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Das sensor 2×5 Interview: Konrad Lenzinger (Dombaumeister)

Der Dom ist zwar immer das Herzstück, aber die Aufgabe ist viel umfangreicher – und es gibt ständig was zu tun.

Beruf

Sie sind seit Kurzem Dombaumeister – zuvor war die Stelle 24 Jahre lang unbesetzt. Woran lag das?

Tatsächlich gab es über zwei Jahrzehnte keinen Dombaumeister. Zwischenzeitlich übernahm der Domdekan die Leitung des Dombauamts mit Unterstützung der entsprechenden Fachgremien. 2018 gab es einen Anlauf, das Amt neu zu besetzen. Doch im Domkapitel war man sich lange uneinig, ob man eher einen Kunsthistoriker oder vielmehr einen Bauingenieur sucht – also jemanden, der sich wissenschaftlich mit der Geschichte und den Kunstschätzen beschäftigt, oder jemanden, der praktisch vor Ort arbeitet. Nach Änderungen in der Kommissionszusammensetzung erhielt ich schließlich die Chance.

 

Was umfasst Ihre Arbeit als Dombaumeister?

Meine Verantwortung geht weit über den Dom hinaus. Ich betreue sämtliche Instandhaltungs- und Restaurierungsmaßnahmen am Dom und kümmere mich gemeinsam mit unseren Handwerkern und externen Firmen um die Pflege und Konservierung. Dazu kommen aber noch rund 70 Liegenschaften – Wohnungen, Geschäfte, Büros. Tatsächlich macht die Betreuung dieser Immobilien derzeit einen Großteil meiner Tätigkeit aus. Viele denken, als Dombaumeister sei man ausschließlich für den Dom zuständig. Tatsächlich trage ich die Verantwortung für alle Liegenschaften des Bistums. Der Dom ist zwar immer das Herzstück, aber die Aufgabe ist viel umfangreicher – und es gibt ständig etwas zu tun.

 

Mit welchem Team arbeiten Sie zusammen?

Ich habe eigene Steinmetze, Schreiner, Maler in der Bauhütte – sogar eine Domgärtnerin gab es, die nun leider gesundheitsbedingt aufhören muss. Die Maler arbeiten häufig in den Liegenschaften, die Steinmetze sind hingegen über 95 Prozent ihrer Zeit am Dom selbst tätig. Ich bin selbst Steinmetz und Bildhauer. Daher kann ich mit meinen Steinmetzen auf Augenhöhe diskutieren, auch über Details wie Oberflächenbearbeitung oder Materialmischungen. Das Verständnis aus der eigenen Berufspraxis erleichtert den Austausch und schafft Vertrauen.

 

Was macht das Arbeiten am Dom besonders?

Der Mainzer Dom ist eine romanische Kirche – viel massives Mauerwerk, wenig filigranes Zierwerk. Das heißt: Wir sind ständig auf Kontrollgängen, müssen Steine und Fugen überprüfen, renovieren und erhalten. Sobald ein Teil geschafft ist, wartet schon der nächste. Eine echte Daueraufgabe. Nach dem Südgiebel des Westquerhauses stehen anschließend die Flankentürme des Westchors an. Die Dächer erfordern laufend Pflege – bei Sturm muss schnell überprüft werden, ob Schieferplatten beschädigt wurden. Hier setzen wir inzwischen auf Drohnen, um den Zustand schnell und sicher zu beurteilen. Die Qualität und Authentizität steht immer im Mittelpunkt.

 

Wie sieht ein typischer Arbeitstag bei Ihnen aus?

Mein Tag beginnt um 7 Uhr mit der Bauhütte. Geplant habe ich meist viel, komme aber selten dazu das Geplante umzusetzen, denn oft gibt es ungeplante Vorfälle in den Immobilien, von Wasser im Keller bis hin zu Feueralarm. Unterstützt werde ich von einem kleinen Team zur Koordination der Notfälle und Instandhaltungsarbeiten, sodass ich genug Freiraum für strategische Aufgaben habe.

 

Mensch

Können Sie kurz Ihren Werdegang skizzieren?

Ich bin in Karlsruhe geboren und in Durlach aufgewachsen. Nach Schule und Wehrdienst in Hessen habe ich eine Ausbildung als Steinmetz in Ettlingen absolviert mit Berufsschule in Freiburg und überbetrieblicher Ausbildung in Mainz. Später habe ich noch zwei Jahre am Kölner Dom gearbeitet, bevor ich nach Durlach zurückging und schließlich ein Architekturstudium an der Fachhochschule Karlsruhe begann. Nach dem Studium habe ich 1998 bei einem Karlsruher Architekturbüro angefangen, war über ein Jahr in Leipzig tätig – das war zur Zeit des Baubooms im Osten. Danach arbeitete ich in einem Büro, das sich mit archäologischer Denkmalpflege beschäftigt – unter anderem mit Burgruinen in der Pfalz und dem römischen Bühnentheater in Mainz. Es folgten 13 Jahre in einem Büro in Landau, das auf Natursteinfassaden und historische Bauten spezialisiert war.

 

Sie sind viel umgezogen – warum?

Ich habe die Chancen genutzt, die sich boten. Auch später ergaben sich immer wieder Gelegenheiten, wie die Arbeit in der archäologischen Denkmalpflege. Da musste man flexibel sein – das war ich. Ich habe außerdem Familie, aber keine eigene gegründet. Das macht vieles leichter – zum Beispiel den Wechsel von Karlsruhe nach Mainz. Allerdings wohne ich nur unter der Woche in Mainz und am Wochenende bin ich immer noch in Karlsruhe.

 

Gab es ein Schlüsselerlebnis, das Ihr Interesse an (Bau) Geschichte geweckt hat?

Mein Vater hat uns – meinem älteren Bruder und mir – oft ins Badische Landesmuseum mitgenommen. Ich war etwa sechs, als ich dort zum ersten Mal Marmoridole der Kykladen sah – das hat mich tief beeindruckt. Wir haben auch andere Museen besucht, aber die Antike hat mich gepackt.

 

Als Dombaumeister sind Sie an einem sakralen Ort tätig. Spielt Glaube in Ihrem Leben eine Rolle?

Ich bin Protestant und Religion war für mich persönlich nie sehr prägend – eher im Hintergrund, als Wertegerüst. Aber ich gehe gerne in Kirchen, setze mich dort zehn Minuten in eine Bank, genieße die Ruhe und Atmosphäre. Das hat etwas Besonderes.

 

Sie legen Wert auf offene Kommunikation – ist Ihnen das auch in Mainz wichtig?

Auf jeden Fall. Ich möchte, dass man mich einfach ansprechen kann – auf Augenhöhe. Ich brauche nicht unbedingt eine Terminvereinbarung über Sekretariate. Wenn jemand ein Problem auf der Baustelle hat, soll er vorbeikommen können. Ich hoffe, dass ich das mit meinem Team auch leben kann, und vielleicht schaffe ich es in meinen Jahren hier sogar, erste Restaurierungen im Innenraum des Doms anzustoßen. Wichtig ist mir vor allem auch, dass die Mainzer merken: Da bewegt sich etwas.

 

Interview: David Gutsche
Foto: Jana Kay

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