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Diskussion um Fahrrad-Piktogramme

Der Landesbetrieb Mobilität (LBM) in Koblenz fordert die Stadt Koblenz dazu auf, die Fahrrad-Piktogramme von den Straßen wieder zu entfernen. Es handele sich hierbei um keine „echten“ Verkehrsschilder, die Piktogramme seien nicht in der Straßenverkehrsordnung eingetragen und führten zu einer erhöhten Unfallquote. Die Stadt Mainz reagiert bisher nicht, die CDU übt nun Kritik daran.

Nur der Bund habe die Befugnis, die Straßenverkehrsordnung so zu ändern, dass Piktogramme künftig darin enthalten sind, so der LBM. Das sei bislang nicht geschehen, also könne man in Koblenz jetzt nicht anders entscheiden, als die Entfernung der weißen Abbildungen zu fordern.

In Mainz hatten die Piktogramme 2017 sogar den „Deutschen Fahrradpreis“ in der Kategorie Infrastruktur gewonnen. Allerdings gab es schon damals den Hinweis, dass die Abbildungen „nicht in Einklang mit der Straßenverkehrsordnung“ stehen. Los ging es damit unter der ehemaligen Verkehrsdezernentin Katrin Eder. Nun führt Janine Steinkrüger diese Politik fort, indem die Benutzungspflicht vieler Radwege aufgehoben wurde. Hier kommt es immer wieder zu Irritationen, bis hin zu Unfällen, wie die polizeiliche Unfallstatistik verweist. Steinkrüger in der Allgemeinen Zeitung: Die Piktogramme helfen, bestimmte Verkehrssituationen zu verdeutlichen und „das gemeinsame Miteinander auf der Fahrbahn einvernehmlich“ zu gestalten. „Eine Anordnung durch Verkehrszeichen sehe ich hierin nicht. Mit den Piktogrammen werden weder Beschränkungen und Verbote des fließenden Verkehrs angeordnet, noch werden Anordnungen durch Verkehrszeichen getroffen“. Der Begründung des LBM, Autofahrer könnten annehmen, dass sie überall dort, wo keine Piktogramme aufgebracht sind, auch nicht mit Radfahrern zu rechnen haben, kann sie nicht folgen. Dafür sei die Zahl der Mainzer Verkehrsachsen, auf denen solche Piktogramme aufgebracht sind, zu gering.

CDU: rechtswidrig und gefährlich
Auch die CDU fordert nun die Entfernung der Piktogramme und Sanierung der Radwege: So sehe die Straßenverkehrsordnung zwar schon lange vor, dass Radfahrer die freie Wahl zwischen dem Radweg und der Straße haben, der explizite Hinweis, ist hingegen nicht in der StVO vorgesehen. Der verkehrspolitische Sprecher der CDU-Stadtratsfraktion Thomas Gerster: „Wir fordern die Verkehrsdezernentin jetzt dazu auf, zügig rechtmäßige Zustände auf den Mainzer Straßen herzustellen. Die Aussagen des Landesbetriebs Mobilität zeigen, dass die schon seit Jahren von der CDU geäußerte Kritik vollends berechtigt ist.
„In erster Linie hätte die damalige Verkehrsdezernentin Eder diese Maßnahme aufgrund der fehlenden Entsprechung in der Straßenverkehrsordnung nicht durchführen dürfen, darüber hinaus ist dieser als Pilotprojekt kaschierte Versuch, ideologische Verkehrspolitik durchzusetzen aber auch rein inhaltlich gescheitert, da er nicht die Sicherheit der Radfahrer erhöht, sondern sogar mindert.“, kritisiert Gerster. „Wenn die Verkehrsdezernentin nun trotz eindeutiger Aufforderung, nicht bereit ist, die Piktogramme zu entfernen und die Fahrradfahrer weiter als Bremsklötze der Autofahrer sieht, muss sie konsequenterweise von ihrem Posten zurücktreten.“, so Gerster. Der Vorsitzende der CDU-Stadtratsfraktion Ludwig Holle ergänzt: „Es ist gut, dass jetzt Klarheit in dieser Sache herrscht. Die Stadt sollte nun die Forderungen der zuständigen Landesbehörde umsetzen und so für die Sicherheit der Radfahrer sorgen.“ „Es bleibt zu hoffen, dass die Stadtverwaltung ein Konzept für die Radwege und deren Sanierungen umsetzt, das den Radverkehr sicher, attraktiv und verständlich macht.“

Grüne: Piktogrammkette ist ein Erfolg
David Nierhoff, Verkehrspolitischer Sprecher der Grünen im Stadtrat, dementiert: „Die Piktogramme, welche Mainz seit einigen Jahren erfolgreich im Straßenraum einsetzt werden, sorgen für Klarheit und mehr Sicherheit. Insbesondere auf Strecken wo es nicht mehr benutzungspflichtige Radwege gibt, kommt es häufig zu Konflikten mit Autofahrern, die Radfahrer zur Nutzung des vermeintlichen Radweges nötigen wollen, obwohl die Radfahrer die Fahrbahn regelkonform benutzen dürfen. Die Piktogramme visualisieren auf einfache Weise, dass die Fahrbahn auch von Radfahreren genutzt werden darf. Die Erfahrung der letzten Jahre zeigt die positive Wirkung und auch die wissenschaftliche Studie der Universität Wuppertal und der TU Dresden belegen den positiven Effekt von Piktogrammketten. Sowohl die subjektive, wie auch die objektive Sicherheit von Radfahrenden nehmen zu, die Anzahl an Konflikten zwischen Auto- und Radfahrenden nehmen ab. Andere Bundesländer, wie zum Beispiel NRW, haben dies erkannt und entsprechende Erlasse zur weiteren Nutzung von Piktogrammketten erlassen. Es ist an der Zeit, dass auch das Rheinland-Pfälzische Verkehrsministerium endlich Rechtssicherheit schafft.”
Zu den Äußerungen der CDU: „Ich empfehle den Kollegen der CDU sich die Studie zunächst einmal durchzulesen, bevor man weiter Falschbehauptungen über die angebliche Unsicherheit von Piktogrammketten verbreitet. Sowohl die Studie als auch die Erfahrungen der Stadt Mainz stützen dieses Märchen nicht. Die von der CDU immer wieder geforderten getrennten Radwege scheitern meist schon an mangelnden Platzverhältnissen und am Widerstand u.a. der CDU, welche beharrlich keinerlei Parkplätze oder Fahrspuren zugunsten getrennter Radwege aufgeben will. Wie die CDU die von Ihr geforderten Radwege umsetzen will, ohne dass es zu noch mehr Baustellen kommt, bleibt überdies ihr Geheimnis.”

SPD: Fahrrad-Piktogramme in Mainz haben sich bewährt
„Wir können die ablehnende Haltung des Landesbetriebs Mobilität zu Fahrrad-Piktogrammen nicht nachvollziehen“, so Erik Donner, verkehrspolitischer Sprecher der SPD-Stadtratsfraktion. „Seit 2016 sorgen diese Piktogramme dafür, dass Radfahrer im Straßenverkehr besser wahrgenommen werden.“ Auch sei bei Piktogrammen im Gegensatz zu Schutzstreifen der seitliche Abstand bei der Überholung von PKWs in der Regel größer. „Für uns stellt sich die Frage, warum der Landesbetrieb erst jetzt – acht Jahre nach der Einführung – auf die Idee kommt, dass Fahrrad-Piktogramme rechtswidrig sein sollen. Es ist gut, dass die Verwaltung erst einmal angekündigt hat, dass sie keinen Änderungsbedarf sieht. Im Zweifel sollten auch alle Rechtsmittel gegen die merkwürdige Auffassung des Landesbetriebs Mobilität ausgeschöpft werden.“

FDP fordert Verkehrsdezernat dazu auf, zeitnah die Fahrradpiktogramme zu entfernen
Die Mainzer Freien Demokraten haben schon in der Vergangenheit die Fahrradpiktogramme kritisch beurteilt, auch wenn sie in guter Absicht aufgetragen wurden. Sie haben – so zeigt sich heute – zu zahlreichen Missverständnissen geführt.
Wenn sich nach der 5-jährigen Testphase nun herausstellt, dass die Piktogramme nicht zur Verkehrssicherheit beitragen und sogar als rechtswidrig einzustufen sind, liegen die Konsequenzen klar auf der Hand. „Die Auffassung des LBM, dass Fahrrad-Piktogramme keine Grundlage in der StVO finden, ist auch fachlich zutreffend“, so Dr. Marc Engelmann.
Die Ankündigung der Verkehrsdezernentin, Anordnungen der oberen Verkehrsbehörde nicht Folge leisten und die Piktogramme sogar ausweiten zu wollen, ist besorgniserregend. „Wenn eine aktuelle Studie eine steigende Zahl von Radunfällen bei Mischverkehr feststellt, muss es unser aller Anliegen sein, solche Gefahren zu beseitigen und sie nicht noch zu fördern.“ „Verkehrssicherheit geht immer vor!“, fordert die FDP-Kreisvorsitzende Susanne Glahn. „Die Verkehrsdezernentin müsste dringend einmal schlüssig darlegen, auf welcher Rechtsgrundlage sie Fahrrad-Piktogramme auf die Straße bringt. Das ist auch in ihrem eigenen Interesse. Möchte doch sicher niemand den Eindruck entstehen lassen, dass hoheitliche Entscheidungen unter Missachtung von Recht und Gesetz getroffen werden, nur der Ideologie wegen.“
„Die Instandhaltung der Radwege und die weitere Einrichtung von Fahrradstraßen wäre die bessere und sinnvolleren Alternativen als rechtswidrige Piktogramme auf der Straße“, so Werner Rehn, FDP-Mitglied des Verkehrsausschusses, mit Hinweis auf den teilweise desolaten Zustand der Radwege. Die Freien Demokraten wollen keinen Kulturkampf „Fahrrad gegen Auto“, der letztlich nur die Verkehrsteilnehmer gefährdet. Ein faires Miteinander Aller sollte möglich sein, so Rehn.
Die straßenverkehrsrechtliche Einordnung des Verkehrsdezernates sei unklar, stehe im Widerspruch zur StVO und der Einschätzung des LBM: „Es wäre geboten, dass das Verkehrsdezernat fachlich fundiert Stellung bezieht. Wenn hoheitlich Stellen unterschiedliche Auffassungen vertreten, kann bei Bürgern schnell der Eindruck entstehen, dass die Verwaltung selbst nicht weiß, was sie tut und ihr die nötige Kompetenz fehlt. Das wäre fatal, führt das doch zu sinkender Akzeptanz staatlicher Anordnungen und Maßnahmen. Das will insbesondere im Straßenverkehr sicherlich niemand.“, so Dr. Marc Engelmann.

Das sagt der Landesbetrieb
Bei den in Rede stehenden Piktogrammketten handelt es sich um einen von vornherein zeitlich klar begrenzten Modellversuch, sagt LBM-Pressesprecherin Birgit Tegeder. Darüber hinaus gebe es zahlreiche weitere Radverkehrspiktogramme, wie z. B. Radfahrstreifen und Schutzstreifen für Radfahrer, die weiterhin rechtssicher möglich sind.

Die Förderung des Radverkehrs sei auch dem Landesbetrieb Mobilität (LBM) ein besonderes Anliegen. Insofern unterstütze er ausdrücklich alle Bemühungen zur Verbesserung der Radverkehrsinfrastruktur. Im Falle der Piktogramme hat der LBM als oberste Landesbehörde die Kommunen auf das geltende Bundesrecht hingewiesen. Ziel der Beratung ist eine rechtssichere Beschilderung, die Haftungsrisiken für die Kommunen ausschließt. Die Kommunen sind in erster Linie für die Gemeindestraßen und deren Beschilderung verantwortlich. Insofern handelt es sich bei der Erläuterung des Bundesrechts durch den LBM um eine serviceorientierte Beratung der Kommunen. Der Vollzug und die Verantwortung liegen bei den Kommunen.

Allgemein ist es so, dass Piktogrammketten auf der allgemeinen Fahrbahn nicht in der bundesweit geltenden StVO geregelt sind. Darauf hatte der LBM erstmals mit Schreiben vom 21. Januar 2019 alle Verkehrsbehörden in Rheinland-Pfalz hingewiesen.

Für Piktogramme gibt es – wie oben beschrieben – klare Anwendungsfelder. Sie kommen bei der Kennzeichnung von Radfahrstreifen, nichtbenutzungspflichtigen Geh- und Radwegen und Schutzstreifen zur Anwendung. Im Modellversuch wurden Sie in einem anderen Zusammenhang verwendet.

Den Kommunen stehen wie gesagt darüber hinaus eine Vielzahl von rechtssicheren Möglichkeiten zur Verfügung, Radfahrern ein attraktives Angebot zu machen – nicht zuletzt die Ausweisung von Fahrradstraßen mit großen blau-weißen Piktogrammen auf der Fahrbahn. Auch hierzu gibt Beispiele z. B. die Hindenburgstraße in Mainz. Hier haben Radfahrer Vorrang, aber auch Autos dürfen verkehren.

Die Ergebnisse des Forschungsvorhabens „Radfahren bei beengten Platzverhältnissen – Wirkung von Piktogrammen und Hinweisschildern auf Fahrverhalten und Verkehrssicherheit“ der TU Dresden und der Bergischen Universität Wuppertal sind nicht eindeutig. Sie zeigen zwar, dass im Versuchszeitraum das objektive und subjektive Sicherheitsempfinden auf den entsprechenden Strecken erhöht wurde. Die Unterschiede zu Bereichen ohne Piktogrammketten wurden jedoch nicht näher untersucht, d. h. welche Auswirkungen hat dies auf andere Verkehrsbereiche, z. B. Fahrbahnen ohne Piktogramme. Auch Gewöhnungseffekte wurden nicht untersucht. Unabhängig davon, wie man die Studie interpretiert, obliegt es jedoch allein dem Bund, daraus Schlüsse zu ziehen und Maßnahmen zu ergreifen. Die Zuständigkeit für das Straßenverkehrsrecht liegt beim Bund, der mit dem Straßenverkehrsgesetz (StVG) und der Straßenverkehrsordnung (StVO) Regelungen getroffen hat.

Als Obere Verkehrsbehörde (Aufsichtsbehörde) ist der LBM weisungsbefugt; Weisungen werden in der Regel Rechnung getragen. Für den Vollzug auf den kommunalen Straßen sind wie beschrieben die Kommunen verantwortlich. Derzeit sucht der LBM den Austausch mit den Kommunen, um einvernehmliche Lösungen zu finden.

2 responses to “Diskussion um Fahrrad-Piktogramme

  1. Krass wie LBM und CDU ohne jeden Beleg einen ursächlichen Zusammenhang von Unfällen zu den Piktogrammen behaupten, ohne jede Spur irgendeiner Evidenz!

    Wundert mich bei Gerster allerdings nicht, wo doch für ihn Radfahrer nur gefährliche „Bremsklötze“ im Straßenverkehr sind. Ist dieser Mister Wichtig nicht derselbe Gerster, der über die Ausweisung der Hindenburgstraße als Fahrradstraße lamentierte, weil ihm entfallen war, dass er selbst dafür gestimmt hatte?

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