ein Kommentar von Ann-Christin Eikenbusch & David Gutsche
ECE – Drei Buchstaben, die seit einiger Zeit für großen Wirbel sorgen. Die Hamburger Einkaufs-Center-Entwicklung mbH ist der Goliath unter den Konsumtempel-Betreibern. Nun will sie auch das beschauliche Mainz einnehmen und uns ihre Vision eines Einkaufsquartiers aufs Auge drücken. Der Aufschrei war groß und ist es bis heute:
Seit 2011 laufen die Diskussionen um das Karstadt-Areal am Gutenbergplatz zwischen ECE, Stadt und Einwohnern, für die sich sogar eine eigene Bürgerinitiative zusammengeschlossen hat. In regelmäßigen Abständen veranstaltet sie die so genannten LudwigsstraßenForen (LuFo), um Stadt und Bürger an einen Tisch zu versammeln. Denn: So ein modernes Einkaufszentrum stört nicht nur möglicherweise den Blick auf Dom und Altstadt – vor allem der inhabergeführte Einzelhandel fürchtet um seine Existenz, wenn in direkter Nachbarschaft große Ketten die Besucherströme abfangen. Martin Lepold, Vorsitzender der Mainzer Werbegemeinschaft, bleibt dennoch gelassen: „Es wird keiner sein Geschäft hier in der Altstadt aufgeben müssen. Dennoch wird die Vielfalt der Stadtquartiere sicherlich unter der geballten Konzentration leiden.“
Konsens oder Kapitulation?
Kurze Wege und ein Dach über dem Kopf, falls das Wetter das Shoppingvergnügen stören sollte, sind natürlich reizvoll. Dazu strahlen grelle Farben aus Schaufenstern, an denen man sich die Nase platt drückt und in denen mit „unschlagbaren“ Angeboten der immer gleichen Ketten gelockt wird: Einkaufscenter sind Freud und Leid zugleich. Doch was einem bisher mit dem Karstadt-Gebäude ins Auge fällt, sobald man das Staatstheater verlässt, ist auch nicht wirklich schön zu nennen. Anfang Juni wurden also die Rahmenbedingungen für das geplante neue Shopping- Center in einem Eckpunkte- Papier konkretisiert und kürzlich, am 16. Oktober, das städtebauliche Planungskonzept im Rathaus präsentiert. „Wir haben intensiv verhandelt und unser Mandat der Bürgerinnen und Bürger der Stadt Mainz sehr ernst genommen, die Leitlinien gegenüber ECE durchzusetzen“, versichert Oberbürgermeister Ebling.
Das neue Konzept sieht im Wesentlichen ein Ensemble aus fünf Einzelbaukörpern vor. Es handele sich also um „keine zusammenhängende bauliche Anlage, sondern um ein städtisches Viertel“, betont Ebling. Um gläserne Modernität mit mittelalterlicher Fassade harmonisch zu vereinen, soll Anfang 2014 ein Architektenwettbewerb ausgerufen werden. Und auch der freie Domblick sei mit einer gestaffelten Quartiershöhe von 12 Metern hin zur Lu und 18 Metern dahinter gewährleistet. Nach wie vor wird jedoch Kritik zur geplanten Verkaufsfläche von 28.000 Quadratmetern laut: „Die reine Einzelhandelsfläche ist eindeutig zu hoch. Wir fordern 25.000 Quadratmeter“, betont Lepold, „mit rund 100 neuen Geschäften – damit macht man doch den Rest der Stadt platt!“ Positiv bewertet er dafür die neuen Wege zwischen den Gebäuden. Doch auch diese sollten mit Skepsis betrachtet werden: ECE wisse schon, wie man die so gestaltet, dass die Menschen im Quartier bleiben und nicht so schnell heraus finden. Auch den Wunsch vieler Bürger nach einer Mischnutzung des Komplexes, in dem eine Kita, Büros oder auch neuer Wohnraum Platz finden könne, akzeptiert ECE nicht. Dr. Gerhard Heck, einer der Sprecher der BI, bedauert dies: „In allen Centern der Stadt, am Brand und in der Römerpassage, wird Einkaufen, Arbeiten und Wohnen verbunden. Diese Mischnutzung, die eigentlich das Etikett ‚mainztypisch’ verdient hätte, wird ECE zuliebe nicht realisiert.“ Aus ihrer Befürchtung „ECE diktiert – die Stadt pariert“ sei Realität geworden, sagt er.
Konsum setzt sich also scheinbar durch. Innovative Alternativen: Fehlanzeige. Der Mensch begreift sich nach wie vor offensichtlich in erster Linie als Wirtschaftssubjekt. Kaufen, kaufen, kaufen! Als hätten wir nicht schon genug (gelernt). Oder haben wir Mainzer schlicht und einfach Angst vor dem Neuen? „Mainztypisch“, „mainzigartig“, „das Mainzer Modell“ – Sowohl ECE als auch die Stadt wurden während der Vorstellung des „neuen“ Konzeptes nicht müde, der 200-Millionen-Euro-Investition schöne Beinamen zu geben. Aber wann hat der K(r)ampf ein Ende? Ob Mainz gegen den Riesen gewinnen kann, ohne sich verkaufen zu müssen, wird sich beim Grundsatzbeschluss des Stadtrats am 4. Dezember zeigen. Davor findet noch das achte LuFo statt, um das Konzept breit zu diskutieren. Die Schlacht ist also noch nicht entschieden. Und nicht immer muss der Stärkere gewinnen.