Dorothea Ebbing will nicht so wohnen, „dass man aus dem Auto aussteigt und dann die Eingangstür hinter sich zuschlägt“. Ihre Kinder sind aus dem Haus, und ist es nicht sowieso viel besser, wenn einige Dinge, wie eine Bohrmaschine, gemeinschaftlich dem ganzen Wohnquartier gehören? Unter anderem aus diesem Grund hat sie sich mit zwölf potenziellen Nachbarn zu der Wohninitiative „stattVilla“ zusammengeschlossen. Die lose Gemeinschaft sucht nach einem geeigneten Grundstück, um ihre Ideen von mehr sozialem Miteinander umzusetzen – wenn möglich mit Einfluss auf das Bauvorhaben.
Was sind Baugemeinschaften?
„In den letzten Jahren sind ungefähr 100 gemeinschaftliche Wohnprojekte in Rheinland-Pfalz entstanden“, berichtet Annette Müller von der Architektenkammer. Denn „in Städten wie Mainz ist das ‚klassische‘ Eigenheimmodell ein kaum finanzierbarer Traum geworden“. Im Hinblick auf Flächenverbrauch, Infrastruktur und soziale Durchmischung seien Wohnquartiere und Gemeinschaftsprojekte also die Zukunft. Wer wünscht sich das nicht: Wohnen in den eigenen vier Wänden, individuell entwickelt, neben Nachbarn, die man schon vor Bezug kennt, und als i-Tüpfelchen ein Gemeinschaftsraum zum Feiern oder Sport treiben?
Was sich nach einem glücklichen Zufall anhört, kann man selbst gestalten. Das gemeinsame Planen und Bauen bietet für junge Familien ebenso wie für Menschen in der zweiten Lebenshälfte gewisse Anreize. Insbesondere Menschen mit besonderen Wohnideen finden hier Spielraum für ungewöhnliche Lösungen, Mitsprache bei der Planung und Kosten-Transparenz. Bundesweit finden sich daher immer mehr Menschen zusammen, die gemeinsam planen, bauen und wohnen wollen. Sie lernen sich kennen, gründen eine Interessengemeinschaft, finden gemeinsame Ziele, gründen eine Planungsgemeinschaft, entwickeln ein Finanzierungskonzept und realisieren in einer Baugemeinschaft.
Platzproblem in Mainz
In Mainz sollen deshalb mehr Baugemeinschaften geschaffen werden. Ein Beraterteam aus Dortmund unterstützt aktiv Interessenten. Es gibt regelmäßige Infoabende mit Vorstellungen von möglichen Standorten und mehr. Nach anderthalb Jahren haben sich bisher acht Bau-und Mietgemeinschaften formiert. Das große Problem: In Mainz mangelt es an Grundstücken. Kommt das Konzept der Baugemeinschaften aus eher ländlichen Regionen mit viel Fläche und günstigen Preisen, scheitern viele Vorstellungen hier an der dichten Bebauung der Stadt und dem überall begehrtem Wohnraum.
Ein Haus in der Boppstraße (Neustadt) war zum Beispiel im Angebot: „Das war aber der schlechteste der drei Blöcke – klein und baulich sehr dicht“, kritisiert Ebbing von „stattVilla“. Auch 11.000 qm Bauland in Ebersheim gehören der Stadt. Beim letzten Infoabend hakt eine junge Frau nach: „Welche Chancen hat man hier, an der Planung mitzuwirken?“ „Im Prinzip – alle!“, verkündet Stadtplaner Günther Ingenthron strahlend. Doch er weiß auch: „Mainz ist schlechter Boden für Baugemeinschaften – die Leute sind sehr ängstlich.“ Tatsächlich sind von den 60 Zuhörern nur drei an einer Baugemeinschaft interessiert – der Rest sind Anwohner, die wissen wollen, was mit den Bäumen auf dem Areal geschieht. „Da leben sehr viele Singvögel“, sagt ein Mann.
Ab 2018 ist das Grundstück für den Bau freigegeben, ab 2020 könne man einziehen. „Das Interesse sähe vermutlich anders aus, wenn wir 11.000 qm in der Neustadt anbieten würden – das hier ist eben auf dem Land“, sagt Birgit Pohlmann vom Beratungsteam. Sicherlich stößt das geplante Areal im Heiligkreuz-Viertel Richtung Hechtsheim auf mehr Begeisterung – auch hier soll ein Block für Baugemeinschaften vorbehalten werden, kündigt Ingenthron an. Ab 2019 wird gebaut.
Verschiedene Möglichkeiten
Dorothea Ebbing von der Wohninitiative „statt-Villa“ will möglichst schnell umziehen. Bauen ist ihr zu teuer und kompliziert. „Mainz braucht ein Mietprojekt“, sagt sie. Auch dazu finden mit der Wohnbau Gespräche über die geplanten Wohnungen auf dem Gelände der ehemaligen Peter-Jordan-Schule am Hartenbergpark statt. Hier stehen das Konzept und die Außenmauern bereits fest. Bei der Aufteilung des Innenraums sei aber vielleicht noch mitzureden. „Wir hätten gerne kleinere Privatwohnungen, ein großes Foyer und einen gemeinsamen Waschraum“, sagt Ebbing. D
ie Wohnbau zeigt sich aufgeschlossen, denn: „Baugruppen bringen eine gewisse Stabilität an gutem Wohnen und Miteinander und somit Zufriedenheit mit“, sagt Sprecherin Claudia Giese. Die Projektidee von „stattVilla“ müsse dennoch genau geprüft werden. Auch wenn sich der Traum vom gemeinsamen Bauen schön anhört für die Politik, wie auch für die Interessenten: Es ist ein langer Weg mit vielen Diskussionen und unterschiedlichsten Interessen und Formen. Und nicht zuletzt für Mainz schwierig umzusetzen, wenngleich immerhin ein mögliches Idealbild.
von Meike Hickmann / Foto: Cornelia Suhan
9.3. Vorstellung Vergabeverfahren bei freien Grundstücken für Baugruppen
23.3. evtl. Heiligkreuz-Viertel Vorstellung
Anmeldung unter: baugemeinschaften@stadt.mainz.de