Vor der kommenden öffentlichen Auslage des Bauprojektes an der Ludwigsstraße „Lu:Mainz City“ (https://lu-erleben.de/), gab es gestern noch zwei Rundgänge mit dem Bauträger Gemünden-Molitor sowie der Stadt, namentlich OB Nino Haase und Baudezernentin Marianne Grosse (SPD) vor Ort. Noch einmal wurden die Änderungen am Plan kommuniziert (wir berichteten): der Supermarkt soll ins Erdgeschoss, die Parkplätze darunter. Es wäre wichtig dieses nochmal an die Bürger kommunizieren heißt es. Die Gemüter waren soweit auch recht ruhig, im Nachgang meldet bisher nur die ÖDP Kritik sowie Altstadt-Ortsvorsteher Brian Huck (Grüne) an.
„Ich bin fest davon überzeugt“, sagte eine heisere Baudezernentin Grosse, die sonst immer felsenfest von etwas überzeugt ist, „dass die Entwicklung an der Ludwigsstraße und der Neubau des Gutenberg-Museums zu den wichtigsten Entwicklungsschritten für unsere Innenstadt gehören, auch um die Kundenfrequenz zu erhöhen und zu halten“. Auch Oberbürgermeister Nino Haase freut sich, dass der Investor sich an „solch ein ambitioniertes Projekt gewagt“ und auch in der Pandemie daran festgehalten hat, heißt es in der AZ.
Und Moderator Erik Flügge von der Agentur für Bürgerbeteiligungsprozesse „Squirrel & Nuts“ leitet schon den gesamten tag mit den Worten ein. „Ich kann nichts entdecken, was dem Beteiligungsprozess widerspricht.“
Das sieht Ortsvorsteher Brian Huck (Grüne) anders und hier zitieren wir gerne die AZ-Kollegen: Er spricht offene Wege durchs Quartier an, die man sich statt des einen Eingangs an der Ludwigsstraße gewünscht hatte und fragt, ob man wegen des zu erwartenden Lärms keine Wohnungen ins neue Quartier geplant habe. Erneut ist es Grosse, die daran erinnert, dass hier nicht erneut das gesamte Projekt „Lu:“ besprochen werden soll. „Der Stadtrat trifft die Beschlüsse und das hat er getan. Ich möchte darum nicht mehr von vorne anfangen, ich möchte dort weitermachen, wo wir sind und besprechen, was neu ist.“ Wie die neue Zufahrt für Lieferverkehr über Ludwig- und Fuststraße durch ein schalldichtes Tor ins Gebäude etwa. So könne viel Ruhe auf dem Bischofsplatz gewährleistet werden. „Jedes Gutachten, jede Form der Abwägung, die wir als Stadt vorgenommen haben, ist demnächst auch in der Offenlage einsehbar“, so Grosse. Besonders die breite Fassadenbegrünung inklusive des kleinen Parks auf der Dachterrasse stoßen im ersten Rundgang auf reges Interesse. Vor allem die Frage, ob Letzterer frei zugänglich sein wird. Grundsätzlich soll das natürlich der Fall sein. „Aber in den Nachtstunden oder wenn beispielsweise ein Stadtfest stattfindet, bei dem Menschen möglicherweise auf der Dachterrasse randalieren können, müssen wir von unserem Hausrecht Gebrauch machen und den Zutritt verweigern“, gibt die Vorhabenträgerin zu bedenken.
ÖDP fordert „Update“
Dr. Claudius Moseler, Fraktionsvorsitzender der ÖDP, empört sich über das Vorgehen: „Aus der Presse und nicht, wie von der Baudezernentin behauptet, im Stadtrat oder in einem der Ausschüsse erfahren wir von den geplanten Änderungen im Karstadt-Komplex. So geht das nicht. Erst recht nicht wurden die Änderungen vom Stadtrat beschlossen. Warum soll nun – entgegen des ursprünglichen Beschlusses – der Anlieferverkehr über den Bischofsplatz geführt werden?“
Seine Parteikollegin Dagmar Wolf-Rammensee ergänzt: „Wir begrüßen den hohen Anteil an Kultur. Die ÖDP hat immer davor gewarnt in Zeiten der Digitalisierung die Einzelhandelsflächen weiter aufzublähen. Wir müssen deshalb nur die vielen aktuellen Leerstände in der Innenstadt betrachten. Wir brauchen daher weiterhin eine Mischnutzung, besonders im Hinblick auf bezahlbaren Wohnraum, im Herzen der Stadt umzusetzen. Wir fordern außerdem nach wie vor den Erhalt der öffentlichen Plätze wie in den Leitlinien festgehalten.“
„Wir werden nach der Sommerpause beantragen, das Projekt im Sinne der Nachhaltigkeit und der tatsächlichen Bedürfnisse der Stadt zu überplanen“, kündigt Moseler schon mal an, „Wir müssen uns darauf besinnen, was an der Ludwigsstraße wirklich gebraucht wird, basierend auf den Leitlinien, die nach 8 Ludwigsstraßenforen von Bürgern erarbeitet wurden.“
Inhalte neu verhandeln
Diese Änderungen haben Auswirkung auf das laufende Bebauungsplanverfahren, insbesondere auf die ursprünglich geplante Terminierung. Baudezernentin Marianne Grosse erklärte, die Offenlage könne nicht wie ursprünglich geplant am 29. Juni vom Bauausschuss und am 12. Juli vom Stadtrat beschlossen werden. Es sei mit einer etwa neunmonatigen Verzögerung zu rechnen, denn die Erschließung für die Andienung müsse neu geplant, die Fachgutachten beispielsweise zum Emissionsschutz und der Umweltbericht müssten fortgeschrieben werden, zeichnerische und textliche Festsetzungen im Bebauungsplanentwurf seien anzupassen.
Auch einzelne Inhalte des städtebaulichen Vertrags müssten neu verhandelt werden. Beides, Überarbeitung der Bauplanung und Anpassung des Städtebaulichen Vertrags würden parallel erfolgen, mit dem Ziel, Ende 2023 den Bebauungsplan offenzulegen.
Man darf somit auf den nächsten Stadtrat am 12. Juli sowie die Offenlegungsphase gespannt sein. Jede Verzögerung des Bauprojektes ist Gift für den Vorhabenträger. Selbst ein städtebaulicher Vertrag ist bis dato daher auch noch nicht geschlossen worden. (dg)