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Der weltreisende Revolutionär – Georg Forster und die Mainzer Republik

Ethnologe, Naturforscher, Reiseschriftsteller – und Revolutionär. Mit 18 Jahren begleitet Georg Forster mit seinem Vater den sagenumwobenen Kapitän James Cook auf dessen Weltumsegelung. Sie führt ihn unter anderem in die Südsee und nach Feuerland. Eindrucksvolle Erfahrungen und Wissen sammelten die Forscher in der Ferne. Den meisten Mainzern ist der berühmte Forscher nur wenig bekannt. Obwohl der schöne Neubau der Sozialwissenschaften auf dem Campus sowie eine Straße in der Neustadt nach ihm benannt sind. Mit Mainz verband Forster vor allem das erste bürgerlich-demokratische Staatsexperiment: die „Mainzer Republik“, an dem der gebürtige Ostpreuße maßgeblich beteiligt war. Im November feiert dieses Experiment sein 225. Jubiläum – in einer Zeit, in der wieder viel über Demokratie diskutiert wird.
Zeit der französischen Besatzung

Am 21. Oktober 1792 besetzt ein französisches Revolutionsheer Mainz. Zu einer Zeit, als die Monarchen noch fest im Sattel sitzen. Die Ziele der Revolution sollen in die Welt getragen werden: Vom Volk gewählte Parlamente und die Befreiung der Gesellschaft von den feudalen Vorrechten werden propagiert. Georg Forster, der an der Mainzer Uni als Oberbibliothekar tätig ist, lässt sich – wie viele deutsche Gelehrte dieser Zeit – für die Ideen der Revolution begeistern. Da er aufgrund seiner Expeditionen Weltstar-Status genießt, möchten ihn die Revolutionäre für sich vereinnahmen. Zögerlich tritt er der Bewegung bei und wird Abgeordneter in einem kleinen Freistaat, der grob das linksrheinische Gebiet zwischen Landau und Bingen umfasst.

Ringen um die Mainzer Bevölkerung

In den Städten und Dörfern rund um Mainz wird immer stärker für die Ideen der Revolution und für die Errichtung einer Republik geworben. Im Dezember 1792 ergibt eine Umfrage, dass in 29 von 40 befragten Gemeinden die Mehrheit der Wahlberechtigten (Männer ab 21 Jahren) eine neue Staatsform nach französischem Vorbild befürwortet. Die Bevölkerung wird aufgefordert, einen Eid auf die neue Gesellschaft zu leisten und auf alle Standesprivilegien zu verzichten. Nur wer sich dafür ausspricht, darf an den Wahlen teilnehmen. Die Wahlbeteiligung ist schließlich jedoch gering. In Paris ist man trotzdem fest entschlossen, die demokratische Ordnung in den besetzten deutschen Gebieten notfalls auch gegen den Willen der Bevölkerung zu etablieren. „Die Pressefreiheit herrscht endlich innerhalb dieser Mauern, wo die Buchdruckerpresse erfunden ward“, schreibt Forster in der neu gegründeten „Die neue Mainzer Zeitung oder Der Volksfreund“. Mit dem Rheinisch-Germanischen Nationalkonvent, wie die Mainzer Republik offiziell heißt, wird schließlich im März 1793 das erste, vom Volk gewählte Parlament auf deutschem Boden installiert. Die Freiheit währt allerdings nicht lange, denn die Mainzer Republik existierte nur fünf Monate bis Juli 93, als die besetzten Gebiete von deutschen Truppen zurückerobert werden.

Ein demokratisches Vorbild für heute?

Wo heute so viel über Demokratie phantasiert wird, taugt da die erste demokratische Bewegung auf deutschem Boden noch als Vorbild? Nur bedingt. Hat sich doch eine aufgezwungene Demokratie nur selten dauerhaft etablieren können – wie etwa die US-Intervention seinerzeit im Irak. Eine Demokratie, die mit Waffengewalt und Zwangseiden durchgesetzt wird, entspricht nicht dem heutigen Demokratieverständnis. Die Stadt Mainz bekennt sich indes klar zu diesem Teil ihrer Geschichte, hat sie doch 2012 den Deutschhausplatz vor dem Landtag in „Platz der Mainzer Republik“ umbenannt. Mit einer ganzen Reihe von Veranstaltungen begeht Mainz im Herbst und Winter das Jubiläum. Das Staatstheater zeigt in der aktuellen Spielzeit zwei Stücke über das schillernde Leben Forsters: „Drei Mal die Welt“, eine Kooperation mit dem Deutschen Nationaltheater Weimar, wird am 17. Februar 2018 uraufgeführt. „Die gescheiterte Freiheit“ – so untertitelte die Stadtbibliothek eine im Oktober zu Ende gegangene Ausstellung über die Invasion der französischen Revolutionsarmee. Dem Kosmopoliten Forster bekommt sein Engagement für die Revolution schließlich selbst schlecht: Zwischenzeitlich nach Frankreich entsandt, darf er nach der Rückeroberung der Stadt nicht mehr nach Mainz zurückkehren. Er stirbt 1794, verlassen von seiner Familie und verarmt in Paris.

Text: Katja Marquardt

Illustration: Lisa Lorenz