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So wohnt Mainz – Peter Jackob (Fischergasse)

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Text Ulla Grall  Foto Frauke Bönsch

Durchs offene Fenster hört man die Glocken, wenn man sich reckt, sieht man die Turmspitze vom Dom. Zwei Schritte zum Liebfrauenplatz – das ist „mitten in der Stadt“, doch es ist still und beschaulich. Das Fischergässchen ist eine der schmalsten Gassen von Mainz. Die Rückseiten der Häuser wurden im 17. Jahrhundert an die alte Stadtmauer angelehnt, später teilweise darüber gebaut.  Hier hat sich Peter Jackob ein Refugium geschaffen, in dem er all das findet, was er zum Arbeiten braucht: Ruhe und Kontemplation ebenso wie Anregung. „Das ist mein Boot“ sagt er über die 40qm-Wohnung. Das Ruder lehnt an der Fachwerkwand. Die Freundin hat es ihm geschenkt: „Ein Symbol.“ Jackob ist Schriftsteller, in seinem Schlupfwinkel entstehen Kriminalromane.

Der alte Esstisch aus hellem Holz, im größeren der beiden Räume, drum herum Stühle mit Sitzen aus Binsengeflecht, ist zugleich auch Arbeitstisch. Eine Chaiselongue, ein großer Weichholzschrank, daneben Regale. Viele Bücher, aber nicht alle passen in die Borde. „Ein Teil liegt unterm Bett“, gesteht der Autor. Der Stuck an der Decke, ungewöhnlich für ein Fachwerkhaus, ist ein Hinweis darauf, dass das Haus, obwohl klein, doch mal „was Besseres“ war.

Mainzer mit Ambitionen

1965 geboren, Sohn einer alteingesessenen Mainzer Familie, im Herzen der Stadt aufgewachsen und zur Schule gegangen, wechselte Peter Jackob zum Studium der Allgemeinen und Vergleichenden Literaturwissenschaft nach Saarbrücken. Er war Mitherausgeber einer literarischen Zeitschrift, Mitbegründer eines Verlags, veröffentlichte eigene Lyrik und promovierte 2000. Bereits 1995 hatte er Deutschland „der Liebe wegen“ verlassen, um 14 Jahre lang in Florenz zu leben und arbeitete dort „alles Mögliche, vom Übersetzer bis zum Maurer“.

Die handwerklichen Fähigkeiten, die er sich in dieser Zeit aneignete, kamen ihm zugute, als er, zurück in der Vaterstadt, sein intimes Schreiber-Ressort renovierte. Das Haus gehört seiner Familie – „Fisch Jackob“ dürfte jedem Mainzer ein Begriff sein. Seit 1897 existiert der Familienbetrieb, die Fassade des Hauses in der Fischergasse ziert noch der Schriftzug, obwohl Laden und Restaurant längst umgezogen sind. Der Autor fühlt sich in seiner kleinen Wohnung sichtlich wohl.

„Ich habe hier fast alles selbst gemacht“, und es klingt ein bisschen Stolz mit. Aber: „Hauptberuflich bin ich Schriftsteller.“ Dies gilt für ihn, seit 2009 sein erster Mainz-Krimi, „Narren- Mord“, veröffentlicht wurde. Der Protagonist, Kommissar Schack Bekker, ist ein typischer Mainzer, nach dem Leben gezeichnet und „zusammengesetzt aus typischen Altstädter Figuren“. Drei Bände rund um den ein bisschen grummeligen, aber liebenswerten Kriminalisten sind bisher erschienen.

Doch nicht alle Krimis handeln in der Heimatstadt. „Kilju“ ist ein Thriller, der in Finnland spielt. Denn: „Eine gute Freundin hat einen Finnen geheiratet“, erklärt der Verfasser. „Ich war ein paarmal dort. Im Nationalmuseum habe ich ein Schwert mit mystischen Zeichen entdeckt, das in der Handlung eine wichtige Rolle spielt.“ Und auch das Wort „Kilju“ erklärt er: „Das ist ein Getränk aus warmem Wasser, Zucker und Hefe, das mit Fruchtsaft getrunken wird.“ Ebenso grauselig mutet auch die blutige Handlung an. Kaum zu glauben, dass sie aus der Feder des sympathischen, gut gelaunten Autors stammt.

Raffinierter Rundlauf

Ein zweiter Arbeitsplatz ist durch eine Fachwerkwand vom Zimmer getrennt, die Gefache zwischen den Balken sind herausgenommen, eine Stufe führt hinauf. „Das ist der alte Wehrgang“, erklärt Jackob den langen, schmalen Raum und zeigt auf die engen Fenster mit den tiefen, schrägen Laibungen: „Das waren Schießscharten.“ Bei der Überbauung der Stadtmauer im 18. Jh. wurde der schmale Gang zum Teil der Wohnung. Und es konnte sogar ein Badezimmer eingebaut werden.

Mit Raffinesse und Hilfe eines Freundes wurde aus dem 95 cm breiten Schlauch ein komplettes Bad mit Waschbecken, Wanne und WC. Das Klo auf halber Treppe, an das noch eine Tür erinnert, hatte ausgedient.Vom „neuen Luxusbad“ führt die eine Tür zum Arbeits-, Ess- und Wohnraum, durch die zweite gelangt man ins Schlafzimmer. Mehr als ein großes Bett ist hier „nicht drin“. Aber: „durch diesen „Rundlauf“ wirkt die Wohnung größer als sie ist“, kommentiert der Schriftsteller sein „Boot“.

Und wirklich erinnert die Küche an eine Kombüse: 2 m x 95 cm misst der Raum, kein Platz für Überflüssiges. Auf einem Nachtschränkchen ist ein Stillleben aufgebaut: eine Pfeife, eine Sherlock-Holmes-Mütze und der „Blaue Karfunkel“, der ihm von der Deutschen Sherlock-Holmes-Gesellschaft für seinen ersten Krimi im Stile von Sir Conan Doyle verliehen wurde. Drei „Sherlock-Holmes-Repliken“ sind bisher erschienen, aktuell schreibt Jackob an der nächsten. Auf einer großen Tafel macht er dafür Notizen: „Anonymes Päckchen. Inhalt: Vitriol“, steht bereits ahnend darauf. Die nächste Leiche wird nicht auf sich warten lassen.

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