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Auf den Spuren der Freimaurer

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Text Florian Barz

 

 

Seit Jahrhunderten spekulieren Menschen über die Geheimnisse der Freimaurer. Auch im Rhein-Main-Gebiet gibt es Logen.

Das Café 7 Grad am Zollhafen. Pünktlich zur vereinbarten Zeit treten zwei geheimnisvolle Männer in Anzügen ein, die Haare schlohweiß, Falten ziehen sich durch die Gesichter. Das müssen sie sein, die Freimaurer der Mainzer Loge „Minerva“. Es stellt sich jedoch heraus, die älteren Herren sind nur Café-Besucher. Die echten Freimaurer, die kurz darauf am Tisch Platz nehmen, erfüllen mein Klischee in keiner Weise: Männer in den besten Jahren mit Genießerplautze und rheinhessischem Dialekt. „Sie erkennen uns Freimaurer nicht am Äußeren“, sagt Gerhard Westphal* (49) mit einem verschmitzten Lächeln und bestellt erstmal Diätcola.

Verfolgung und Unverständnis

Westphal gehört der Mainzer Loge „Minerva“ an. Als Meister vom Stuhl leitet er die templerische Arbeit, wie die Freimaurer ihre regelmäßigen Treffen nennen. Was genau in ihrem „Tempel“ passiert, bleibt Außenstehenden jedoch verborgen. Der Tempel sieht auf Fotos auch eher aus wie ein Gemeinschaftsraum irgendwo in der Stadt. „Wir sind eine äußerst diskrete Gesellschaft“, erklärt Frank Arnold* (44), ebenfalls Meister der Loge, und dämpft die Stimme. Verschwiegenheit ist eines der wichtigsten Gebote bei den Freimaurern. „Wir würden zum Beispiel niemals einen Bruder oder eine Schwester in der Öffentlichkeit outen.“

Diese Geheimniskrämerei schützt den Bund und seine Mitglieder und schürt zugleich Misstrauen und Ressentiments. Seit Jahrhunderten grassieren Verschwörungstheorien, wonach die Freimaurer die Weltherrschaft anstreben oder satanischen Ritualen fröhnen. Papst Clemens XII. verhängte 1738 sogar einen Bannfluch über sie: Im dritten Reich verboten die Nazis alle Logen, viele Freimaurer starben in KZs. Auch in der DDR und der Sowjetunion litten Freimaurer unter systematischer Verfolgung. „Aber das Freimaurertum hat alle Verfolgung überdauert“, sagt Westphal genugtuend.

Weltweites Netzwerk

Freimaurer gibt es inzwischen auf der ganzen Welt. Schätzungen sprechen von 6 Mio. Mitgliedern, 15.000 davon in Deutschland. Ein geheimes, weltweites Netzwerk, dessen Mitglieder einander über Handschläge und Worte erkennen. Der Ursprung der Freimaurerei wurzelt in den mittelalterlichen Dombauhütten. Freie Bauleute organisierten sich in Bünden und überlieferten ihr Wissen unter Maßgabe der Geheimhaltung. Im Laufe der Zeit wurde die reale Arbeit am „rauen Stein“ zum Symbol für die Arbeit jedes Einzelnen an sich selbst.

„Jeder von uns strebt danach, ein besserer Mensch zu werden“, erklärt Arnold. „Gleich unbehauenen Steinen, die Stück für Stück bearbeitet werden. Hin zur Vollkommenheit.“ Die Freimaurer orientieren sich dabei an den Werten der Aufklärung: Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit, Toleranz und Humanität – so lauten ihre fünf Grundideale. „Nichts davon ist unmodern geworden“, sagt Westphal mit Nachdruck, „im Gegenteil: Das Eintreten für die Achtung der Menschenwürde oder die Pressefreiheit ist aktueller denn je.“

Ein Satz, der so auch von Amnesty International stammen könnte. Aber anders als bei Nicht-Regierungsorganisationen richtet sich das Freimaurertum nach innen, auf das Individuum.Jeder Freimaurer muss seinen eigenen Weg bestreiten, und sich frei nach Kant mithilfe der eigenen Vernunft aus seiner Unmündigkeit befreien. „Natürlich kümmert man sich untereinander, gibt Ratschläge. Es gibt aber keine Dogmen nach dem dem Motto: du sollst jenes tun oder lassen“, erklärt Westphal.

Riten und Symbole

Eben diese Freiheit unterscheidet die Freimaurer von manchen Sekten oder pseudoreligiösen Gruppierungen. „Sekten setzen Menschen psychisch oder materiell unter Druck und schaffen Abhängigkeit. Das ist bei den Freimaurern keineswegs der Fall“, sagt Eckhard Türk, Leiter der Stabsstelle für Sekten und Weltanschauungsfragen der Diözese Mainz. Er spricht vielmehr von einer weltanschaulichen Gruppierung mit „achtbaren Werten“, die sich durch Riten und Symbole verständigt. So zieren Winkel und Zirkel das Logo der Freimaurer, das auch auf den Ringen der Mainzer Freimaurer abgebildet ist.

„Mich sprechen oft Menschen auf den Ring an, neulich zum Beispiel in einer Tankstelle“, erzählt Frank Arnold schmunzelnd. „Die Frau wollte gar nicht glauben, dass ich wirklich Freimaurer bin.“ Er geht offen mit diesem „Geheimnis“ um. Familie und Freunde wissen Bescheid. Bei Westphal ist es genauso. „Das ginge ja auch nicht anders. Sonst müsste ich ja immer lügen, ein Doppelleben führen.“ An den geheimen Treffen der Loge dürfen aber auch enge Vertraute nicht teilnehmen, die sind ausschließlich Freimaurern vorbehalten.

Logen-Zugehörigkeit

„Prinzipiell kann jeder freie Mensch von gutem Ruf Freimaurer werden“, sagt Westphal. „Voraussetzung ist die Bereitschaft, an sich zu arbeiten und sich weiterzubilden. Jemand, der den ganzen Tag Fernsehen schaut und kein Buch im Regal stehen hat, passt nicht zu uns. Sie müssen neugierig sein, weltoffen.“ Geld, Macht oder Bildungsabschluss spielen keine Rolle. Das ist Westphal besonders wichtig.

„Es gibt zwar elitäre Logen, etwa in der Schweiz, die eine Aufnahmegebühr von 10.000 Euro verlangen, aber das ist bei uns anders. Jeder kann sich die Mitgliedschaft leisten.“ Auch Frauen dürfen bei der Loge Minerva mitmachen. „Gemischte Logen sind gar nicht so selten, ergänzt Westphal, „in Frankreich gab es sie beispielsweise schon seit dem 18. Jahrhundert.“ Trotzdem schließen die meisten Logen Frauen aus. So auch die Loge zur Eintracht in Mainz oder die Wiesbadener Loge Plato. Westphal mag das nicht kritisieren. „Jede Loge handelt eben nach ihren Prinzipien.“

Auch wenn die Loge Minerva grundsätzlich niemanden ausschließt (das gilt auch für Hautfarbe oder Behinderung), müssen potenzielle Anwärter einige Hürden überwinden. Ein erster Kontakt erfolgt an Gästeabenden, an denen Interessierte mit den Mitgliedern ins Gespräch kommen. „Da merkt man schnell, ob es eine gemeinsame Basis gibt oder nicht“, sagt Westphal. Menschen mit extremen politischen Einstellungen haben ebenso wenige Chancen auf die Aufnahme wie militante Vegetarier.

„Wer anderen seine Lebensweise als die einzig richtige auferlegen möchte, hat bei uns keinen Platz.“ Einer der Grundsätze des Freimaurertums lautet schließlich: Es gibt keine absolute Wahrheit. Auch unehrenhafte Motive schließen eine Aufnahme aus. So sprechen immer wieder Menschen in der Loge vor, die auf Einflussnahme und gute Beziehungen hoffen, um daraus finanzielle Vorteile zu ziehen. „Das widerspricht unseren Prinzipien“, beteuert Westphal.

Und dann sind da natürlich die üblichen Spinner und Esoteriker, die eine Geheimloge unvermeidlich anzieht. Würdige Kandidaten, die so genannten Suchenden, dürfen einen Auf- nahmeantrag stellen, über den die Loge mit dem Verfahren der Kugelung abstimmt. Eine weiße Kugel steht für Zustimmung, die schwarze für Ablehnung. Bei erfolgreichem Antrag (maximal eine schwarze Kugel) folgt eine weitere Befragung, ehe es zum eigentlichen Aufnahmeritual kommt, der Initiation.

„Ein Ereignis, das kein Freimaurer in seinem Leben je wieder vergisst“, sagt Westphal. Der Anwärter wird halb bekleidet und mit verbundenen Augen in den Tempel geführt. Nach einem Ablauf von Fragen und universeller Riten (die ein Freimaurer natürlich nicht verraten darf), wird der Anwärter offiziell zum Lehrling. Darauf folgt nach Jahre engagierter Arbeit der Grad des Gesellen und schließlich des Meisters.

Abgeschlossen ist die Arbeit als Freimaurer allerdings nie. „Es gibt niemanden, der von sich sagt, die Vollkommenheit, nach der wir streben, erreicht zu haben“, sagt Westphal, „vielmehr ist der Weg das Ziel.“ Die Loge Minerva am Rhein sucht daher noch Verstärkung. Wer Interesse hat, besucht einen Gästeabend. www.loge-minerva-mainz.de.