Was für viele Frauen ihrer Zeit undenkbar war, gehörte für Sängerinnen, Schauspielerinnen und Musikerinnen im ausgehenden 18. und im 19. Jahrhundert zum Alltag: Sie standen im wahrsten Sinne des Wortes im Licht der Öffentlichkeit, ernteten Beifall und Bewunderung, reisten in Europa von Engagement zu Engagement, heirateten, ließen sich scheiden – und verdienten ihr eigenes Geld.
Im 31. Kalender „Blick auf Mainzer Frauengeschichte“ des Frauenbüros der Landeshauptstadt Mainz stehen Künstlerinnen aus dem 18., 19. und 20. Jahrhundert im Mittelpunkt, deren Leben und Bühnenleben mit Mainz verbunden war. Diese Themenwahl kommt im Corona-Jahr nicht von ungefähr, treffen doch die Folgen der Pandemie besonders auch Künstlerinnen.
„Bühnenkünstlerin zu sein, war auch damals ein harter Beruf“, so Eva Weickart, Hauptautorin des Kalenders und Leiterin des Frauenbüros. „Vom aufkommenden Starkult an den Hoftheatern oder Stadttheatern profitierten zwar auch sie, doch hinter den Kulissen ging es nicht anders als heute wenig glamourös zu. Applaus musste von allen hart erarbeitet werden.“
Schauspielerinnen- und Sängerinnenalltag war, Abend für Abend mit ständig wechselnden Rollen auf der Bühne zu stehen. Lange geprobt wurde meist nicht, das Publikum sollte durch viel Abwechslung im Spielplan bei Laune gehalten werden.
Anders als ihre Bühnenkollegen mussten die Sängerinnen und Schauspielerinnen in aller Regel selbst für ihre aufwendigen Kostüme sorgen. Selbst bei Künstlerinnen mit guten Gagen schlugen dann hohe Ausgaben zu Buche. Das betraf auch die, die es zu einer Art Lebensstellung mit Pensionsanspruch an einem renommierten Hoftheater gebracht hatten.
Als Schauspielerin oder Sängerin älter zu werden, war früher schon nicht leicht. Je jünger, je besser galt auch damals und Rollen für ältere Frauen waren so knapp wie heute. So war es besonders unter den Sängerinnen und Schauspielerinnen im 19. Jahrhundert bereits üblich, es mit dem eigenen Geburtsjahr nicht so genau zu nehmen.
„Dass wir heute noch etwas über Bühnenkünstlerinnen und ihre Laufbahnen wissen, ist der Theaterbegeisterung des 19. Jahrhunderts zu verdanken“, beschreibt Eva Weickart den Rechercheweg. „Neben den regelmäßig erscheinenden Bühnenalmanachen und zahlreichen lokalen Theatergeschichten spielen dabei Zeitungskritiken eine große Rolle. Aufschlussreiche Quellen sind auch Personalakten der verschiedenen ehemaligen Hoftheater. Zwar trifft auf alle porträtierten Frauen zu, dass ihnen die Nachwelt keine großen Kränze gewunden hat, weil sie eben doch nicht so viel galten wie viele ihrer männlichen Kollegen, aber ihre Namen und Engagements lassen sich finden.“
„Coronafrei“ blieb die Spurensuche nicht. So kam es bei der Arbeit am Kalender mehr denn je auf im Netz verfügbare Quellen und die digital geleistete Hilfe von Archiven und anderen Institutionen an. Schwierig aber war die digitale Suche nach Abbildungen der Künstlerinnen. Nur wenige, wie etwa Auguste Arens, die auch das Titelbild des Kalenders ziert, hatten es zu heute auffindbaren Porträtzeichnungen gebracht.
Unverzichtbarer Bestandteil des Kalenders seit 1991 sind die von Reinhard Frenzel verfassten Porträts jüdischer Mainzerinnen, meist ehemalige Schülerinnen der Höheren Mädchenschule. Der frühere Lehrer am Mainzer Frauenlob-Gymnasium erinnert im Kalender für 2021 an zwei Überlebende des NS-Regimes, darunter auch die einzige Nichtkünstlerin, Adelheid Benfey.
Gestaltet wurde der Kalender wie in den Vorjahren von der Mainzer Agentur einfallswinkel. Die Illustrationen stammen aus der Feder von Niklas Becker.
Bei Abholung im Foyer des Stadthauses Große Bleiche ist der Kalender kostenlos erhältlich. Gegen Einsendung von 7,00 Euro in Briefmarken kann der Kalender auch zugeschickt werden.
Kontakt:
Frauenbüro der Landeshauptstadt Mainz
Stadthaus Große Bleiche
Große Bleiche 46/Löwenhofstraße 1
55116 Mainz
Telefon: 06131 12-2175
Blick auf Mainzer Frauengeschichte 2021 – Die Porträtierten
Margarethe Limbach (1817-1864), Sopranistin Die Mainzerin debütierte 1833 als 16jährige am Mainzer Theater und stand von da an auf vielen europäischen Bühnen.
Josepha Hellmuth (1757-1798), Sängerin und Schauspielerin Die Laufbahn der gebürtigen Münchnerin begann noch als Mitglied umherreisendender Schauspielgesellschaften. Ihre letzten Lebens- und Bühnenjahre verbrachte sie dann Ende des 18. Jahrhunderts als kurfürstliche Kammersängerin und Primadonna in Mainz.
Antonie Tetzlaff (1870-1940), Theater- und Filmschauspielerin Toni Tetzlaff, wie sie meist genannt wurde, kam eher zufällig in Mainz zur Welt: Engagiert am Mainzer Stadttheater, verbrachten ihre Eltern gerade mal ein Jahr in der Stadt. Mit 17 Jahren wurde Toni selbst Schauspielerin und schaffte etwas, was nur wenigen anderen Künstlerinnen gelang: auch noch als ältere Frau Rollen zu bekommen. Toni Tetzlaff zählte ab 1915 zu den meistbeschäftigten Nebendarstellerinnen der Stummfilm- und beginnenden Tonfilmzeit.
Auguste Arens (1826-1888), Schauspielerin Vom elterlichen Mainzer Wohnhaus Am Brand ging sie Mitte der 1840er Jahre nach Hamburg. Vom dortigen Thalia-Theater gelang ihr der Sprung an das Königliche Schauspiel in Berlin und trug ihr den Titel Hofschauspielerin ein.
Maximiliane Valentina Walburga Willmann (1769-1835), Pianistin Als 15jährige galt die Musikerin als Wunderkind, später war sie als Orchestermusikerin und Klavierlehrerin tätig, bevor sie zu Beginn des 19. Jahrhunderts zusammen mit ihrem Mann Franz Xaver Huber nach Mainz kam. Als Pianistin trat sie hier jedoch nicht mehr in Erscheinung.
Johanna Wittmann (1813-1848), Schauspielerin Das Mainzer Theater war in den 1820er Jahren ihr Sprungbrett auf größere Bühnen. Rund elf Jahre war sie ab 1836 am Hoftheater in Stuttgart engagiert, als sie aufgrund einer schweren psychischen Erkrankung in eine Anstalt verbracht wurde und dort im Alter von gerade einmal 35 Jahren starb.
Adelheid Adele Stefanie Benfey (1883-1964), ehemalige jüdische Schülerin der Höheren Mädchenschule Wie so viele jüdische Mainzerinnen war auch Adelheid Benfey ein Opfer des NS-Regimes. Ihr gelang unter großen Mühen, zu überleben und an ihren Wohnort Mannheim zurückzukehren.
Jenny Lux (1862-1939), Organistin
Sie gehörte zu den ganz wenigen Musikerinnen im ausgehenden 19. Jahrhundert, deren Instrument die Orgel war. Aus der als Virtuosin gefeierten Tochter des in Mainz tätigen Musikers und Komponisten Friedrich Lux wurde aber nie eine Berufsmusikerin.
Antoinette Fournier (1809-1882), Schauspielerin Auch wenn ihre Tante Emilie Huber die Legende vom Geburtsort Mainz in die Welt gesetzt hatte, um ihrer noch blutjungen Nichte ein Engagement am Mainzer Theater zu verschaffen: Antoinette, später Antonie, kam in Solingen zur Welt. Ihre Bühnenlaufbahn aber begann tatsächlich 1826 in Mainz und führte sie schon wenige Jahre später an das Hofburgtheater in Wien.
Ottilie Andes (1864-1909), Sopranistin
Von Mainz-Kastel ans Hamburger Stadttheater: Als knapp 20-Jährige startete Ottilie Andes zu Beginn der 1880er Jahre ihre Bühnenlaufbahn, die sie später über Leipzig und Nürnberg, dann nach Kassel an das dortige Hoftheater führte und ihr den Titel königliche Sängerin eintrug.
Elisabeth (Elise) Seyler (1812-1886), Schauspielerin Elise Seyler gehörte zu den wenigen Schauspielerinnen, denen es gelang, über Jahrzehnte hinweg an ein und derselben Bühne engagiert zu sein und auch noch als ältere Frau besetzt zu werden. Nach kurzen Engagements in Rostock, Greifswald und Stralsund kam sie für kurze Zeit zurück nach Mainz, um dann ab 1839 noch rund 35 Jahre am Theater in Wiesbaden zu arbeiten.
Ellen Maria Schiff-Milton (1904-1998), Sängerin Die Eltern der ehemaligen jüdischen Schülerin der Mainzer Höheren Mädchenschule waren alles andere als begeistert vom Wunsch ihrer Tochter, Sängerin zu werden. So finanzierte sie ihre Ausbildung selbst. Dank eines Engagements in der Schweiz in den späten 1930er Jahren, entging sie der weiteren Verfolgung durch das NS-Regime und konnte auch Mitglieder ihrer Familie retten.