Interview: David Gutsche, Foto: Ramon Haindl
Was ist eigentlich das PENG?
Wir sind ein gemeinnütziger Verein, haben um die 140 Mitglieder und bemühen uns um Kunst, Kommunikation und Design. Es gibt uns seit 2006 und wir sind Vereinsnomaden, d.h. wir ziehen regelmäßig durch die Stadt und versuchen, Räume für unwahrscheinliche Kommunikation aufzuschließen. Das PENG ist ein Raum, in dem experimentiert, in dem Öffentlichkeit geübt werden kann und in dem verschiedenste Personen versuchen zu interagieren und dabei möglichst viel Spaß zu haben. Hauptsächlich gibt es bei uns Ausstellungen, Konzerte, Theater und Lesungen, aber auch Workshops und Filmabende, klassische Konzerte – alles sehr bunt gemischt.
Das heißt, zu euch kann jeder gehen und mitmachen?
Ja. Die Leute, die ins PENG kommen und ihre Veranstaltungen durchführen, kommen von überall her, viele auch von der FH oder von der Kunstakademie, aber auch viele private Leute, Bands oder Autoren, die was lesen wollen. Kreative zumeist. Wir bemühen uns, offen zu sein für alle Altersgruppen, Bevölkerungsschichten und sämtliche Ideen. Der normale Modus ist, dass Leute Dienstagabend in die offene Runde kommen oder uns eine Mail schreiben, dass sie eine Veranstaltung planen. Das wird dann meistens im Dienstagsplenum besprochen, wir nennen das auch unser „offenes Wohnzimmer“.
Wie finanziert ihr euch?
Die Vereinsmitglieder zahlen einen jeweiligen Monatsbeitrag von 3,33 Euro, so bekommen wir ein bisschen Geld rein. Dann spenden uns Leute für Getränke, die sie bei uns konsumieren und wir veranstalten ab und an Partys. Wenn wir Geld brauchen, dann feiern wir gerne und das funktioniert meistens ganz gut. Macht viel Spaß, ist auch viel Arbeit, aber das ist unser finanzielles Rückgrat, die Spenden der Leute, die dahin kommen und das wertschätzen. Denn jeder im PENG arbeitet ehrenamtlich, keiner verdient dabei etwas. Das ist auch eines unserer wichtigen Grundprinzipien – der Gegenentwurf zu dem, was „draußen“ läuft, wo alles durchkommerzialisiert oder ökonomisiert ist. Wir sind stolz darauf zu zeigen, dass mit Engagement, Lust oder Spieltrieb und Experimentierfreude so etwas wie das PENG läuft.
Ihr seid schon oft umgezogen. Warum?
Das hat sich einfach so ergeben, auch weil wir manchmal etwas lauter sind … Daher sind wir gezwungen, immer in eine Zwischennutzung zu gehen, weil wir auch keine marktüblichen Mieten bezahlen können. Möglichkeiten, wo das PENG seine Veranstaltungen fahren kann, sind somit begrenzt. Und es ist eigentlich jetzt schon absehbar, dass wir wieder irgendwann eine neue Location brauchen. Das ist zwar anstrengend, fordert uns aber auch, weil es so ein Besitzdenken, Einwohnen oder auch Einrosten und bequemwerden verhindert. Jeder Umzug hat neue Energien frei gesetzt und neue Leute ins PENG gespült. Es ist immer ein großer Spaß, eine Location neu einzurichten, anzupassen, neu zu erfahren und auszuprobieren. Aktuell haben wir die Möglichkeit, für 1-2 Jahre wieder in die Schule zu gehen, denn wir dürfen die Peter-Jordan-Schule (Hartenberg) bespielen.
Was ist das besondere an diesem neuen Gebäude?
Das war mal eine Lehranstalt und vielleicht können wir etwas davon mit hinüber retten, dass wir das PENG auch als Lernzusammenhang verstehen, quasi ein freiwilliges und selbstbestimmtes Lernen, was man sonst in einer Schule nicht unbedingt erlebt. Das ist UNSERE Schule und wir sind Schüler und Lehrer gleichzeitig. Vielleicht hilft es ja sogar einigen, ihr Schultrauma zu überwinden. Zu unserer Eröffnung am 12. April werden wir auch eine Ausstellung von 6-7 Künstlern aus Mainz von der Kunstakademie haben. Außerdem Performance, 2 Konzerte und 3 DJs.
Mensch
Du hast Soziologie studiert. Nützt das im PENG?
Auf jeden Fall. Die Beschreibung eines Soziologen oder dessen, was er tut, sagt „Soziologie ist die Spezialisierung auf den Zusammenhang“. Und darin sehe ich meinen Job und das, was mir im PENG Spaß macht: die Vielschichtigkeit, die Polykontextualität, die Perspektiven und die Teilnehmer, trotz ihrer Verschiedenheit und Gegensätzlichkeit, ihrer verschiedenen Zeiten, Niveaus und Ansprüche. Die zusammenzubringen und daraus etwas zu formen, was Funktion, Kreativität und Ästhetik freisetzt und viel Spaß macht – gerade nach einem sehr theoretischen Studium, nach tausenden Seiten Text, ist es sehr erholsam, eine weiße Rolle in die Hand zu nehmen und zu sehen, wie weiß eine Wand wird oder wie eine Party mit 1.000 Leuten entsteht.
Du bist aus Berlin nach Mainz zum Studium gekommen. Und bleibst trotzdem hier?
Zunächst mal vergleiche ich Mainz mit Berlin nicht, das macht keinen Sinn. Vielleicht ist genau das eine berlinerische Einstellung. Kein Berliner würde auf die Idee kommen, sich mit Mainz oder einer anderen Stadt zu vergleichen, sondern da gibt es durchaus so eine arrogante Selbstgenügsamkeit. Ich glaube, die Hälfte der Berliner wissen noch nicht mal, dass es Mainz überhaupt gibt. Auch ich musste hier erstmal verstehen, dass Mainzelmännchen etwas mit Mainz zu tun haben. Aber natürlich gibt es auch in Mainz kreatives Potenzial. Das ist weltweit vorhanden. Ich habe Mainz bis jetzt als eine offene, lebendige Stadt erlebt. Ich komme hier mit den Leuten gut klar und in Mainz verpasse ich vielleicht am Abend 5 Sachen und in Berlin 1.000 Sachen. So oder so verpasst man was. Aber das würde ich Mainz vielleicht als Thema wünschen, dass es nicht woanders hinschielt, sondern sich selbst anschaut und damit anfängt zu bauen. Das ist nämlich das eigentlich Provinzielle – zu gucken, was machen denn die anderen? Scheißegal. Wir machen hier das, worauf wir Lust und die Möglichkeiten haben.
Wobei kannst du dich entspannen?
Ich fahre gerne Rad, auch ab und zu Radtouren. Die radikale Reduktion, die auf einer Radtour stattfindet, ist etwas sehr Erholsames. Und die körperliche Komponente ist was sehr Interessantes. Vor zwei Jahren sind wir nach Holland an die Nordsee gefahren, das waren an die 1.000 Kilometer. Letztes Jahr sind wir von Mainz nach Stockholm gefahren, ca. 2.200 Kilometer. Dieses Jahr werden es Portugal und Spanien. Mainz könnte übrigens da auch noch etwas fortschrittlicher werden. Das ist hier immer noch eine 50er Jahre Autokonstruktion, mit der wir konfrontiert sind, womit man einfach der Mobilitätsanforderungen der Leute nicht gerecht wird. Hat man ja jetzt schon rausgefunden, dass es gut ist für die Wirtschaft, wenn Leute sich bewegen und nicht im Stau stehen. Da könnte man mit relativ übersichtlichen Investitionen Lebensqualität herstellen, die eine Form von Mobilität fördern und für Gesundheit und Ökologie gut sind.
Was macht dir Angst?
Die Veränderung meines Weltbildes mit dem Älterwerden. Es ist nicht nur einfach, älter zu werden. Das sollte man im Auge behalten. Eine Leichtigkeit und Freundlichkeit gegenüber dem, womit man konfrontiert ist, dass sich das mit dem Alter manchmal verändert. Dass man darüber nicht traurig und verbittert wird, sondern seinen Gestaltungswillen und Optimismus behält. Gibt ja den Spruch: „Alt werden ist nichts für Angsthasen.“
Was macht dich glücklich?
Mit Menschen, die ich mag, zusammenzuarbeiten. Einen kleinen Beitrag in dieser Welt zu leisten, dass es ein Ort ist, an dem Menschen sich wohlfühlen. Und die Erkenntnis, dass es dazu vielleicht gar nicht soviel braucht.