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2×5 Fragen an: Ewald Dietrich (Geschäftsführer Unterhaus)

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Interview: David Gutsche, Foto: Ramon Haindl

Sie waren früher Controller bei IBM. Wie wird man Chef vom Unterhaus?
Ich habe 2002 im Bekanntenkreis erzählt, dass ich mir beruflich auch etwas anderes vorstellen könnte. Da riefen mich die drei Gründer des Unterhauses an, das damals in wirtschaftlichen Schwierigkeiten war. Mein Bewerbungsgespräch ging wie folgt: „Ewald setz‘ dich mal hin. Wir haben beschlossen, du wirst der neue Geschäftsführer vom Unterhaus.“ Auch wenn mein Steuerberater gesagt hat „Mach‘ das lieber nicht“, bereue ich es keine Sekunde.

Wie funktioniert Ihr Job?
Sie müssen nicht führen, sondern moderieren. Sie brauchen unterschiedliche Fähigkeiten und Neigungen, die Sie in einer „normalen“ Firma so nicht haben würden. Es geht um Künstler und Kultur, um Verabredungen morgens früh nach der Show. Es geht um Menschen, die manchmal auch kompliziert sind. Wir sind permanent serviceorientiert und rund um die Uhr tätig. Wenn man 25 Jahre bei einem amerikanischen Unternehmen war, denkt man, man kennt alle Höhen und Tiefen. Aber wenn man in einem Kabarett arbeitet, weiß man erst, wie viel Zeit ein Tag kosten kann. Da wünscht man sich auch schon mal geordnete Arbeitszeiten.

Läuft da eine Routine oder gibt es noch den Reiz des Neuen?
Mit Menschen arbeiten, kann nie Routine werden. Richtig ist, dass wir um die 400 Veranstaltungen im Jahr haben und dass routinierte Abläufe braucht. Aber dadurch, dass die Künstler jeden Tag neue Aspekte ins Haus bringen und die Gäste jeden zweiten Tag mit neuen Wünschen kommen, unterbricht das die Routine und macht es spannend.

Wie sieht der durchschnittliche Unterhaus-Besucher aus?
Das ist abhängig vom Programm. Wenn Sie Bülent Ceylan haben, ist das Publikum zwischen 16 und 24 Jahren und älter. Aber wenn Sie einen alten Haudegen wie Dieter Hildebrandt (in ein paar Wochen) oder Konstantin Wecker am Flügel haben, dann ist das Publikum oftmals auch schon im Ruhestandsalter. Man kann sagen: Jeder Künstler hat sein Publikum und alle haben im Unterhaus Platz.

Zurzeit verlosen Sie den alten Unterhaus-Flügel?
Ja, wir brauchen unbedingt einen neuen Flügel. Also verlosen wir den alten, um mit dem Erlös einen neuen zu kaufen. Das Los kostet 10 Euro. Bis zum 31.12. verkaufen wir bis zu 3.000 Lose und Mitte Januar wird in einer offiziellen Lottoziehung im Unterhaus die große Lostrommel angeschmissen und das Gewinner-Los gezogen. Im besten Fall könnten also 30.000 Euro zusammenkommen. Wenn wir nicht so viel zusammen kriegen, hilft unser Förderverein aus, die Sparkasse und die Lottostiftung. Aber es ist unser sportlicher Ehrgeiz, alle Lose bis Weihnachten zu verkaufen.

Mensch

Sie sind in der Kinderhilfe engagiert und haben sogar Ihre eigene Organisation gegründet?
Wahrscheinlich ist mir damals die Decke auf den Kopf gefallen, aber ich hatte schon immer Lust, ein Kinderdorf zu bauen. Ahnung von diesen Dingen hatte ich nicht – nur die Idee, eine Organisationsform auf dem Papier zu entwickeln, die sicherstellt, dass man auch im Ehrenamt mit großen Hilfsorganisationen zusammen arbeiten und sicherstellen kann, dass Spenden wirklich 1:1 in die Projekte kommen.

Los ging das in Afrika.
Irgendwann bin ich an Prof. Dr. Peter Molt geraten, der damals für das Innenministerium die Länderpartnerschaft zwischen Ruanda und Rheinland-Pfalz verantwortet hat. Der hat mir den Kopf gewaschen und gesagt: Du musst kein Kinderdorf gründen. Wir haben eine Länderpartnerschaft in Kigali. Dort gibt es ein Ehepaar aus Ludwigshafen. Fahr da mal hin, da kannst du nichts falsch machen. Letzte Woche war ich wieder in Ruanda und wir haben das 25-jährige Jubiläum gefeiert, des von mir finanzierten Straßenkinderprojektes – Spendengelder, die wir zwischen 1990 und 1993 gesammelt und in Ruanda angelegt haben. 2008 haben wir zudem ein Kinderschutzprogramm in Thailand mit Rainer Calmund auf die Beine gestellt.

Können Sie sich auch entspannen?
Wenn ich meinen Hafen – meine Frau und meine Tochter – nicht hätte, dann ginge das alles nicht. Ich mache sonst nichts anderes. Ich habe die ganzen Hilfsorganisationen gegründet, ich habe zum Teil Tagwerk gegründet, dann die Stiftung Tag für Kinder, heute Mittag fahre ich nach Frankfurt, dort wird die Help-Airlines gegründet. Da werden jeden Tag zwei Einlitereimer mit Münzen aus Nigeria, Ruanda, China, Japan usw. gesammelt. Das Geld geht an über 25 verschiedene Projekte. Es muss ja immer weitergehen mit den Stiftungen, der Foundation und dem Unterhaus. Am Wochenende fliege ich nach Thailand. Die Stiftung „Tag für Kinder“, die ich dort mit Rainer Calmund im vergangenen Jahr gegründet habe, ist ganz neu und muss erst noch richtig aufgebaut werden.

Haben Sie noch weitere Träume?
Ich lebe mein Leben. Ich trenne nicht zwischen Arbeit, Hobby und Freizeit. Oder andersherum: Ich vergnüge mich sieben Tage am Stück. Das was ich mache, mache ich gern. Mein einziger Traum sonst ist es noch, mit meiner Frau alt zu werden. Mit ihr bin ich seit meinem 18. Lebensjahr zusammen. Sie ist meine Kraft und die Einzige, die oft leidet, weil ich so selten zu Hause bin. Sie muss ein großes Verständnis für mich aufbringen, bei all den Dingen, die ich mache.

Was wollten Sie als Jugendlicher werden?
Das glauben Sie nicht – Polizist (lacht) Aber ich habe leider beim Aufnahmetest im Deutsch-Diktat zu viele Fehler gemacht …