Die 41-jährige Marta Liliana Medina Estrada arbeitet als Herzchirurgin in der Mainzer Uniklinik. Gleichzeitig legt sie regelmäßig unter dem Namen DJane Velasca in Mainzer Clubs auf, läuft Triathlon und ist in der Forschung aktiv. Wie tickt die Frau, die sich von nichts und niemandem stoppen lässt?
Dass sie einst zum „Stillstand“ gezwungen war, kann man sich bei der quirligen Kolumbianerin kaum vorstellen. Vielleicht ist das neben dem Temperament einer der Gründe, warum Marta Liliana Medina Estrada umso aktiver ist. Die 41-Jährige litt wie alle Frauen in ihrer Familie unter einer angeborenen Hüftdysplasie, einer Fehlstellung der Hüfte. Mit der Folge, dass sie sich einer Operation nicht mehr entziehen und danach für ein Jahr kaum bewegen konnte. Damals wohnte sie in Köln und der Eingriff stand nach ihrer Probezeit als Ärztin an: „Auf einmal stand alles auf der Kippe, und dass, nachdem ich aufgrund anfänglicher Sprachprobleme lange nach einer Anstellung in Deutschland suchen musste und endlich eine hatte.“ Von ihrem Weg konnte sie das jedoch nicht abbringen. Sie fing nach der OP an zu schwimmen und absolvierte ihre Zeit als Assistenzärztin in Bonn.
Volles Programm
In der Mainzer Uniklinik machte sie dann ihre Fachärztin. Nun arbeitet sie dort seit über zwei Jahren als Herzchirurgin, ist in einer Herzinsuffizienzgruppe engagiert, forscht zum Thema Kunstherzen und reist für Vorträge in der Welt herum. Wann immer es ihr Programm ermöglicht, legt sie außerdem als DJane Velasca auf Festen und in Clubs auf und nimmt in den Disziplinen Schwimmen und Radfahren an Triathlon- Wettbewerben teil: „Die Laufstrecke kann ich wegen meiner Hüftprobleme aber nicht bewältigen“, bedauert sie, „von daher betreibe ich Duathlon.“ Wie sie das alles unter einen Hut bekommt, wundert sie manchmal selbst. Eine Erklärung: dass sie wenig Schlaf benötige. Außer im Urlaub schläft sie oft nicht mehr als vier Stunden. Das erleichtere ihr auch die Nachtschichten in der Klinik. Und: „Man hat mehr Spaß und Energie, wenn man etwas mit Leidenschaft macht …“ Und damit meint sie alles, was sie tut.
Besessen von der Herzchirurgie
Aufgewachsen ist sie in Bogota und Madrid, wo ihr Vater zehn Jahre als Dozent beschäftigt war, bevor die Familie aus privaten Gründen in die kolumbianische Hauptstadt zurückkehrte. Deshalb hat Marta neben der kolumbianischen auch die spanische Staatsbürgerschaft. Ihr Interesse an Medizin ist sozusagen genetisch bedingt. Sowohl ihr Großvater als auch ein Onkel waren Anästhesisten, und ihr Vater widmet sich im Alter von 72 Jahren immer noch der Forschung. Seit sie denken kann, wollte sie daher Ärztin werden. Oft verbrachte sie sogar Urlaube während des Medizinstudiums in der Herzchirurgie einer Klinik. Es reizt sie das Filigrane und die Arbeit im Team, bei der jeder Handgriff aufeinander abgestimmt ist und funktionieren muss. Was die Forschung betrifft, liebt sie die Statistik. Und natürlich liegt ihr auch eine musikalische Begabung im Blut. So begann sie während ihres Studiums in kolumbianischen Clubs als DJane Velasca aufzulegen. „Das war noch auf Vinyl“, erinnert sie sich. „Wenn man auflegt, muss man sich konzentrieren. Deshalb wirkte es für mich wie eine Therapie meiner Hyperaktivität und Prüfungsangst“. Ihr Künstlername geht auf eine kämpferische Amazone aus einem Film ihrer Kindheit zurück.
Traumkarriere in Mainz
Kolumbien sei eine „Machowelt“ und die dortige Herzchirurgie eher eine Männerdomäne. Aus diesem Grund wollte die „Kämpferin“ nach ihrem Studium nicht in der Heimat bleiben. Sie kehrte zurück nach Madrid, arbeitete dort als Notärztin und legte nicht selten nach der Schicht in Clubs auf. Für ihre Traumkarriere zog sie schließlich trotz Sprachbarriere nach Köln und lernte dort ihren Lebenspartner kennen. Heute pendelt sie zwischen ihrer Wohnung in Mainz-Bretzenheim, Köln und (ab und zu) dem gemeinsamen Haus auf Gran Canaria.
In der Mainzer Uniklinik fühlt sie sich wohl. Inzwischen arbeitet sie dort zusammen mit ihrem Mentor und einem Team von ehemaligen Kollegen aus der Bonner Klinikzeit. Ansonsten liebt sie die Mainzer Geselligkeit auf (Wein-)Festen und in Lokalen. Für eine kleine Stadt habe Mainz eine beachtliche Kulturszene zu bieten. Am besten gefällt es ihr im Sommer, wenn sie auf ihrem Rad für Wettbewerbe trainiert. Und im Schwimmbad ist sie, wann immer es die Zeit zulässt, regelmäßig anzutreffen.
Das nächste Ziel ist auch schon in Sichtweite: Ihre Habilitation – nicht wegen des Titels, sondern aus Passion an der Forschung. „Ich wollte zum Beispiel nie Kinder. Ich hatte eine so schöne Kindheit, dass ich selbst immer eine absolut perfekte Mutter hätte sein wollen. Meine Leidenschaft für den Beruf kollidiert damit.“ Dass sie es mal ruhiger angehen lässt, kann sie sich nicht vorstellen. „Das würde mich, glaube ich, langweilen!“ Später einmal! Dann will sie sich vielleicht auf Gran Canaria niederlassen. Auf jeden Fall am Meer. Bis dahin ist sie kaum zu bremsen.
Text: Tina Jackmuth
Fotos: Jana Kay