 24 Prozent müssen eine schlechte Lage verkraften. Hoffnung auf eine Verbesserung der Geschäfte in den kommenden 12 Monaten gibt es nicht: Nur 8 Prozent rechnen mit einer besseren Entwicklung, 56 Prozent gehen von einer gleichbleibenden Lage aus und 36 Prozent befürchten eine Verschlechterung.
Dienstleister mit dem besten Ergebnis aller Branchen
Die Unternehmen aus dem Dienstleistungssektor erzielen mit einem Klimaindex von 100 Punkten das beste Ergebnis aller Branchen. 38 Prozent der Betriebe melden aktuell eine gute Geschäftslage, 44 Prozent verzeichnen eine befriedigende Situation und 18 Prozent berichten von einer schlechten Lage. Die negative Geschäftsentwicklung der anderen Branchen wirkt sich allerdings auch auf die Dienstleister aus: Für die kommenden zwölf Monate erwarten 18 Prozent bessere Geschäfte, 47 Prozent rechnen mit keiner Veränderung und 35 Prozent befürchten einen Auftragsrückgang.
Gastgewerbe verzeichnet saisonbedingt einen Rückgang
Zum Jahresanfang war saisonbedingt ein Rückgang im Gastgewerbe zu erwarten, der sich auch in den Ergebnissen widerspiegelt: 28 Prozent der Betriebe bewerten die aktuelle Lage als gut, 36 Prozent sind mit der Situation zufrieden und 36 Prozent melden eine schlechte Geschäftslage zurück. Für die kommenden zwölf Monate erwarten 18 Prozent eine bessere Lage, 64 Prozent rechnen mit keiner Veränderung und 18 Prozent kalkulieren mit einer schlechteren Entwicklung.
Im Rahmen der repräsentativen IHK-Konjunkturumfrage zum Jahresbeginn 2025 wurden zwischen dem 16. Dezember 2024 und 17. Januar 2025 insgesamt 775 Unternehmen aller Größen und Branchen in Rheinhessen befragt.