von Wolfgang Wenzel (Artikel aus der Allgemeinen Zeitung)
Angst hat der Ortsbeirat, dass das Rotlicht-Millieu, bislang mit einigen Etablissements am Amöneburger Kreisel sowie am Gleisdreieck vertreten, bis nach Alt-Kastel vordringen könnte. In der Roonstraße habe sich schon ein Bordell etabliert, das gebe Anlass zur Besorgnis, sagte Jutta Deusser-Bettin (FDP). Sie wolle wissen, wie es die Stadt mit den Sperrbezirken halte, wo die Toleranzzonen in Kastel begännen und wo sie aufhörten.
Das pikante Thema nahm bei der Sitzung des Ortsbeirats auf Antrag der FDP breiten Raum ein. Da es die Stadtteilvertretung schon einmal vertagt hatte, wurde es diesmal als so wichtig erachtet, dass es in der Tagesordnung einige Plätze vorrückte. Angesichts von viel Getuschel mahnte die FDP-Vertreterin mehr Ernsthaftigkeit in der Diskussion an. Das Thema dürfe nicht lächerlich gemacht werden.
Rollläden und Vorhänge sorgen für Diskretion
Die Leiterin der Ortsverwaltung, Petra Seib, widersprach der Vorhaltung, dass die Stadt nichts gegen den Sexbetrieb unternommen habe. Anwohner der Roonstraße hätten sich an das Ordnungsamt gewandt, das die Situation überprüft und den Betrieb für zulässig befunden habe. Durch Rollläden und Vorhänge an den Fenstern werde gewährleistet, dass niemand aus den Nachbarhäusern in die Fenster hineinlinsen könne.
Josef Kübler (SPD) fand, dass die Diskretion trotzdem nicht gewahrt sei und führte eine Gefährdung für Kinder und Jugendliche in der Roonstraße an. Bürger hätten Gewerbeaufsicht, Polizei und Ordnungsamt eingeschaltet. Nichts sei geschehen, bemängelte er. Die FDP-Initiative laufe ins Leere, sagte SPD-Fraktionschef Klaus Beuermann. Was FDP-Vertreterin Deusser-Bettin anspreche, sei kein Bordellbetrieb, sondern mit dem Begriff Hausprostitution zu beschreiben. Dafür gebe es gesetzliche Vorgaben. Pro Appartement dürften nicht mehr als zwei Frauen ihren Geschäften nachgehen, eine Meldepflicht gegenüber der Stadt bestehe nicht, und das Finanzamt kassiere pro Betriebstag 25 Euro Steuern pauschal.
Dirnenwohnheime und Massagesalons nicht gestattet
Er sei ergriffen von so viel Sachverstand, hieß es in einem Zwischenruf von Ronny Maritzen (AUF)… Einstimmig beschloss der Ortsbeirat einen FDP-Antrag, in dem vom Rathaus Informationen verlangt werden. Die Stadt solle erläutern, wie sie es mit der vor 30 Jahren erlassenen Verordnung zum Schutz der Jugend und des öffentlichen Anstands halte, sagte Jutta Deusser-Bettin (FDP). Danach sei es nicht gestattet, Dirnenwohnheime, Massagesalons und andere Rotlicht-Etablissements zu eröffnen.
Ausgenommen seien fünf Bezirke im Stadtgebiet, in denen laut Sperrgebietsverordnung des Regierungspräsidiums Sex-Dienstleistungen zulässig seien. Die Vorgabe habe damals gelautet, zehn Prozent des Stadtgebiets für diese Art von Geschäften freizuhalten. Dazu zählten die Äppelallee in Biebrich, das Gewerbegebiet Petersweg in Kastel sowie Amöneburg. Damals habe sich die Stadt offenbar gedacht, sie könne das Millieu an den Rand abschieben, auf Terrain, das ehemals als Ackerland und Grünfläche eingestuft gewesen sei. Daraus sei bis heute begehrtes Bauland geworden.