von Christina Jackmuth
Fotos: Carola Schmitt
Fast jeder kennt ihn oder ist ihm schon einmal in der Innenstadt begegnet. Wer ist der Mann, der mit seinen schneeweißen Hunden Tag für Tag durch Mainz spaziert?
Mehr als zwanzig Mal am Tag würde er von wildfremden Menschen auf der Straße angesprochen und Touristen aus Asien oder den USA zückten automatisch ihre Digitalkameras, wenn er mit seinen beiden weißen Hunden in Mainz unterwegs sei, erzählt Detlef Ehrke. Das Dreiergespann erregt bei vielen Aufsehen und gehört zum Mainzer Stadtbild.
Nicht nur in der Neustadt, wo er in der Nähe des Goetheplatzes seine bescheidene Zweizimmerwohnung mit den Hunden und zwei Katzen teilt, ist Ehrke deshalb bekannter als ein bunter Hund. Auch die örtlichen Ordnungshüter kennen ihn und drücken schon mal ein Auge zu, wenn er seine Hunde nicht wie vorgeschrieben an der Leine führt. In seinem Stamm-Supermarkt in der Innenstadt darf er sie sogar mit in den Verkaufsraum nehmen.
Tragischer Verlust
Seit 28 Jahren lebt der 45-Jährige nun in Mainz. Und Anfang August ist es passiert: Hündin Diwa ist gestorben. Sie war – in Hundejahren gerechnet – bereits eine gestandene ältere Dame von fast 77 (Menschen)-Jahren und zeigte sich in letzter Zeit immer gebrechlicher. Wesentlich agiler, aber doch noch traurig über den Verlust seiner Partnerin ist der jüngere Rüde Akito. Der Name stammt aus dem Japanischen und bedeutet „schlau“. Akito ist der Nachfolger von Detlefs erstem, inzwischen ebenfalls verstorbenem Hund, auch eine Mischung aus Polarwolf und Schäferhund, den er sich bereits vor 18 Jahren angeschafft hat. „Auf die Idee gekommen bin ich damals durch den Film „Der weiße Hund von Beverly Hills“, in dem ein weißer Schäferhund die Hauptrolle spielt. Ich war fasziniert von dem Tier und wollte unbedingt selbst so einen Hund besitzen“, erinnert sich Detlef.
Freibeuter der Hunde
Gerüchte ranken sich um den Mann mit dem Piratentuch auf dem Kopf. Da Detlef jeden Tag mehrere Stunden seine Runde dreht, vermuten einige, er sei arbeitslos. Dabei liefert er regelmäßig medizinische Bedarfsartikel aus. Bei der stundenweisen Tätigkeit bleibt ihm genügend Zeit für seine geliebten Vierbeiner, die er mit viel Geduld und Verständnis für ihre wilde Natur bestens erzogen hat. Um sich selbst möchte er kein großes Aufheben machen. Die Hunde sind sein Lebensinhalt und besonders seit dem Tod seiner Mutter eine (Ersatz-) Familie für ihn. Seine leiblichen Verwandten halten ihn deshalb für ein wenig verrückt, aber das stört ihn nicht weiter.
Gemächlich folgt Akito nun also alleine seinem Mixtur aus Polarwolf und Schäferhund Herrchen oder bleibt gelassen stehen, wenn Detlef mal wieder neugierigen Passanten Rede und Antwort steht. Ein wenig wundert es ihn dabei schon, dass trotz der Größe der Hunde kaum jemand Berührungsängste zeigt. „Vor schwarzen Hunden haben die Leute meistens Angst, aber mit der schneeweißen Farbe ihres Fells verbindet man wohl eher etwas Friedliches wie Himmel oder Engel.“ Auf seinen Spaziergängen knüpft er daher immer wieder Kontakte: „Da gibt es schöne, aber auch weniger schöne Begegnungen.“ So haben Diwa und Akito schon bei einem Fotoshooting eines Hochzeitspaares als „Brautjungfern“ agiert. Andererseits fühlt sich manch ein Hundebesitzer provoziert, wenn er die großen Weißen nicht an der Leine führt. Ob man dem eingespielten Team auch in Zukunft im Stadtzentrum begegnen wird, ist noch ungewiss. Seit kurzem ist Detlef auf der Suche nach einer neuen Bleibe für sich und seine „Familie“ – mit Platz für zwei Hunde – denn auf jeden Fall möchte er sich nach einer angemessenen Trauerphase wieder einen zweiten weißen Hund anschaffen. Am Goetheplatz will er dann nicht mehr länger bleiben. Die zunehmende „Ghettoisierung“ dort störe ihn.
Weiße Schäferhunde stammen vom Deutschen Schäferhund ab. Sie sind eine Farbvariante und bilden inzwischen eine eigene Rasse, da die weiße Farbe bei der Zucht der deutschen Schäferhunde verboten wurde. Dass das etwas mit dem einkreuzen von Polarhunden zu tun hätte ist nicht richtig. Die Kreuzung von Wölfen und Hunden ist zwar seit einigen Jahren sehr in Mode, aber Wölfe sind gefährliche Wildtiere und haben nichts mit diesen sanften Familienhunden zu tun.