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Ein dreifach donnerndes: Oh Nein! – Interview mit einem Fastnachts-Verweigerer

Henrik ist bekennender Fastnachtverweigerer. Seit fünf Semestern studiert er in der Narrenhochburg Publizistik und Soziologie. Den Rosenmontagszug hat er seitdem immer erfolgreich vermieden. In den Genuss der Fastnacht kam er zuletzt in der vierten Klasse. Sein Kostüm dabei war: Landwirt – mit Plastikschwein. Krankenschwestern und Cowboys findet er ziemlich doof. Und wenn die Narren dann noch lauthals zum Fastnachtsschlager „Wahnsinn“ von Wolfgang Petry mitgrölen, scheint für ihn die Katastrophe perfekt.

Hallo Henrik. Was bedeutet Fastnacht für Dich?

Erstmal heißt Fastnacht bei mir zuhause Fasching. Und für mich fällt unter diesen Begriff vor allem Kinderfasching. Davon mal abgesehen, dass ich mich als Kind nur schwer dagegen wehren konnte, habe ich es eher als eine schöne und witzige Angelegenheit empfunden. In der Grundschule haben wir uns an Faschingsdienstag auch immer verkleidet und sind für drei Stunden zum Süßigkeiten essen in die Schule gekommen. Da bin ich auch mal in die Rolle eines Landwirts oder Komponisten geschlüpft.

Was gefällt Dir denn an Fastnacht nicht (mehr)?

Das Grundkonzept überzeugt mich nicht. Die laute Musik, die Menschenmengen – das ist mir zu viel Trubel. Einer Dänin sollte ich mal erklären, was Fastnacht ist und warum wir das hier so groß feiern. Da musste ich selbst die Hintergründe recherchieren. In einem Wikipedia-Artikel habe ich dann gelesen, dass das Fest auch kirchlichen Ursprung hat und bis ins 13. Jahrhundert zurückgeht. Aber eigentlich weiß kaum jemand, warum Fastnacht gefeiert wird. Der traditionelle Ursprung ist meiner Meinung nach komplett verloren gegangen. Die meisten Leute wissen gar nicht, was sie feiern – und das liegt nicht nur am Alkoholkonsum. Außer der Geselligkeit hat Fastnacht daher für mich nicht viel Mehrwert.

Also ist Fastnacht für Dich ziemlich sinnlos.

Laute Musik und exzessiver Alkoholkonsum sind generell nicht meins. Dennoch kann ich dem Ganzen auch etwas Positives abgewinnen. Die Leidenschaft der Menschen, sich ein ganzes Jahr über größtenteils ehrenamtlich zu engagieren, um dann eine Bühnenshow auf die Beine zu stellen, finde ich beeindruckend. Auch die Wagengestaltung und aufwendig geschneiderte Kostüme zeugen von viel Kreativität und sind ganz und gar nicht stumpfsinnig. Zudem ist es gut, dass dadurch wichtige politische Satire auf die Straße gebracht wird. Das kann man nicht in jedem Land machen.

Wie verbringst Du die Narrenzeit?

Ich treffe mich mit Freunden, die mit dieser Tradition auch nicht viel anfangen können. Wenn man nicht feiern will, kann man dem Ganzen auch gut aus dem Weg gehen. Ich habe mich noch nie absetzen oder die Stadt verlassen müssen.

Erlebst Du denn Diskriminierung oder Ausgrenzung als Fastnachtsverweigerer?

Nein, bisher habe ich mich noch nie als Außenseiter gefühlt. Dafür leben in Mainz aber auch zu viele Zugezogene, die ebenfalls keine Fastnacht feiern. Natürlich ist es ein Fest, das polarisiert: Entweder du liebst es, oder du hasst es. Aber ich habe zum Glück viele Freunde, die da ähnlich positioniert sind wie ich.

Rosenmontag ist hier Feiertag: Völlig gerechtfertigt oder total unnötig – was denkst Du?

Mittlerweile hat Rosenmontag einen so hohen Stellenwert, diesen Feiertag kann ich und will ich den Mainzern nicht wegnehmen. Die ganze Stadt ist darauf ausgerichtet, dass gefeiert wird. Die Narrenzeit hat eine lange Tradition, dass gönne ich den Mainzern. Außerdem habe ich ja dann auch frei.

Wie würdest Du das, was an Fastnacht in der Stadt passiert, beschreiben?

Viele Menschen, die nicht genau wissen warum sie da sind, haben es sich zur Tradition gemacht, an kalten Tagen den Körper mit viel Alkohol von innen zu wärmen, Kostüme zu tragen und laut irgendetwas zu rufen, das in schrecklicher Musik untergeht.

Interview Lisa Winter Foto Jonas Otte