Text: Lea Sophie Preußer
Illustration: Hendrik Schneider
Ein Klischee über Frauen ist ja, dass sie häufig genervt sind vom sexuellen Verlangen ihres Mannes. Dass sie öfter „Kopfschmerz“ haben als „Lust“. Auch soll es ja nicht selten sein, dass je länger ein Paar zusammen ist, der Sex umso seltener wird. Ich bin dahingehend noch nicht so erfahren. Zwar hatten mein Freund und ich am Anfang unserer Beziehung öfter Sex als heutzutage, aber wir haben uns am Anfang auch öfter gesehen. Ich glaube, damals waren Ferien. Ich habe mich jedenfalls nie als eine Frau eingeschätzt, die keine Lust auf Sex hat. Es macht ja Spaß, gehört zu einer intakten Beziehung und entspannt (häufig). Und selbst wenn man sich danach mal nicht besser fühlt, dann waren es ja auch nur durchschnittlich 17 (laut einer Studie) vergeudete Minuten. Genauso wie Nachrichten gucken oder duschen – das macht man schließlich auch jeden Tag. Wobei ich nicht jeden Tag die Nachrichten gucke. Da ist mir meine Zeit zu kostbar, dann doch lieber Sex. Ich stand diesem Experiment, jeden Tag Sex zu haben, jedenfalls sehr positiv gegenüber. Um ehrlich zu sein, ich hatte sogar gedacht, dass wir sowieso jeden Tag Sex hätten. So kann man sich täuschen …
Wenn aus wollen müssen wird
Die ersten drei Tage waren kein Problem. Aber am vierten habe ich mir dann im Fitnessstudio einen Nerv im Rücken eingeklemmt, und meine Bewegungsfreiheit wurde so leicht eingeschränkt – auch im Bett. Das kommt nicht so heiß rüber. Von da an ging es stetig bergab. Manchmal mussten wir uns sogar gegenseitig daran erinnern, noch miteinander zu schlafen. Sex ist ja selten etwas, worüber man viele Worte verliert. Ob das gut oder schlecht ist, sei dahingestellt. Aber seinen Freund abends mit den Worten „Komm, Schatz! Du weißt doch, wir müssen noch“, vom Fernseher wegzulocken, macht auf jeden Fall weniger Spaß, als vor den Freundinnen in einer Cocktailbar über seine Fähigkeiten im Bett zu prahlen. Ich kann mir wirklich nicht vorstellen, wie Pärchen zum Abschluss kommen, wenn sie nach einem genauen Zeitplan Sex haben müssen, um zum Beispiel schwanger zu werden. Man will einfach nicht Sex haben müssen. Weder als Frau noch als Mann. Der vermeintliche Männersegen – eine Frau, die immer mit ihm schläft – kann auch zur Qual werden.
Sex entspannt, ist aber leichter, wenn man schon entspannt ist
Besonders kompliziert wird die jeden-Tag-Sex-haben-Geschichte, wenn beide ein Leben haben, berufstätig sind und vielleicht auch mal Freunde treffen wollen. Wenn ich jeden Tag um acht Uhr morgens im Büro sitzen muss, ist die Motivation relativ gering, ihn dann 20 Minuten vorher noch für ein kurzes Stelldichein zu wecken. Dann wird es lieber auf den Abend verschoben, auch wenn man weiß, dass man dann Gäste hat und wahrscheinlich erst um vier Uhr morgens ins Bett fällt. Auch wenn Sex nicht lange dauern muss, und es manchmal sogar gerade den Reiz ausmacht, dass man ihn zwischen zwei Termine schiebt, so möchte ich trotzdem keinen To-Do-Punkt daraus machen.
Obwohl ich dieses Experiment als gescheitert ansehe, muss ich trotzdem sagen, dass jeden Tag Sex haben, ein erstrebenswertes Ziel sein kann. Sex kann besser entspannen als drei Stunden Sport – und es geht schneller. Außerdem gibt es Beziehungsprobleme, die es vielleicht nicht gäbe, wenn man einfach mal wieder mit seinem Partner schlafen würde. Manchmal klären sich so Dinge, ohne dass man drüber reden muss. Vielleicht sollten sich Frauen öfter auf Sex einlassen, auch wenn sie Kopfschmerzen haben. Die sind danach bestimmt weg. Und vielleicht bekommen sie so auch die eine oder andere Blume, die sie sonst nicht bekommen hätten. Nicht, dass ich eine bekommen hätte, aber mein Experiment ist ja auch gescheitert. Vielleicht ist es erfolgreicher, nicht darüber zu reden. Dann ist es auch nicht so schlimm, wenn es nicht klappt. Es soll ja sogar Männer geben, die manchmal keine Lust auf Sex verspüren.
Diese Überlegungen gelten natürlich nur für eine feste Beziehung. Über die Schwierigkeiten, ein solches Experiment als Single durchzuführen, möchte ich lieber gar nicht erst nachdenken…