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Das Weinglas ist voll – Glosse zur Diskussion um Wein am Fischtor und den ganzen Rest …

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Dass die Stadt Mainz „Great Wine Capital“ ist und mächtig stolz darauf, ist bekannt. Und auch wenn dieser Titel nur ein mittlerer Marketing-Gag ist, der nicht sonderlich die Massen bewegt: Wir Mainzer lieben unsere Weine! So sorgt vor allem die Vereinigung „Die Mainzer Winzer e.V.“ – die heimliche Schattenmacht am Rhein – fleißig dafür, dass der Rebensaft sprudelt. Und auch der umtriebige Rheinhessenwein e.V. mit über 1.500 Mitgliedern promotet den Saft was das Zeug hält. Wer sich davon selbst ein Bild machen möchte, besuche das Weinforum vom 23. bis 25. Oktober in der Rheingoldhalle. Zu dieser „Weinprobe der Superlative“ werden 200 Weine kredenzt und mehr als 3.000 „Weinfreunde“ erwartet.

Junge „heranführen“
Vermehrt werden auch jüngere Zielgruppen (z. Bsp. Studenten) an den Genuss des Weinsaufens äh Genießens „herangeführt“. Zahlreiche neue Weinlokale und -Events sprießen aus dem Boden und machen den Alteingesessenen Konkurrenz. Wein und Winzer erhalten vermehrt ein „zeitgemäßes“ Image. Die junge Winzergeneration erprobt neue Konzepte und freche Verpackungen, Bio- und vegane Weine sind auf dem Vormarsch, in schicken Weinbars wie dem „Laurenz“ in der Neustadt schießen die Weinpreise durchs Dach und der Mainzer Weinsalon am Brückenkopf mutiert zur größten Flirtbörse unter After-Work Yuppies.
Von den Weinfesten ganz zu schweigen: Vor ein paar Jahren kamen hier zusätzlich zum traditionellen Weinfest im Volkspark die Mainzer Weintage am Rheinufer hinzu. Eine Vinothek im nächsten Jahr zum „200 Jahre Rheinhessen Jubiläum“ ist geplant und auch der schicke neue Zollhafen soll irgendwann einen gut aussehenden Weinstand erhalten. Die richtige Vermarktung ist (heutzutage und wie überall) alles und so wird aus dem guten alten Schoppen ein edles Designergut, auf dass die Penunzen fließen.

Der neue Alte
Der letzte Clou der Mainzer Winzer e.V. war und ist aber immer noch die Idee eines neuen Weinprobierstands am Fischtorplatz. Dass die Winzer den Standort aufgrund der idealen Erreichbarkeit von Rhein und Stadt aus wie auch wegen des besonderen Flairs bevorzugen, ist kein Geheimnis. Weinprobierstände sind das traditionelle Vergnügen der Ü50-Generation und man findet sie auf verschiedenen Märkten meist innerhalb der Stadt, am bekanntesten wohl am Wochenmarkt zum Marktfrühstück oder aktuell die Federweißerstände wo auch immer.
Man schwätzt hier gerne gleich mit jedem, und die Kerle checken immer noch am liebsten neues Frischfleisch ab (wurde uns zugetragen). Doch zurück zum Fischtor: Einige Anwohner befanden die Idee eines neuen Weinstands direkt vor ihrer teuer bezahlten Altbau-Wohnung wohl doch nicht ganz so toll. 34 Anwohner unterzeichneten also ein Papier gegen den Standort. Unter anderem fürchten sie „Lärmprobleme“. Außerdem sehen sie die Blickachse zum Dom gefährdet. Daher gab es vor zwei Monaten eine Testphase mit Dezibel-Messung. Und war die Zahl unter dem zulässigen Wert? Wirtschaftsdezernent Christopher Sitte verkündete das Ergebnis: „Die Lärmobergrenze wurde nicht überschritten.“ Ein Wunder! Normalerweise reagiert das Ordnungsamt auf jeden Anruf eines noch so pingeligen Nachbarn, doch die Mainzer Winzer scheinen ein geschickteres Händchen zu haben.

Sache läuft
Das Ergebnis bedeute zwar noch keine abschließende Entscheidung für den Standort, allerdings möchte die Stadt die Sache weiterverfolgen. Derzeit läuft die Bauvoranfrage. Alles andere, Gestaltung, Öffnungszeiten etc. kommt erst dann, wenn die Bauvoranfrage positiv beschieden werden sollte. Dauert also noch und ist ja auch erst für die nächste Saison geplant. Eine zentrale Frage, die ebenso noch geklärt werden müsse, sei, wie und wo öffentliche Toiletten errichtet werden könnten. Fest stehe jedoch, dass der Fischtorplatz von Winzern und Besuchern sehr gut angenommen und positiv bewertet wurde, sagt Sitte.
Das belege auch eine Umfrage, die die Mainzer Winzer bei ihren Gästen gestartet hatten: 350 ihrer Besucher haben einen Fragebogen ausgefüllt, 337 davon sprachen sich für den Stand am Fischtor aus. Die Bedenken der Anwohner würden von den Fachämtern in die Abwägung mit einbezogen, versicherte daraufhin der Dezernent. Nun müsse, so die Stadt, ein Konzept erstellt werden, was Gestaltung und Finanzierung betrifft. Die Winzer hätten sich ein Investitionslimit von 100.000 Euro gesetzt und wollen gemeinsam mit einem Architekten den Stand errichten – und der solle der „Weinhauptstadt“ gerecht werden: „Ein Weinpräsentationsstand muss einen Standard erreichen, der über dem Niveau der Rheingauer Weinverkaufsstände liegt“, sagt Horst Hünerkopf von den Mainzer Winzern. Wo er Recht hat, hat er Recht – auf die Verpackung kommt es an!

von David Gutsche  Foto Hbz /Judith Wallerius