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Deutsche Kleinbrauer: A Beer Revolution


Beim Bier geht es derzeit weg von großen Marken hin zu Nischenprodukten. Wir untersuchten den Trend. Devise: Trinke lieber ungewöhnlich! (von Thomas Schneider)
In Schottland, England und den USA herrscht eine andere Bierkultur als in Deutschland, vielleicht sogar eine bessere? Über Geschmack möchte ich an dieser Stelle nicht streiten, aber eine in den USA seit 1980 aufstrebende Bier-Bewegung vorstellen, nämlich das Craft Beer Movement. Der Begriff Craft wird vom Brau-Handwerk abgeleitet, das in so genannten Microbreweries, also kleinen Brauereien gepflegt wird. Wertvolle Rohstoffe, vollmundige Hopfen- und Malzsorten und traditionelle, auf relativ kleine Absatzmengen ausgerichtete Brauverfahren sind Kernelemente des Craft Beer. India Pale Ale, abgekürzt IPA, oder auch als Starkbiervariante Imperial IPA bekannt, ist zum Beispiel ein klassisches Craft Beer. Die Bezeichnung India Pale Ale geht zurück auf das 19. Jahrhundert. Damals wurden schottische und englische Biere mittels hohen Stammwürze- und Hopfenanteils haltbarer gemacht, um indische Kolonien beliefern zu können (Pale Ale = helles Bier). Daneben gibt es viele weitere ungewöhnliche und herzhaft anders schmeckende Biere, die sich bewusst von der Massenware weniger Bierkonzerne absetzen.

Wie kommt man an diese tollen Biere?
Über das Internet. Aber auch gut sortierte Feinkostläden wie Le Poivre in Mainz führen IPA und weitere Bier-Besonderheiten. Denn vergleichbar mit Champagner, spielt manches der Gourmetbiere nicht nur geschmacklich, sondern auch preislich in einer anderen Liga. Eine außerordentlich vielfältige Gastro- Bierauswahl gibt es im Mainzer Raum bislang einzig im kürzlich neu eröffneten Restaurant Mainzer Golfclub „19“ in Budenheim. Mehr als dreißig verschiedene Biere stehen hier derzeit zur Auswahl. Pächter Jörn Stoll beweist Mut und Überzeugung: „Die Qualität wird sich langfristig gegenüber dem Preis ebenso durchsetzen, wie das bei gutem Wein oder hochwertigem Fleisch der Fall ist.“

Selbst gebraute Biervielfalt
Ein weiteres Beispiel dafür, dass abwechslungsreiche Bierkultur nach amerikanischem Heim- und Kleinbrauervorbild in Mainz Einzug erhält, ist die GdK – Gesellschaft deutscher Kleinbrauer e. V. Der Verein braut, degustiert und missioniert. Er wurde im Mai 2012 in einem Garten in Mainz-Laubenheim gegründet, um „Bierkultur, Geschmacksvielfalt und horizontale Diversifizierung auf dem Biermarkt zu unterstützen“. Vorsitzender des gemeinnützigen Vereins ist PENG-Vorsitzender und IHK-Bierbotschafter Andreas Fitza. Die Idee, einen solchen Verein zu gründen, kam ihm im Zuge einiger USA-Besuche und seiner ersten Heimbrau-Sessions, gepaart mit geselligen Bierproben. Fitzas neustes Projekt ist eine eigene Biermarke. Mit Bruder Markus will er schon bald Fitza-Bier vertreiben. Der Name ihres ersten Bieres wird noch nicht verraten, die Degustier-Premiere findet im Rahmen der PART Kunstschau im Pengland (12. bis 28. April) statt. Auch Bars und Clubs haben bereits ihr Interesse an Fitzas Bier signalisiert, ebenso Jörn Stolls Restaurant. Es soll ein obergäriges, sommerlich frisches IPA werden, das dank zweier amerikanischer Hopfenzüchtungen, Cascade und Chinook, sowie des IPA-typischen Dry Hopping Verfahrens ein spürbar erfrischendes Zitrusaroma entfalte.

Braukunst Live! Festival 2013
Mit Fitza und Jörn Stoll im Schlepptau habe ich mich am 8. März auf den Weg nach München begeben, um beim „Internationalen Festival der feinen Biere Braukunst Live!“ zu erfahren, wie weit man in Deutschland schon ist; welche Brauereien aktuelle Craft Beer Trends erkannt und bereits umgesetzt haben, um auch international nicht abgehängt zu werden. Aufgefallen ist uns eines sofort: Die typisch deutschen Bierbrauer mit Holzfass, Brauschürze und Standardprodukten (Helles, Weißbier, Pils) hatten kaum Andrang zu verzeichnen oder gar Begeisterung hervorgerufen. Kreative, mutige Brauereien hingegen haben Biere angepriesen, die mit Aroma und Geschmack anwesende Bierliebhaber faszinieren konnten. Besonders positiv hervorzuheben sind „Hopfenstopfer Comet IPA“ aus Bad Rappenau, das Hofbräu München Messebier „Eiskalt gehopfter Hallodri“, BrauKunstKellers „Mandarina IPA“ aus Michelstadt im Odenwald und Österreichs Triple Bock Bio-Starkbier „Horny Betty aus dem Brauhaus Gusswerk”.

Nie wieder Pils?
Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass mich manche meiner heutigen Lieblingsbiere anfangs gar nicht begeistert hatten, eines Tages aber doch plötzlich ganz und gar. Die Geschmacksknospen müssen sich eben erst daran gewöhnen, so ging es mir mit Stout und vor allem mit IPA und Imperial IPA. Aber einmal damit angefangen, kann stinknormales Pils kaum noch Glücksgefühle auslösen, Weißbier eher, aber auch immer weniger. Doch das muss eben jede/r selbst herausfinden. Prost!
www.deutsche-kleinbrauer.de, www.facebook.com/kleinbrauer, www.microbier.com