aus dem kicker von Benni Hofmann & Georg Holzner:
Die Mitgliederversammlung des 1. FSV Mainz 05 an diesem Montag könnte erneut sehr brisant werden. Wieder einmal rücken zwei Themen in den Vordergrund: die Vergütung des Vereinschefs Stefan Hofmann sowie die Entlastung des Altvorstandes. Tatsächlich aber geht es um viel mehr als Geld. Es geht um Macht, um Einfluss. Und um einen bislang geheim gehaltenen Deal, der Fragen aufwirft.
Auf einer Fastnachtssitzung im Februar zeigte die Mainzer Fastnachtsgemeinschaft „die Meenzer Drecksäck“ einen ziemlich witzigen Film, der vom Ausscheiden des Detlev Höhne als Vorstandschef der Stadtwerke Mainz AG handelte. Die letzten Worte von Höhne, zu diesem Zeitpunkt bereits Aufsichtsratschef des 1. FSV Mainz 05, in dem komödiantischen Beitrag: „Dann geh ich jetzt zu den Nullfünfern und bring die ein bisschen durcheinander.“ Das Publikum johlte. Doch wie so oft steckte in karnevalistischer Satire ein Stück Wahrheit.
Drei Wochen zuvor hatte Höhne noch Wahlkampf geführt, wenn auch nicht für sich selbst. Sein Plan, die Aufsichtsratskollegin Eva-Maria Federhenn, an deren Reden er höchstselbst feilte, auf den damals vakanten Vereinsvorsitz zu hieven, ging nicht auf. Stattdessen votierten die Mitglieder für Stefan Hofmann, den früheren Leiter des Nachwuchsleistungszentrums. Nicht weiter schlimm für Höhne. Denn Hofmann hatte er in der Hand.
Doch der Reihe nach: Wieder einmal steht eine für den FSV richtungsweisende Mitgliederversammlung vor der Tür. Wieder einmal könnten zwei Themen diesen Abend prägen: die Aufwandsentschädigung des Vereins- und Vorstandsvorsitzenden sowie die Entlastung des Altvorstandes.
Vereins- und Vorstandsvorsitzender erhält bislang nur Spesen – kein Gehalt
Die lange der Öffentlichkeit unbekannte Vergütungsregelung des früheren Präsidenten Harald Strutz sorgte vor zwei Jahren für Aufregung. Daher beschloss die Mitgliederversammlung damals, dass der Vereinsvorsitz künftig ehrenamtlich auszuführen sei. Der Aufsichtsrat gestand Ex-Präsident Johannes Kaluza 3000 Euro pro Monat zu. Für mögliche Ausgaben im Auftrag des Vereins: unter anderem Hotelübernachtungen bei Auswärtsspielen, Flüge und Taxifahrten oder Kurzaufenthalte in Trainingslagern. Nach einem Jahr sollen diese überprüft werden. Fallen die Ausgaben geringer aus, muss der Vorstandschef zurückzahlen. Fallen sie höher aus, erhält er eine Erstattung. Der Vorstandsvorsitzende eines mehr als 100-Millionen-Euro-Umsatz-Unternehmens erhält also nur einen Spesenausgleich. Kein Gehalt.
Kaluza, dem finanziell unabhängigen Unternehmer, war dies relativ egal. Hofmann allerdings ist wesentlich stärker auf eine Vergütung angewiesen. Schon zu NLZ-Zeiten wurde er als hauptamtliche Führungskraft im Vereinsnachwuchs bezahlt. Heute erhält er keinen Ausgleich für die Stunden, die er im Job reduziert hat, obwohl er mit Sportvorstand Rouven Schröder und dem kaufmännischen Vorstand Dr. Jan Lehmann wichtige strategische Entscheidungen zu treffen hat. Die Frage nach einem hauptamtlichen Vereins- und Vorstandsvorsitzenden ist daher legitim.
Bitsteller Hofmann muss auf die Gunst des Aufsichtsrates hoffen
Eine Anfang 2018 einberufene Satzungskommission hatte gemäß einem dem kicker vorliegenden Protokoll der entsprechenden Mitgliederversammlung den klaren Auftrag, „(?) einen Satzungsvorschlag zur Hauptamtlichkeit zu erarbeiten“. Das tat sie aber nicht. Stattdessen wurde am 17. September auf einer Informationsveranstaltung ein „Votum der Arbeitsgruppe“ vorgestellt, nach dem „die Regelung eines grundsätzlich ehrenamtlich tätigen Vereins- und Vorstandsvorsitzenden beibehalten werden soll“. Sie traf also eine Empfehlung, anstelle einen Vorschlag auszuarbeiten.
Engelbert Günster, Vize-Chef des Aufsichtsrats, präsentierte ein Modell, das der bis Donnerstag gültigen Regelung des SC Freiburg ähnelt (im Breisgau gilt künftig eine neue Satzung). Demnach soll dem Vorstandschef Hofmann für seine Arbeitsleistung im wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb „eine angemessene Vergütung gewährt werden“. Die Krux: Festzulegen vom Aufsichtsrat. Der finanziell abhängige Hofmann muss also auf die Gunst von Höhne, Günster und Co hoffen – und tritt damit als Bittsteller vor den Aufsichtsrat. Was ihn auch in seiner Arbeit abhängig macht.
Was den Mitgliedern nicht erzählt wurde
Dazu passt, dass sich Seltsames zutrug im Vorfeld jener Informationsveranstaltung. Denn im ursprünglichen Entwurf der Satzungskommission war die Empfehlung enthalten, dass nicht wie zuletzt der Aufsichtsratsboss, sondern künftig der Vereinsvorsitzende die Mitgliederversammlung leiten soll. Eine Machtfrage! Denn wer hier das Zepter führt, kann Themen – oder Wortbeiträge auf Mitgliederversammlungen – anschieben oder eben ausbremsen. Als der Satzungsentwurf dann zur Kontrolle durch den Aufsichtsrat geisterte, wurde dieser Vorschlag ersatzlos gestrichen (nun gibt es einen neuen Antrag für die aktuelle MV). Erzählt wurde das niemanden. Die Intransparenz hält also auch im Aufsichtsrat an.
Das zeigt ein weiteres Beispiel: die Hintergründe der Entlastung des Altvorstandes. Erst hatte der AR dies auf der Mitgliederversammlung Ende Oktober 2017 noch verweigert. Es fehlte eine Auskunft der Staatsanwaltschaft, wo drei Anzeigen eingegangen waren. Erst als klar war, dass diese Akten geschlossen wurden, reichte man die Entlastung nach. Aufsichtsratschef Höhne erklärte in der Pressemitteilung, in den „letzten Tagen über alle offenen Fragen mit dem Alt-Vorstand Einvernehmen erzielt“ zu haben. Einvernehmen? Das klingt nach einem Deal. Und es war ein Deal, dessen konkrete Inhalte den Mitgliedern bislang vorenthalten blieben.
Ein Deal im Hinterzimmer
Denn im Protokoll der Aufsichtsratssitzung vom 14. November 2017, das dem kicker zugespielt wurde, ist von Gesprächen Höhnes, eines Rechtsbeistandes sowie Vertretern des Alt-Vorstands die Rede. Darin heißt es: „Hieraus ergab sich, dass der Altvorstand im eigenen und im Interesse des Vereins eine gerichtliche Klärung der Sach- und Rechtlage nicht befürwortet. Weiterhin hat der Altvorstand eine Zahlung in Höhe von 12.000 Euro an den Verein zugesagt.“ 12.000 Euro? Wofür?
Den Kontrolleuren schien diese Lösung jedenfalls ganz recht. Sie diskutierten laut Protokoll „die rechtlichen und öffentlichkeitswirksamen Folgen einer gerichtlichen Klärung“. Offenbar befürchteten sie eine Schlammschlacht und beschlossen – bei einer Enthaltung, wie es aus dem Protokoll hervorgeht – die Entlastung. Die Hinterzimmer-Politik geht also weiter. Von der so häufig gepredigten Transparenz fehlt jede Spur. Ungewöhnlich, wenn man sich Compliance auf die Fahne geschrieben hat…
So soll der Einfluss steigen
Unabhängig davon bastelt Höhne als Aufsichtsratschef weiter an seinem Einfluss. Der Aufsichtsrat soll künftig entscheiden, wer für die Wahl zum Ehrenrat seitens der Mitgliederversammlung zugelassen wird. Der Ehrenrat wiederum schlägt die Kandidaten für die Wahlkommission vor. Und die Wahlkommission ist letztlich dafür zuständig, der Mitgliederversammlung die Kandidaten für den Aufsichtsrat und den Vereinsvorsitz auszuwählen. Geht diese geplante Satzungsänderung durch, könnte das Kontrollgremium über die Hebel Ehrenrat (auch als Ältestenrat bekannt) und Wahlkommission seine eigene Zusammensetzung stark beeinflussen. Klingt nach karnevalistischer Satire. Ist es aber nicht. Denn auf diesem Weg kann bei den Nullfünfern im Sinne von Höhne tatsächlich nichts mehr durcheinandergebracht werden.